Auch wenn Österreich ein kleines Land ist, in Europa und der Welt nimmt es doch eine Rolle ein, die von vielen seiner Bewohner selbst vielleicht unterschätzt wird. Nicht umsonst war das „Brückenbauen“ zentrales Motto der Ratspräsidentschaft: die Alpenrepublik als neutraler Mediator für die EU und die hohe Weltpolitik.

Trump und Putin in Wien, das wäre letztes Jahr der Wunsch des Kanzlers für ein Treffen der Supermächte gewesen. Es wurde Helsinki, und Putin kam alleine – in die Südststeiermark zum Tänzchen mit Außenministerin Karin Kneissl. Das Bild davon (samt Knicks) erregte weltweit Aufsehen, wurde zu einer Ikone für das irritierende Bild des neuen Österreich.

Die türkis-blaue Koalition stand aus zwei Gründen unter Beobachtung: Einmal wegen des Agierens der FPÖ-Leute, die einen „Einzelfall“ nach dem anderen zu erklären hatten, sich aber demonstrativ Russland zuwandten und auch noch mit AfD, Orban, LePen und Salvini an einer rechten Allianz für die Zeit nach der EU-Wahl arbeiteten. Zum anderen aber, weil Sebastian Kurz als jugendlicher Shooting Star die Europäische Bühne betreten hatte und die Welt interessiert wissen wollte, welcher Zauber wohl von ihm ausgeht. Und was von seiner Nähe zum rechten Rand zu halten sei. Schließlich hatte Kurz so manche „blaue“ Themen zur Chefsache erklärt: Migration, Schließen der Fluchtrouten, Außengrenzschutz usw.

Kurz beharrte darauf, nach dem Brexit nicht mehr als bisher ins EU-Budget einzuzahlen, fing sich Kritik aus ganz Europa wegen der Nicht-Unterzeichnung des UN-Migrationspakts ein und setzte diesen „blau-verdächtigen“ Entscheidungen kürzlich auch noch mit seiner als populistisch bezeichneten Kritik an der „Schnitzel-Verordnung“ eins drauf.

Während man sich in Brüssel in Rat und Kommission eher diplomatisch zurückhielt (bloß die Forderung, auf 1000 nicht näher genannte Verordnungen zu verzichten, erregte den überraschend deutlichen Widerspruch von Kommissionschef Jean-Claude Juncker) war das EU-Parlament jener Schauplatz, an dem Österreich schon bald ein strenger Wind entgegenkam. Liberale, Grüne und vor allem Sozialdemokraten hielten sich mit Kritik, etwa am Verlauf der Ratspräsidentschaft nicht zurück.

Schock

Da half es auch nichts, dass sich etwa die ÖVP-Mandatare für ein Rechtsstaatsverfahren gegen Ungarn ausgesprochen haben und die EVP sich regelmäßig von den Rechten distanziert. Eine Woche vor der EU-Wahl hat der FPÖ-Skandal Schockwellen in ganz Europa und darüber hinaus ausgeschickt und gerade die EVP ist am türkis-blauen Desaster näher dran, als ihr lieb ist.

Spitzenkandidat Manfred Weber aus dem Nachbarland Bayern hat in Sebastian Kurz Zugpferd und Unterstützer in einem gefunden; die beiden hatten zahlreiche, meist stark akklamierte Auftritte im EU-Wahlkampf. Erinnerlich ist ein EVP-Treffen in München, wo der smarte Kanzler in deutlich hellerem Licht erschien als die zweite Rednerin Angela Merkel. Kurz ist auch zu Webers Abschlusskundgebung in München eingeladen. Ob er kommt, wird sich zeigen.

Sicher ist, dass die Entscheidung des Kanzlers, die FPÖ als Juniorpartner in die Regierung zu holen, nun international auch mit der Frage der Verantwortung verknüpft wird.

Weber meinte in einer ersten Reaktion, man dürfe eben den Rechtspopulisten keine Verantwortung in Europa geben. Sie würden Patriotismus und die Werte ihres Landes verkaufen, nur um Profit daraus zu ziehen. Deutlicher drückte es der deutsche Außenminister Heiko Maas aus: „Rechtspopulisten sind die Feinde der Freiheit. Mit Rechtspopulisten gemeinsame Sache zu machen, ist verantwortungslos“, sagte er am Samstag.

Es war auch jener Tag, an dem sich in Mailand genau jene zu ihren Allianzgesprächen unter der Führung des Lega-Chefs Matteo Salvini trafen, die sich einen deutlichen Rechtsruck bei den EU-Wahlen erhoffen.

Die FPÖ war durch den Steirer Georg Mayer vertreten, FPÖ-Spitzenkandidat Harald Vilimsky musste Strache beim Parteitag in Graz vertreten. Die deutsche AfD hält der FPÖ die Treue: „Die FPÖ ist uns ein enger Partner und wird es auch bleiben, wir werden ihr nicht in den Rücken fallen wegen einer singulären Angelegenheit“, wird AfD-Chef Jörg Meuthen zitiert.

Doch ganz so einfach ist das nicht, denn die Nationalisten haben naturgemäß in erster Linie ihre jeweiligen nationalen Interessen im Vordergrund und zudem sind gute Verbindungen nach Russland nicht bei allen – etwa bei der polnischen PiS – gut angeschrieben. Allen ist mehr oder weniger gemein, dass sie vorgeben, vor allem des Wohl der Bürger, der „kleinen Mannes“, im Sinn zu haben. Ob das mit einem österreichischen Partner, der unter dem Stichwort „Skandalvideo“ gerade die Weltöffentlichkeit auf sich zieht, auch in den europäischen Ländern darstellbar ist, muss sich zeigen.