16.46 Uhr: Ukrainischer Parlamentsmandatar unter Hochverratsverdacht

In der Ukraine wird der Parlamentsabgeordnete Olexij Kowaljow wegen Hochverrats gesucht. Die Ermittlungen hätten ergeben, dass der 33-Jährige im Juli den Posten des Vizechefs der Besatzungsverwaltung im russisch okkupiertem Gebiet Cherson erhalten habe, teilte die Generalstaatsanwaltschaft am Mittwoch im Nachrichtendienst Telegram mit. Ihm droht bei einer Verurteilung eine lebenslange Gefängnisstrafe.

Kowaljow hatte erst im Juni einen offenbar vom ukrainischen Geheimdienst organisierten Anschlag überlebt. Die Ernennung von Kowaljow war am Montag von der russischen Besatzungsverwaltung bekanntgegeben worden. Kowaljow war 2019 über ein Direktmandat im Gebiet Cherson für die Präsidentenpartei Diener des Volkes in die Oberste Rada gewählt worden. Im April wurde er nach seiner Rückkehr in seine Heimatregion aus Partei und Fraktion wegen des Verdachts der Zusammenarbeit mit Moskau ausgeschlossen. Russland hatte nach seinem Einmarsch in die Ukraine Ende Februar fast das gesamte Gebiet Cherson erobert.

16.30 Uhr: Russisches Parlament ebnet Weg in Richtung Kriegswirtschaft

Das russische Parlament macht den Weg frei für den Umbau einer auf den Krieg ausgerichteten Wirtschaft. Es billigte am Mittwoch zwei entsprechende Gesetzentwürfe für "besondere wirtschaftliche Maßnahmen", unter denen jetzt noch die Unterschrift von Präsident Wladimir Putin fehlt. Danach könnte die Regierung die heimischen Unternehmen dazu verpflichten, das Militär mit dringend benötigten Gütern zu beliefern.

Die Mitarbeiter könnten zudem zu Überstunden und Urlaubsverzicht gezwungen werden, um die seit 24. Februar laufende russische Invasion in der Ukraine zu unterstützen. Auch können Arbeitnehmer dazu verpflichtet werden, nachts, an Wochenenden oder an Feiertagen zu arbeiten - als Ausgleich winken höhere Löhne.

Ebenso kann der Staat die für militärische Einsätze benötigten Waren und Dienstleistungen ohne vorherige Ausschreibung von einem einzigen Anbieter beziehen. "Im Rahmen von Operationen, die von den Streitkräften der Russischen Föderation außerhalb Russlands, einschließlich auf dem Territorium der Ukraine, durchgeführt werden, besteht die Notwendigkeit, Waffen und militärische Ausrüstung zu reparieren und die Streitkräfte mit materiellen und technischen Mitteln auszustatten", heißt es in einer Erläuterung zu einem der Gesetzentwürfe.

Vize-Ministerpräsident Juri Borissow hatte erst am Dienstag in der Duma um Zustimmung für die beiden Gesetzentwürfe geworben. Die Maßnahmen seien nötig, um dem Militär in einer Zeit zu helfen, in der Russlands Wirtschaft unter "kolossalem Sanktionsdruck" des Westens stehe. "Die Belastung für die Rüstungsindustrie ist erheblich gestiegen", sagte Borissow. "Um die Versorgung mit Waffen und Munition zu gewährleisten, muss die Arbeit des militärisch-industriellen Sektors und der Firmen, die Teil der Kooperationsketten sind, optimiert werden."

15.53 Uhr: Russlands Expräsident bringt Atomwaffen-Einsatz zur Sprache

Der russische Ex-Präsident Dmitri Medwedew hat im Zusammenhang mit den Ermittlungen des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) zu möglichen Kriegsverbrechen in der Ukraine vor einem Atomkrieg gewarnt. "Die Idee, ein Land zu bestrafen, das über das größte Atomwaffenarsenal verfügt, ist an und für sich absurd", schrieb Medwedew am Mittwoch im Onlinedienst Telegram. Dadurch werde möglicherweise "eine Bedrohung für die Existenz der Menschheit" geschaffen.

Er warf den USA vor, Russland vor internationale Gerichte bringen zu wollen, obwohl Washington nie für seine eigenen Kriege bestraft worden sei. Medwedew ist derzeit stellvertretender Vorsitzender des Nationalen Sicherheitsrats in Russland.

Von 2008 bis 2012 war er russischer Staatschef, anschließend übernahm er bis 2020 den Posten des Ministerpräsidenten. Seit dem Beginn des russischen Militäreinsatzes in der Ukraine greift Medwedew den Westen regelmäßig mit scharfen Worten an. Anfang Juni veröffentlichte er eine wütende Botschaft gegen angebliche Feinde Russlands, die er als "verkommene Menschen" bezeichnete.

Russland bestreitet systematisch alle Übergriffe, die seinen Streitkräften in der Ukraine zur Last gelegt werden, darunter Angriffe auf Zivilisten, Massenhinrichtungen und Vergewaltigungen. Stattdessen beschuldigt Moskau die ukrainische Armee, Kriegsverbrechen begangen zu haben.

11.00 Uhr: Schwere Kämpfe bei russischer Großoffensive auf Donezk

Bei ihrer Großoffensive auf die ostukrainische Region Donzek liefern sich russische Truppen schwere Kämpfe mit ukrainischen Soldaten. Am Rande der von Russland bereits eingenommenen Nachbarregion Luhansk werde erbittert gekämpft, sagte der dortige ukrainische Gouverneur Serhij Hajdaj am Mittwoch im Fernsehen. Die ukrainischen Truppen haben nach eigenen Angaben einen Angriff des russischen Militärs im Gebiet Donbass im Osten der Ukraine zurückgeschlagen.

"Die ukrainischen Kämpfer haben dem Feind bei einem versuchten Angriff im Umkreis der Ortschaften Werchnjokamkanka, Bilohoriwka und Hryhoriwka erhebliche Verluste zugefügt. Die Okkupanten haben sich zurückgezogen", teilte der Generalstab in Kiew am Mittwoch mit. Die Ortschaften liegen 10 bis 15 Kilometer westlich der einstigen Großstadt Lyssytschansk, die die russischen Truppen am Wochenende erobert haben. Auch südlich davon im Raum Bachmut sei es gelungen, den russischen Vormarsch zu stoppen und bei den Angreifern für "Ausfälle" zu sorgen, hieß es in dem Bericht. Unabhängig sind die Angaben nicht zu überprüfen.

"Wir halten den Feind an der Grenze zwischen den Regionen Luhansk und Donezk auf", schrieb Hajdaj auf Telegram. Die russische Armee schicke reguläre Einheiten und Reservekräfte in das Gebiet und versuche offenbar, den Fluss Siwerskyj Donez zu überqueren. "Sie erleiden ziemlich schwere Verluste." Am Sonntag hatte Russland die vollständige Einnahme von Luhansk verkündet, das zusammen mit Donezk den Donbass bildet, ein wichtiges Industriegebiet im Osten der Ukraine und erklärtes Ziel der russischen Invasion.

Hajdaj berichtete auch von Plünderungen russischer Soldaten in Sjewjerodonezk und Lyssytschanks, den weitgehend zerstörten Zwillingsstädten in der Region Luhansk. "Sie machen Jagd auf Bewohner, die für die Ukraine eintreten. Sie machen Geschäfte mit Kollaborateuren. Sie kundschaften Wohnungen aus, in denen Soldaten lebten, brechen ein und nehmen Kleidung mit. ... Alles wird zerstört. Ganze Sammlungen von Büchern auf Ukrainisch. Das ist ein Déjà-vu - wie 1939 bei Nazi-Deutschland." Unabhängig bestätigen lassen sich die Berichte nicht. Die russische Führung erklärt stets, sie ziele nicht auf Zivilisten.

Entlang der Linie der drei Kleinstädte Siwersk, Soledar und Bachmut hat die ukrainische Armee nach dem Fall des Ballungsraums Sjewjerodonezk-Lyssytschansk einen neuen Verteidigungswall aufgebaut. Dieser soll von Osten her die russische Offensive auf das Industriegebiet Slowjansk-Kramatorsk, dem Hauptquartier des ukrainischen Militärs im Donbass, stoppen. Derzeit laufen die Kämpfe um die vorderen Verteidigungslinien.

Moskau bezeichnet die am 24. Februar begonnene Invasion als militärischen Sondereinsatz, der der Entmilitarisierung des Nachbarlandes und dem Schutz der russisch-sprachigen Bevölkerung vor Nationalisten gelte. Die von pro-russischen Separatisten ausgerufenen und international nicht anerkannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk sollen der Kontrolle der Ukraine entzogen werden.

Die Ukraine und westlich orientierte Staaten sprechen dagegen von einem nicht provozierten Angriff Russlands und werfen ihm den Bruch des Völkerrechtes durch die Invasion vor. Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union haben Russland aufgefordert, eine Anordnung des Internationalen Gerichtshofs zu befolgen, in der das Land dazu angehalten wird, sich aus der Ukraine zurückzuziehen.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow rief am Mittwoch alle Staaten auf, das Völkerrecht zu achten. Dies sei notwendig, da sich die Welt auf komplizierte Weise entwickle, sagte er bei einem Treffen mit seinem vietnamesischen Amtskollegen Bui Thanh Son in Hanoi. Vietnam und Russland unterhalten enge Beziehungen, die bis in die Sowjetzeit zurückreichen. Die Regierung in Hanoi hat den Angriff auf die Ukraine bisher nicht verurteilt. Lawrow reist diese Woche auch nach Indonesien, um an einem Treffen der Außenminister der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) teilzunehmen.

8.35 Uhr: Generalstab meldet "Rückzug von Okkupanten"

Die ukrainischen Truppen haben nach eigenen Angaben einen Angriff des russischen Militärs im Gebiet Donbass im Osten der Ukraine zurückgeschlagen. "Die ukrainischen Kämpfer haben dem Feind bei einem versuchten Angriff im Umkreis der Ortschaften Werchnjokamkanka, Bilohoriwka und Hryhoriwka erhebliche Verluste zugefügt. Die Okkupanten haben sich zurückgezogen", teilte der Generalstab in Kiew am Mittwoch mit.

Die Ortschaften liegen 10 bis 15 Kilometer westlich der einstigen Großstadt Lyssytschansk, die Russlands Truppen am Wochenende erobert haben. Auch südlich davon im Raum Bachmut sei es gelungen, den russischen Vormarsch zu stoppen und bei den Angreifern für "Ausfälle" zu sorgen, hieß es in dem Bericht. Unabhängig sind die Angaben nicht zu überprüfen.

Mittwoch, 6. Juli, 7.30 Uhr: Selenskyj erneuert Ruf nach modernen Raketenabwehrsystemen

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat seinen Appell nach weiteren Waffenlieferungen aus dem Westen bekräftigt. Kiew werde seine Aktivitäten nicht reduzieren, um moderne und ausreichende Raketenabwehrsysteme für die Ukraine zu erhalten, sagte er am Dienstag in einer Videobotschaft. Die russische Armee habe aktuell erneut Stellungen im Land angegriffen. Dabei sei ein Teil der Raketen von ukrainischen Luftabwehrkräften abgeschossen worden.

Schutz vor Raketenangriffen noch in diesem Jahr zu schaffen, sei eine maximale Aufgabe für den Staat, sagte Selenskyj. "Aber das Erfüllen dieser Aufgabe hängt nicht nur von uns ab, sondern auch vom Verständnis unserer Grundbedürfnisse durch unsere Partner."

Zuletzt habe es in Kiew und anderen Regionen einige Zeit lang keinen Luftalarm gegeben, sagte der Präsident. "Man sollte in den Handlungen von Terroristen nicht nach Logik suchen. Die russische Armee macht keine Pausen", meinte er. Sie habe nur eine Aufgabe: "Menschen das Leben zu nehmen, Menschen einzuschüchtern - damit sich auch wenige Tage ohne Luftalarm bereits wie ein Teil des Terrors anfühlen."

17.15 Uhr: Johnson: Ukrainer können verlorene Gebiete zurückerobern

Der britische Premierminister Boris Johnson ist zuversichtlich, dass die Ukraine die kürzlich an russische Truppen verlorenen Gebiete zurückerobern kann. Das habe er dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj bei einem Telefonat am Dienstag gesagt, schrieb Johnson auf Twitter. Zudem sicherte er Kiew weitere militärische Unterstützung zu.

In einer Mitteilung des Regierungssitzes Downing Street hieß es, unter anderem zehn selbstfahrende Artilleriesysteme und als "loitering munition" bezeichnete Lenkwaffen sollten in den kommenden Tagen oder Wochen in der Ukraine eintreffen.

Das ukrainische Militär hatte sich kürzlich aus Lyssytschansk zurückgezogen. Dies war die letzte Stadt in der ostukrainischen Donbass-Region Luhansk, die noch nicht unter vollständiger russischer Kontrolle war.

17.00 Uhr: Slowjansk unter "massivem" russischen Beschuss

Bei russischen Raketenangriffen auf die ostukrainische Stadt Slowjansk sind am Dienstag nach ukrainischen Angaben mindestens zwei Menschen getötet worden. Sieben weitere seien verletzt worden, erklärte der Gouverneur der Region Donezk, Pawlo Kyrylenko, auf Telegram. Bürgermeister Wadym Liach hatte zuvor von massivem russischen Beschuss berichtet. "Slowjansk! Massives Bombardement der Stadt. Im Zentrum, im Norden. Alle in die Luftschutzkeller", schrieb Liach auf Facebook.

Dem Bürgermeister zufolge richtete sich der Angriff gegen den zentralen Markt der Stadt. Mehrere Raketen schlugen laut AFP-Journalisten vor Ort auf dem Marktplatz und in angrenzenden Straßen ein. Der Markt geriet in Brand, die Feuerwehr versuchte, die Flammen zu löschen.

"Wieder einmal zielen die Russen absichtlich auf Orte, an denen sich Zivilisten aufhalten. Das ist schlicht und ergreifend Terrorismus", erklärte Kyrylenko. Slowjansk, das vor Beginn des Ukraine-Krieges 100.000 Einwohner zählte, ist offenbar das nächste Ziel der russischen Streitkräfte bei ihrem Vormarsch im Donbass.

Die Stadt steht bereits seit Tagen unter Raketenbeschuss. Am Sonntag waren bei Raketenangriffen mindestens sechs Menschen getötet und 19 weitere verletzt worden. Bürgermeister Liach hatte Russland zuvor bereits vorgeworfen, bei den Angriffen auf die Stadt Streumunition eingesetzt zu haben. Streumunition ist durch internationale Verträge geächtet, die Moskau allerdings nicht unterzeichnet hat.

Die ukrainischen Behörden haben die in Slowjansk verbliebenen Zivilisten wiederholt aufgefordert, die Region zu verlassen. Nach der Einnahme der Städte Sjewjerodonezk und Lyssytschansk verläuft die Frontlinie nur noch wenige Kilometer von Slowjansk entfernt. Am Sonntag hatte Russland die Einnahme der nahe gelegenen Stadt Lyssytschansk und damit der gesamten Donbass-Region Luhansk verkündet.

13.45 Uhr: Wehrpflichte ukrainische Männer dürfen Wohnort nicht mehr verlassen

Das ukrainische Verteidigungsministerium verbietet Männern im wehrpflichtigen Alter das Verlassen ihres Wohnorts - Hintergrund ist das Wehrpflichtgesetz 1992. Für das Verlassen des gemeldeten Wohnorts benötigen Männer zwischen 18 und 60 nun eine Erlaubnis des zugehörigen Kreiswehrersatzamts. Die Maßnahme wurde von der ukrainischen Bevölkerung teils empört aufgenommen.

12.30 Uhr: Botschafter Melnyk soll aus Berlin nach Kiew zurückkehren 

Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, soll Medienberichten zufolge abberufen werden und ins Außenministerium nach Kiew wechseln. Die "Bild"-Zeitung berichtete unter Berufung auf mehrere Quellen in Kiew, dass das Außenministerium dies Präsident Wolodymyr Selenskyj vorgeschlagen habe. Noch im Herbst könne der Wechsel des 46-Jährigen erfolgen. Melnyk könnte stellvertretender Außenminister werden, schrieb die Zeitung.

10.10 Uhr: Nato unterzeichnet Beitrittsprotokolle für Finnland und Schweden

Botschafter der derzeit 30 Nato-Mitgliedsstaaten unterzeichnen heute in Brüssel die Beitrittsprotokolle für die "Neuzugänge" Finnland und Schweden. Damit können die beiden Länder bereits an allen Treffen des Militärbündnisses teilnehmen, aber nicht abstimmen. Alle Regierungen der 30 Nato-Länder müssen die Beitritte noch billigen, was einige Monate dauern dürfte.

9.00 Uhr: Lyssytschansk laut Selenskyj-Berater letzter Sieg Russlands

Nach der Einnahme von Sjewjerodonezk und Lyssytschansk werden die russischen Truppen nach den Worten des führenden Beraters des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj keinen Erfolg mehr verbuchen. "Das ist der letzte Sieg für Russland auf ukrainischem Territorium", sagte Olexij Arestowytsch in einer im Internet verbreiteten Video-Botschaft. Eine Gegenoffensive im Süden des Landes sei möglich.

Die Einnahme der Städte Lyssytschansk und Sjewjerodonezk bedeute, dass 60 Prozent der russischen Streitkräfte im Osten gebunden seien und es für Russland schwierig sei, sie in den Süden zu verlegen, so Arestowytsch. Zudem hätten die russischen Streitkräfte hohe Verluste erlitten. "Und es gibt keine Kräfte mehr, die aus Russland herangeschafft werden können. Sie haben einen hohen Preis für Sjewjerodonezk und Lyssytschansk bezahlt", sagte er. Ein erfolgreicher Gegenangriff auf russische Stellungen im Süden hänge aber auch von den zugesagten westlichen Waffenlieferungen ab, mit denen die Schlagkraft der ukrainischen Streitkräfte erheblich erhöht werden soll. "Es kommt darauf an, wie schnell der Nachschub kommt", erklärte Arestowitsch.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj rief dazu auf, rasch mit dem Wiederaufbau des Landes zu beginnen und nicht bis zu einem Ende des russischen Angriffskriegs zu warten. Allein in den Gebieten, aus denen russische Truppen wieder vertrieben worden seien, gebe es Zehntausende zerstörte Häuser. Die Ukraine müsse sich schon jetzt auf den Winter vorbereiten, unter anderem um die Energieversorgung zu sichern, sagte Selenskyj am Montag in seiner täglichen Videoansprache.

1.15 Uhr: Ukraine-Wiederaufbaukonferenz in der Schweiz geht zu Ende

Im Schweizerischen Lugano geht heute die zweitägige Ukraine-Wiederaufbaukonferenz zu Ende. Von österreichischer Seite nimmt Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) daran teil. Ziel der Konferenz ist es, einen umfassenden und systematischen Plan zum Wiederaufbau der kriegsgebeutelten Ukraine auszuarbeiten, einen Plan zur Aufbietung und zum Einsatz weiterer Geldmittel.

Ursprünglich sollte die Konferenz als fünfte, jährliche Ukraine-Reformkonferenz stattfinden. Die Ukraine sollte dabei mit ihren westlichen Partnern Reformen Richtung Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Marktwirtschaft erörtern. Der am 24. Februar begonnene Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hat zu einer völligen Neuausrichtung und Umbenennung der Konferenz geführt.

Montag, 4. Juli 2022

20.00 Uhr: "Spezial-Operation" wird fortgesetzt

Nach der Eroberung der strategisch wichtigen Stadt Lyssytschansk im ostukrainischen Gebiet Luhansk hat Russland die Fortsetzung der Kämpfe in anderen Teilen des Nachbarlandes angekündigt. "Die Streitkräfte der Russischen Föderation setzen die militärische Spezial-Operation fort", sagte Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu am Montag bei einem Treffen mit Kremlchef Wladimir Putin. Der ukrainische Generalstab berichtete von vermehrten Kämpfen im Donezker Gebiet.

Mit der Einnahme von Lyssytschansk und der damit verbundenen Kontrolle über das ganze Gebiet Luhansk hat der Kreml eines seiner wichtigsten Kriegsziele erreicht. Im benachbarten Gebiet Donezk hingegen kontrollieren die Ukrainer noch immer weite Teile. Bei den Kämpfen in Luhansk seien insgesamt mehr als 2.200 ukrainische Soldaten getötet und mehr als 3.200 verletzt worden, sagte Schoigu. Das ließ sich nicht unabhängig überprüfen. Zu Verlusten in den eigenen Reihen machte Moskau keine Angaben.

Putin erklärte, russische Soldaten, die an der Eroberung von Luhansk beteiligt gewesen sind, sollten sich nun erst einmal "ausruhen", um Kräfte für weitere Kämpfe zu sammeln. Der Kremlchef zeichnete zudem zwei Generäle mit dem Orden "Held Russlands" aus.

16.30 Uhr: Kiew will Wiederaufbau mit russischem Geld

Die ukrainische Regierung will den Wiederaufbau ihres kriegszerstörten Landes zu einem großen Teil mit russischem Geld finanzieren. Nötig seien nach Schätzungen mindestens 750 Milliarden Dollar (knapp 720 Milliarden Euro), sagte Regierungschef Denys Schmyhal am Montag bei der ersten großen Wiederaufbau-Konferenz in Lugano in der Schweiz. Der Wiederaufbau sei eine "gemeinsame Aufgabe der zivilisierten Welt", sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj per Videoschaltung.

"Diese Konferenz kann zum ersten großen Schritt für den historischen Sieg der demokratischen Welt werden", meinte Selenskyj. Er sagte nach Angaben des Übersetzers: "So lange es Ruinen gibt, geht der Krieg weiter. So lange der Aggressor glaubt, er könne die Grundlagen des Lebens zerstören, gibt es keinen Frieden".

Herangezogen werden sollten für den Wiederaufbau der Ukraine die rund 300 bis 500 Milliarden Dollar Vermögenswerte des russischen Staates und von Oligarchen, die weltweit eingefroren seien, sagte der ukrainische Regierungschef Schmyhal. Sein Land habe schon Infrastruktur im Wert von 100 Milliarden Dollar verloren.

16.00 Uhr: Fall von Lyssytschansk: Moskau feiert, Kiew kämpferisch

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj gibt sich alle Mühe, seinen Landsleuten die Niederlage im östlichen Gebiet Luhansk als Vorzeichen eines bevorstehenden Sieges zu verkaufen. "Wenn das Kommando unserer Armee Menschen von bestimmten Punkten der Front abzieht, wo der Feind den größten Feuervorteil hat (...), bedeutet das nur eins: Dass wir dank unserer Taktik, dank der verstärkten Versorgung mit modernen Waffen zurückkommen werden", sagt er am Wochenende.

Kurz zuvor ist bekannt geworden, dass seine Armee die strategisch wichtige Stadt Lyssytschansk nach wochenlangen Kämpfen an die russischen Angreifer verloren hat.

Die Niederlage in Lyssytschansk bedeutet für die Ukrainer faktisch den Verlust des gesamten Gebiets Luhansk. Aus Moskauer Sicht ist damit nach mehr als vier Monaten ein zentrales Kriegsziel erreicht. Das Luhansker Verwaltungszentrum Sjewjerodonezk ist bereits vor eineinhalb Wochen gefallen. Vereinzelte Kämpfe gibt es ukrainischen Angaben zufolge nun nur noch nahe Lyssytschansk im Dorf Bilohoriwka am Fluss Siwerskyj Donez.

Die vergangenen Wochen haben Tod und Zerstörung über Luhansk gebracht. Gouverneur Serhij Hajdaj zufolge sind 90 Prozent der Infrastruktur beschädigt, 60 Prozent der Wohnhäuser zerstört. In Lyssytschansk sind demnach von einst mehr als 100.000 Einwohnern nur noch rund ein Zehntel übrig. Viele sind auf der Flucht.

11.05 Uhr: Schallenberg zu Getreideschmuggel: "Schamlos"

Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) hat nach der Festsetzung eines unter russischer Flagge fahrenden Schiffs mit ukrainischem Getreide harsche Kritik an Moskau geübt. Es handle sich bei dem mutmaßlichen Schmuggel um ein "unglaublich schamloses Vorgehen" der russischen Seite, so Schallenberg zu Beginn eines Besuchs in Ankara.

9.15 Uhr: Belarus hat laut Lukaschenko "eine Armee mit Russland"

Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko bekräftigt seine enge Verbundenheit mit Russland. Belarus sei so eng mit der Russischen Föderation verbunden, "dass wir praktisch eine gemeinsame Armee haben", sagte Lukaschenko bei einer Feier zum Jahrestag der Befreiung von Minsk durch sowjetische Truppen im Zweiten Weltkrieg. Er habe Putins Vorgehen gegen die Ukraine "vom ersten Tag an" unterstützt, schwärmte Lukaschenko. Wir werden weiterhin mit dem brüderlichen Russland fest vereint sein."

7.25 Uhr: Russen rücken nach Einnahme von Lyssytschansk auf nächstes Ziel vor

Nach der Einnahme der einstigen Großstadt Lyssytschansk im Osten der Ukraine rücken die russischen Truppen auf das nächste Ziel vor, den Ballungsraum um Slowjansk. "In Richtung Slowjansk versuchen die Russen, die Kontrolle über die Ortschaften Bohorodytschne, Dolyna und Masaniwka herzustellen", teilte der ukrainische Generalstab am Montag mit. Die drei Ortschaften liegen weniger als 20 Kilometer im Norden und Nordosten von Slowjansk, südlich des Flusses Siwerskyj Donez.

Von Osten her bewegen sich die russischen Truppen nach diesen Angaben ebenfalls auf den Siwerskyj Donez zu, der in der Region in einem Bogen verläuft. Dort versuche der Feind die ukrainischen Kräfte auf eine neue Verteidigungslinie zwischen Siwersk, Soledar und Bachmut zurückzudrängen, hieß es in dem Lagebericht. Diese drei Städte liegen etwa 30 bis 40 Kilometer östlich vom Ballungsraum Slowjansk-Kramatorsk, der als Hauptquartier der ukrainischen Verteidigungskräfte im Donbass gilt.

An anderen Frontabschnitten, sowohl im Norden um die Millionenstadt Charkiw als auch im Süden in den Schwarzmeerregionen Saporischschja, Cherson und Mykolajiw gab es nach ukrainischen Angaben trotz schwerer Artilleriegefechte keine nennenswerten Truppenbewegungen. Unabhängig lassen sich die Angaben nicht überprüfen.

Sonntag, 3. Juli 2022

19.15 Uhr: Ukrainische Armee verkündet Rückzug aus Lyssytschansk

Die ukrainischen Streitkräfte mussten nach eigenen Angaben aus der Stadt Lyssytschansk abziehen. Eine weitere Verteidigung der Stadt hätte fatale Konsequenzen gehabt, teilte die Militärführung mit. Um das Leben der ukrainischen Soldaten zu retten, sei die Entscheidung zum Abzug getroffen worden. Lyssytschansk war die letzte ukrainische Festung in der Provinz Luhansk.

13.45 Uhr: Warnung vor sexueller Ausbeutung ukrainischer Frauen

Die "riesige Gruppe von besonders verletzlichen Frauen und Kindern bietet einen idealen Rekrutierungspool für die Kriminellen", warnt Diane Schmitt, EU-Koordinatorin für den Kampf gegen Menschenhandel. Besondere Gefahr der sexuellen Ausbeutung bestehe, weil sich der Krieg mittlerweile in die Länge ziehe.

12.30 Uhr: Region Luhansk laut Russlands Verteidigungsminister "befreit"

Die gesamte ostukrainische Region Luhansk ist zumindest nach Darstellung des russischen Verteidigungsministers Sergej Schoigu "befreit" worden. Lyssytschansk war bisher die letzte große ukrainische Bastion in der Region Luhansk, die zusammen mit Donezk den Donbass bildet.

10.30 Uhr: Russische Truppen fassen in Lyssytschansk Fuß 

Die russischen Truppen sind in Lyssytschansk eingerückt. Der ukrainische Generalstab teilte am Sonntag mit, das sich die Russen im Raum Donezk darauf konzentrierten, "ihre Positionen in den Städten Lyssytschansk und Werchnjokamjanka zu festigen". Bei Explosionen in der russischen Stadt Belgorod nahe der Grenze zur Ukraine kamen unterdessen laut russischen Angeben drei Menschen ums Leben.

Der ukrainische Militärgouverneur von Luhansk, Serhij Hajdaj, bestätigte am Sonntag auf Telegram, dass die Russen im Bezirk Lyssytschansk "Fuß gefasst" hätten. Unklar ist noch, ob ukrainische Einheiten in der Stadt sind. Am Samstag hatten die prorussischen Separatisten bereits die Einnahme von Lyssytschansk verkündet, Kiew entgegnete darauf, die strategisch wichtige Stadt sei noch unter eigener Kontrolle. Lyssytschansk war nach dem Fall von Sjewjerodonezk der letzte große ukrainisch-kontrollierte Ort im Gebiet Luhansk.

7.30 Uhr: Drei Tote nach Explosionen in russischer Grenzstadt

Bei Explosionen in der russischen Stadt Belgorod nahe der Grenze zur Ukraine sind nach Angaben des Gouverneurs der Region drei Menschen ums Leben gekommen. Das schrieb Wjatscheslaw Gladkow am Sonntag laut Agentur Tass im Nachrichtendienst Telegram. Vier weitere Menschen seien verletzt worden, darunter ein zehnjähriges Kind. Darüber hinaus seien 50 Häuser beschädigt worden. Die Ursachen des Vorfalls würden untersucht, das Luftabwehrsystem werde voraussichtlich aktiviert.

Die Angaben waren von unabhängiger Seite nicht überprüfbar. Russland hat am 24. Februar einen Angriffskrieg gegen das Nachbarland Ukraine begonnen und beklagte seitdem wiederholt auch Angriffe auf sein eigenes Staatsgebiet. Neben Belgorod werfen auch andere russische Regionen - darunter Kursk und Brjansk - der ukrainischen Seite immer wieder Beschuss vor. Kiew äußert sich zu den Vorwürfen in der Regel nicht.

Samstag, 2. Juli 2022

19.55: Lukaschenko: Ukrainische Raketenangriffe auf Belarus vereitelt

Inmitten von Spekulationen über ein mögliches belarussisches Eingreifen in den Ukraine-Krieg hat der dortige Diktator Alexander Lukaschenko der Ukraine Raketenangriffe auf sein Land vorgeworfen. "Wir werden provoziert", sagte Lukaschenko am Samstag nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Belta. Vor drei Tagen hätte die ukrainische Armee versucht, militärische Einrichtungen in Belarus anzugreifen, doch seien die Raketen allesamt abgefangen worden, so Lukaschenko.

Der belarussische Präsident äußerte sich anlässlich einer Feier zum Nationalfeiertag seines Landes. Dabei erhob er schwere Vorwürfe gegen die Ukraine und auch den Westen. "Westeuropa hat zuerst ein Monster namens faschistisches Deutschland aufgezogen und züchtet jetzt ein neues Monster in der Ukraine", bemühte er einen historischen Vergleich.

18.15 Uhr: Weitere Ermittlungen wegen Kriegsverbrechens

Nach den russischen Raketenangriffen auf ein Wohn- und ein weiteres Gebäude nahe Odessa mit über 20 Toten will Kiew Ermittlungen aufnehmen. Laut ARD-"Tagesschau" sieht die ukrainische Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa ein "Kriegsverbrechen".

17.30 Uhr: Ukraine dementiert Einkesselung von Lyssytschansk

Um die massiv umkämpfte Stadt Lyssytschansk gibt es weiter widersprüchliche Angaben. Prorussische Kämpfer wollen die Stadt im Osten der Ukraine vollständig umzingelt haben. Die ukrainische Seite hingegen dementiert: Lyssytschansk sei weiter unter ukrainischer Kontrolle.

9.15 Uhr: Raketenangriff verurteilt

Mit scharfen Worten hat die Ukraine einen russischen Raketenangriff mit mindestens 21 Toten und 39 Verletzten auf ein Wohnhaus im südukrainischen Gebiet Odessa verurteilt. Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach von einem "absichtlichen, gezielten russischen Terror". In dem Haus seien weder Waffen noch militärische Ausrüstung versteckt gewesen - "wie russische Propagandisten und Beamte immer über solche Angriffe erzählen", sagte er am Freitag in einer Videobotschaft.

Der Einschlag der drei Raketen sei kein Versehen gewesen. Der Samstag ist für die Ukraine der 129. Kriegstag. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba warf Russland einen Krieg gegen Zivilisten vor. "Ich fordere unsere Partner dringend auf, der Ukraine so schnell wie möglich moderne Raketenabwehrsysteme zur Verfügung zu stellen. Helft uns, Leben zu retten und diesem Krieg ein Ende zu setzen", teilte Kuleba per Twitter mit.

20.49 Uhr: Ukraine wirft Russland Phosphorbombeneinsatz auf Schlangeninsel vor

Die Ukraine hat der russischen Armee vorgeworfen, die Schlangeninsel im Schwarzen Meer mit Phosphorbomben angegriffen zu haben. Moskaus Truppen hätten am Freitagabend "zweimal einen Luftangriff mit Phosphorbomben ausgeführt", schrieb der ukrainische Armeechef Walerij Saluschny auf Telegram. Erst am Donnerstag hatte die russische Armee ihren Rückzug von der ukrainischen Insel erklärt, die sie zuvor vier Monate lang besetzt gehalten hatte.

16.00 Uhr: Kalaschnikow & Co nicht auf Sanktions-Radar des Westens

Gut vier Monate nach Beginn der Angriffe auf die Ukraine sind nach Recherchen der Nachrichtenagentur Reuters zentrale Figuren der russischen Rüstungsindustrie noch nicht Ziel westlicher Sanktionen. Dazu gehört auch der Eigner des Kalaschnikow-Konzerns, seines Zeichens Originalhersteller der gleichnamigen Gewehre. Das Unternehmen steht nach eigenen Angaben für fast die gesamte russische Produktion von Maschinen- und Scharfschützengewehren, Pistolen und anderen Handfeuerwaffen.

Die USA, die EU und Großbritannien haben zwar Sanktionen gegen den Konzern verhängt, gegen den mit einem Anteil von 75 Prozent größten Aktionär Alan Luschnikow bisher aber nicht.

Ähnlich verhält es sich mit dem Produzenten von Kalibr-Raketen, die laut dem Verteidigungsministerium in Moskau in der Ukraine bei Angriffen auf militärische Ziele zum Einsatz kommen. Gegen das Unternehmen Almas-Antej haben die Amerikaner und die Europäer Strafmaßnahmen erlassen, Konzernchef Jan Nowikow bleibt aber außen vor. Von den genannten Unternehmen und Geschäftsleuten waren keine Stellungnahmen zu erhalten.

Mit Sanktionen gegen Unternehmen sollen deren Geschäfte durch fehlende Kunden und Bauteile aus dem Ausland erschwert werden, Strafmaßnahmen gegen Personen hinter den Konzernen gehen einen Schritt weiter: Die Unternehmer können selbst nicht mehr in bestimmte Länder reisen, die dortigen Behörden dafür aber ihre Villen, Yachten und andere Vermögenswerte beschlagnahmen.

14.20 Uhr: Von der Leyen fordert von Kiew Kampf gegen Korruption

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sieht in der Verleihung des Status eines EU-Beitrittskandidaten einen historischen Meilenstein für die Ukraine. "Die Ukraine hat jetzt eine ganz klare europäische Perspektive", sagte sie in einer per Videoschaltung übertragenen Rede zum ukrainischen Parlament in Kiew. Von der Leyen forderte von der Ukraine auf dem Weg in die EU weitere Anstrengungen etwa im Kampf gegen Korruption und den Einfluss von Oligarchen.

Noch vor fünf Monaten sei es fast unvorstellbar erschienen, dass die Ukraine ein Kandidat für einen Beitritt zur Europäischen Union werde, sagte die Kommissionspräsidentin. Dies sei nun vor allem ein Moment, "um diesen historischen Meilenstein zu feiern", einen Sieg der Entschlossenheit und einen Sieg für die gesamte Bewegung, die vor acht Jahren auf dem Maidan in Kiew begonnen habe, sagte von der Leyen.

Sie forderte von der Ukraine weitere Anstrengungen etwa im Kampf gegen Korruption und den Einfluss von Oligarchen gefordert. Das Land habe bereits große Fortschritte erzielt, sagte die deutsche Politikerin. Viele der notwendigen Gesetze und Institutionen gebe es bereits. Nun sei es an der Zeit, diese in "einen positiven, dauerhaften Wandel" umzusetzen.

Die Ukraine habe eine beeindruckende "Anti-Korruptions-Maschine" geschaffen. Nun bräuchten die Institutionen jedoch Zähne und die richtigen Personen in leitenden Positionen. Gegen den Einfluss von Oligarchen auf Wirtschaft und Politik gebe es zwar ein Gesetz. Dies müsse nun jedoch rechtssicher umgesetzt werden.

Die EU hatte die Ukraine vergangene Woche offiziell in den Kreis der Beitrittskandidaten aufgenommen, dies jedoch an weitere Reformen geknüpft. Auch langfristige Unterstützung beim Wiederaufbau nach dem russischen Krieg gegen die Ukraine sollte nach von der Leyens Ansicht an Reformen geknüpft werden. "Es liegt ein langer Weg vor uns, aber Europa wird an Ihrer Seite sein", sagte sie. "Sie sind diejenigen, die dieses Land zum Guten verändern können. Und dies wird Ihr endgültiger Sieg sein." Nach ihrer Rede wurde im Sitzungssaal feierlich und unter Beifall eine EU-Flagge aufgestellt.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj betonte in seiner Rede, dass sein Land und die EU jetzt nicht mehr nur nahe, sondern zusammen seien. "Nicht zwei Nachbarn, zwischen denen Grenzen und Barrieren sind, sondern eine europäische Familie, die gemeinsame Werte und ein gemeinsames Schicksal haben", sagte der 44-Jährige.

14.00 Uhr: Ukraine setzt neuen Menschenrechtsbeauftragten ein

Nach der Entlassung der umstrittenen Menschenrechtsbeauftragten Ljudmyla Denissowa hat das ukrainische Parlament den Posten neu besetzt. Der Abgeordnete Dmytro Lubinez wurde am Freitag mit einer deutlichen Mehrheit gewählt, meldete das öffentlich-rechtliche Fernsehen. Der 40-Jährige hatte zuvor den Menschenrechtsausschuss des Parlaments geleitet. Der gelernte Historiker und Jurist stammt aus dem von russischen Truppen eroberten Wolnowacha im ostukrainischen Gebiet Donezk.

Denissowa war Ende Mai nach vier Jahren Amtszeit entlassen worden. Der 61-Jährigen wurde vorgeworfen, sich zusammen mit ihrer Tochter Geschichten von Kindesvergewaltigungen durch russische Soldaten ausgedacht zu haben. Da sie keine Beweise vorlegen konnte, habe das dem Ansehen der Ukraine geschadet, so der Vorwurf. Kiew wehrt seit mehr als vier Monaten eine russische Invasion ab und fordert unter Verweis auf russische Menschenrechtsverstöße internationale Hilfe.

13.30 Uhr: Prozess-Auftakt gegen US-Basketball-Star Griner in Moskau

Viereinhalb Monate nach ihrer Verhaftung wegen des Vorwurfs des Drogenbesitzes am Moskauer Flughafen hat in der russischen Hauptstadt der Prozess gegen die US-Basketballerin Brittney Griner begonnen. Die 31-Jährige erschien in Handschellen persönlich vor Gericht, wie Fotos zeigten. Ihr drohen bis zu zehn Jahre Gefängnis. Der Kreml wies unterdessen Vorwürfe zurück, der Prozess sei politisch motiviert.

Der Staatsanwalt teilte Griner mit, dass sie wegen vorsätzlichen Transports von Betäubungsmitteln angeklagt sei. Die Sportlerin sagte, sie habe die Anklage verstanden. Drei Mitarbeiter der US-Botschaft waren im Gerichtssaal anwesend, wo die Angeklagte in einem Käfig saß.

Griner war am 17. Februar am Flughafen Scheremetjewo festgenommen worden. In ihrem Gepäck sollen sogenannte Vape-Kartuschen und Haschisch-Öl entdeckt worden sein. Die zweifache Olympiasiegerin und Starspielerin des WNBA-Teams Phoenix Mercury war zuletzt auch in Russland aktiv gewesen.

Der Fall kommt zu einem Zeitpunkt, zu dem sich die Beziehungen zwischen den USA und Russland wegen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine auf einem Tiefpunkt befinden. Kremlsprecher Dmitri Peskow wies am Freitag jedoch Anschuldigungen zurück, der Prozess gegen Griner sei politisch motiviert. "Die Fakten besagen, dass die bekannte Sportlerin mit verbotenen Präparaten festgenommen wurde, die Drogenstoffe enthalten", sagte Peskow. Dafür sehe das russische Gesetz nun einmal Strafen vor. Ein endgültiges Urteil könne aber nur das Gericht sprechen.

Zuletzt hatte das Gericht nach einer erster Anhörung entschieden, dass Griner mindestens bis kurz vor Weihnachten in einem russischen Gefängnis bleiben muss. Die Haft der 31-Jährigen wurde bis zum 20. Dezember verlängert.

13.00 Uhr: Russische Diplomatin: Moskau soll Botschaft in Sofia schließen

Die russische Botschafterin in Bulgarien, Eleonora Mitrofanowa, will Moskau um die Schließung der diplomatischen Vertretung in Sofia ersuchen. Bulgarien hatte am Freitag ein Ultimatum, die Ausweisung von 70 russischen Diplomaten zurückzunehmen, verstreichen lassen.

"Leider hat das bulgarische Außenministerium unser Ersuchen ignoriert und so sehe ich mich gezwungen, mich an die Führung meines Landes unverzüglich zu wenden mit der Anfrage, die russische Botschaft in Sofia zu schließen. Die Verantwortung für die weiteren schwerwiegenden Folgen dieses Schrittes trägt allein die Regierung von Kiril Petkow", schrieb Mitrofanowa auf ihrer Facebook-Seite.

Bulgariens scheidender Ministerpräsident Kiril Petkow hatte am Dienstag die Ausweisung der Diplomaten angeordnet, von denen viele für ausländische Geheimdienste gearbeitet haben sollen. Petkow sagte, sie hätten ihren diplomatischen Status nur als Tarnung benutzt. Sie müssten spätestens am kommenden Sonntag Bulgarien verlassen. Die Europäische Union und NATO stellten sich am Freitag hinter Bulgariens Entscheidung und verurteilten Russlands Verhalten.

Russlands Drohung, die diplomatischen Beziehungen zu Bulgarien abzubrechen, sei "ungerechtfertigt", hieß es in einem Statement des Europäischen Auswärtigen Dienstes. Bulgarien habe in völliger Übereinstimmung mit dem Völkerrecht gehandelt. "Ein solch unverhältnismäßiger Schritt Russlands würde nur dazu dienen, es international weiter zu isolieren", hieß es in dem Statement. Der Auswärtige Dienst der EU sicherte Bulgarien zudem "unter diesen Umständen volle Unterstützung und Solidarität" zu. Man werde die Angelegenheit weiter aufmerksam verfolgen.

"Bulgariens Entscheidung, 70 russische Beamte, die als ausländische Agenten gelten, auszuweisen, ist eine souveräne Entscheidung, die respektiert werden muss", twitterte NATO-Sprecherin Oana Lungescu. Die NATO-Verbündeten verurteilten "aufs Schärfste" Russlands langjährige Vorgehensweisen "Einschüchterung, Versuche, in unsere demokratischen Prozesse und Institutionen einzugreifen sowie Angriffe auf die Sicherheit unserer Bürger". "Wir stehen solidarisch mit unserem Verbündeten Bulgarien", so Lungescu.

Die russische Botschafterin in Sofia hatte in einer diplomatischen Note gedroht, die Botschaft der Russischen Föderation in der bulgarischen Hauptstadt zu schließen, sollte die Regierung in Sofia bis Freitagmittag 12.00 Uhr Ortszeit (11.00 Uhr MEZ) ihre Entscheidung nicht zurückziehen. Gegenüber dem öffentlich-rechtlichen bulgarischen Fernsehen BNT schloss Mitrofanowa den Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen Bulgarien und Russland nicht aus.

Petkow hatte die russische Botschaft daraufhin aufgefordert, die diplomatische Note zurückzuziehen, und an seiner Entscheidung festgehalten. Nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine hatte Bulgarien Anfang März bereits zehn russische Diplomaten zu unerwünschten Personen erklärt.

9.30 Uhr: Von der Leyen sprach per Videolink vor Parlament in Kiew

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sieht in der Verleihung des Status eines EU-Beitrittskandidaten einen historischen Meilenstein für die Ukraine. "Die Ukraine hat jetzt eine ganz klare europäische Perspektive", sagte sie in einer per Videoschaltung übertragenen Rede zum ukrainischen Parlament in Kiew. Noch vor fünf Monaten sei es fast unvorstellbar erschienen, dass die Ukraine ein Kandidat für einen Beitritt zur Europäischen Union werde.

Dies sei nun vor allem ein Moment, "um diesen historischen Meilenstein zu feiern", einen Sieg der Entschlossenheit und einen Sieg für die gesamte Bewegung, die vor acht Jahren auf dem Maidan in Kiew begonnen habe, sagte von der Leyen.

08:45 Uhr: Schwache Weizenernte in Ukraine erwartet

Die Weizenernte in der Ukraine fällt heuer laut einer Auswertung des deutschen Agrarkonzerns BayWa wegen des russischen Angriffskriegs schwach aus. Derzeit reiften 22,48 Mio. Tonnen Brotweizen auf den ukrainischen Feldern, teilte das Unternehmen am Donnerstag unter Berufung auf einer Auswertung von Satellitendaten mit. Im Vergleich zum Durchschnitt der vergangenen vier Jahre bedeute das einen Rückgang um 17 Prozent. Zudem seien Ausfuhren über den Landweg keine Alternative zur See.

"Ohne Öffnung der Häfen wird das Getreide nicht außer Landes kommen", so BayWa-Vorstandschef Klaus Josef Lutz. "Eine Zwischenlagerung ist unumgänglich, denn die Kapazitäten auf dem Landweg sind keine Alternative."

Die Daten zeigten, dass eine unterdurchschnittliche Ernte nicht mehr zu vermeiden sei, so der Chef der BayWa, die in Österreich maßgeblich an der Lagerhaus-Mutter Raiffeisenware Austria (RWA) beteiligt ist. "Es fehlen rund 20 Millionen Tonnen Weizen am Weltmarkt." Für die Untersuchung wurden hunderttausende Satellitenbilder ausgewertet.

08:00 Uhr: 18 Tote bei Raketenangriff in Region Odessa

Bei einem russischen Raketenangriff sind in der südukrainischen Region Odessa mindestens 18 Menschen in einem neunstöckigen Wohngebäude getötet worden. Der Sprecher der Regionalverwaltung von Odessa, Serhij Bratschuk, sagte in der Nacht auf Freitag, die Rakete sei von einem über dem Schwarzen Meer fliegenden Flugzeug aus abgefeuert worden. Laut Rettungsdiensten wurden außerdem 30 Menschen verletzt, darunter drei Kinder.

07:00 Uhr: Selenskyj präsentierte Ukraine als Gamechanger

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach am Donnerstagabend via Videoschaltung zum ersten Mal seit Kriegsbeginn live in Österreich im Rahmen des 4Gamechangers-Festivals in Wien. Er forderte eine Ausweitung der Sanktionen gegen Russland und bat Österreich, seine Anstrengungen vor dem siebten Sanktionspaket zu verdoppeln.

06:30 Uhr: Kiew auf Distanz zu Äußerungen von Botschafter in Berlin

Das ukrainische Außenministerium hat sich von Äußerungen des Botschafters in Berlin, Andrij Melnyk, über den früheren Nationalistenführer Stepan Bandera (1909-1959) distanziert. „Die Meinung des ukrainischen Botschafters in Deutschland, Andrij Melnyk, die er in einem Interview mit einem deutschen Journalisten ausgedrückt hat, ist seine persönliche und gibt nicht die Position des ukrainischen Außenministeriums wider“, teilt die Behörde auf ihrer Webseite mit. Melnyk wurde in Deutschland auch durch Kritik an der Ukraine-Politik der deutschen Regierung bekannt.