Nach dem nach der Sitzung der CSU-Landesgruppe im Bundestag trat Markus Söder mit kritischen Worten zu Union-Kandidat Armin Laschet vor die Presse. Der CSU-Chef sieht dabei den Auftrag zu Gesprächen über eine neue Bundesregierung zunächst bei SPD, Grünen und FDP. Die SPD sei am Zug.

Wenn das nicht funktionieren sollte, dann sei die Union zu jeden Gesprächen bereit. "Die besten Chancen, Kanzler zu werden, hat derzeit Olaf Scholz", sagte Söder mit Blick auf den SPD-Kanzlerkandidaten.

Es sei wichtig, das Wahlergebnis zu respektieren, auch innerlich,  sagte der CSU-Chef. Für die Union sei es "eine schwere Niederlage" gewesen, sie habe auf breiter Front einen Einbruch erlitten. Daher wolle er auch Scholz dazu gratulieren, dass die SPD die meisten Stimmen bekommen habe.

Laschet droht Entmachtung

Zwei Tage nach der Bundestagswahl kommen die Fraktionen von SPD, Union, Grünen und Linken an diesem Dienstag zu ersten Beratungen zusammen. In der Union wächst indes der Widerstand gegen die Strategie von Kanzlerkandidat Armin Laschet, trotz der historischen Niederlage bei der deutschen Bundestagswahl auf Sondierungen mit Grünen und FDP zu setzen. Vereinzelt wurden bereits Rufe nach Laschets Rückzug laut.

Niedersachsens CDU-Chef Bernd Althusmann verlangte: "Wir sollten jetzt demütig und respektvoll den Wählerwillen annehmen, mit Anstand und Haltung. Es war Veränderung gewollt." Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier unterstrich: "Wir haben keinen Anspruch auf Regierungsverantwortung." Junge-Union-Chef Tilman Kuban sagte: "Wir haben die Wahl verloren. Punkt." Der klare Auftrag liege bei SPD, Grünen und FDP.

Fraktionsstreit beigelegt

Immerhin konnte die Union am Dienstag einen offenen Machtkampf im Rahmen der konstituierenden Sitzung ihrer deutlich geschrumpften Bundestagsfraktion vermeiden. Nachdem es zuvor Streit über die Personalie gegeben hatte, wurde Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus am Dienstagabend mit breiter Mehrheit in seinem Amt bestätigt. Wie die Deutsche Presse-Agentur aus Teilnehmerkreisen erfuhr, erhielt er 164 Ja-Stimmen, was 85 Prozent aller Unions-Abgeordneten entspricht. Es habe zwei Enthaltungen gegeben. Brinkhaus wurde aber nicht wie üblich für ein Jahr, sondern bis April 2022 gewählt. Brinkhaus hatte sich dem Wunsch Laschets verweigert, zunächst nur kommissarisch im Amt zu bleiben.

Laschet stellte Kanzleranspruch

Obwohl die Union auf 24,1 Prozent abstürzte und die SPD mit Olaf Scholz stärkste Partei wurde, hatte der Kanzlerkandidat der Union noch am Wahlabend bekräftigt, dass er eine Jamaika-Koalition mit FDP und Grünen anstrebt- mit denen auch die SPD regieren möchte. Die Sozialdemokraten leiten aus dem Ergebnis von 25,7 Prozent einen klaren Wählerauftrag ab.

Scholz will rasch eine Regierung bilden, er sieht genügend Gemeinsamkeiten mit Grünen und FDP. "Es gibt ja Schnittmengen", betonte er am Montagabend im ZDF. Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock sagte, das Land sehne sich nach den Jahren der Großen Koalition nach einem neuen Aufbruch. Dreierbündnisse seien "nicht nur einfach, aber es kann eben auch das Momentum dafür geben, Dinge wirklich anders zu machen". FDP-Generalsekretär Volker Wissing betonte: "Am Ende muss man sich auf ein Konzept verständigen, das für das Land einen Mehrwert bringt."

Nach "Spiegel"-Informationen haben sich Grüne und FDP auf ein erstes Treffen am Mittwoch verständigt. FDP-Chef Christian Lindner hatte noch am Wahlabend vorgeschlagen, dass sich beide Parteien im Vorfeld zusammensetzen, um Schnittmengen auszuloten. Die SPD forderte Laschet auf, auf Sondierungen zu verzichten: "Niemand will Armin Laschet als Kanzler, und ich hoffe, dass er das in den nächsten Tagen auch realisiert", sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil im Sender RTL.

Mehrheit der Deutschen gegen Laschet

Nach einer Civey-Umfrage ist tatsächlich eine große Mehrheit der Deutschen dagegen, dass Laschet versuchen will, eine Regierung zu bilden. 71 Prozent der Bürger halten das für eindeutig oder zumindest eher falsch, wie die repräsentative Befragung für die "Augsburger Allgemeine" (Dienstag) ergab. Nur 22 Prozent der 5031 online Befragten befürworteten einen solchen Schritt.

Indes dementierte die nordrhein-westfälische CDU einen Medienbericht zur Nachfolge von Laschet als Ministerpräsident und CDU-Landeschef. Dort war spekuliert worden, der CDU-Landesvorstand habe am Montagabend bereits "einmütig" den Wunsch geäußert, NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst solle die Nachfolge antreten.

Der Generalsekretär der NRW-CDU, Josef Hovenjürgen, wies diese Spekulationen am Dienstag in Düsseldorf zurück und bekräftigte in einer Mitteilung das vom Landesvorstand beschlossene Verfahren: "Der Landesvorstand begrüßt das Angebot von Armin Laschet, mit den für die anstehende Neuaufstellung zentralen Persönlichkeiten in Partei und Fraktion in dieser und der kommenden Woche die notwendigen Gespräche zu führen."

Der Fahrplan für die inhaltliche und personelle Neuaufstellung stehe. Auf dem Landesparteitag am 23. Oktober in Bielefeld werde ein neuer Landesvorstand gewählt. Bereits "deutlich früher" werde Laschet dem Landesvorstand "einen Personalvorschlag unterbreiten, der den Erfolg der NRW-CDU auch in Zukunft garantiert".

Laschet hatte im Vorfeld der Bundestagswahl erklärt, er gehe "ohne Rückfahrkarte" nach Berlin - auch, wenn er nicht Kanzler werde. Es wird damit gerechnet, dass er Ministerpräsident bleibt bis zur konstituierenden Sitzung des Bundestags am 26. Oktober.

Laschet hatte vor der Wahl erklärt, er gehe "ohne Rückfahrkarte" nach Berlin - auch wenn er nicht Kanzler werde. Es wird erwartet, dass er bis zur konstituierenden Sitzung des Bundestags am 26. Oktober Ministerpräsident in NRW bleibt. Die Landes-CDU will bis Ende der nächsten Woche die Weichen für die Nachfolge stellen.

Erneuerung in Rheinland-Pfalz

Eine personelle Erneuerung zeichnet sich auch bei der CDU in Rheinland-Pfalz ab. Die CDU-Landesvorsitzende Julia Klöckner will bei der Vorstandswahl am 20. November nicht mehr kandidieren, wie sie am Montagabend mitteilte. Klöckner hatte die Landes-CDU als Spitzenkandidatin in die Bundestagswahl geführt, unterlag im Kampf um das Direktmandat, kehrt aber über die Landesliste in den Bundestag zurück.

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) wünscht sich unterdessen schnell Klarheit bei der Regierungsbildung in Deutschland. "Auch wenn das Wahlergebnis vom Sonntag noch keine Schlüsse darauf zulässt, wie sich die neue deutsche Bundesregierung zusammensetzt, so sind für uns gerade in der Außenpolitik Kontinuität und Klarheit das A und O", sagte Schallenberg der "Neuen Osnabrücker Zeitung" vom Dienstag.

Unabhängig davon, welche Koalition künftig die Regierungsgeschäfte in Deutschland führen werde, sagte Schallenberg: "Ich baue darauf, dass der deutsche Kurs fortgesetzt wird, wenn es beispielsweise um die Zukunft der Westbalkanstaaten in der EU oder die strategische Ausrichtung in den transatlantischen Beziehungen geht."