Die offizielle Verhängung von Geldstrafen wegen Verstoßes gegen britische Covid-19-Gesetze in den letzten beiden Jahren hat Premierminister Boris Johnson und seinen Finanzminister Rishi Sunak am Dienstag in die schwerste Krise ihrer Karrieren gestürzt.

Sämtliche Oppositionsparteien verlangten den unverzüglichen Rücktritt Johnsons und seines Ministers. Sie warfen insbesondere dem Regierungschef vor, nicht nur das Gesetz gebrochen, sondern auch Parlament und Öffentlichkeit mehrfach belogen zu haben. Auch in den Reihen der Regierungspartei, bei den Konservativen, hat die Bekanntgabe der Strafen neue Tumulte und Fragen zu Johnsons Zukunft ausgelöst. Bei den Strafen handelte es sich um Bußen wegen der Teilnahme an einer Reihe sozialer Veranstaltungen während strikter Lockdown-Phasen in der No. 10 Downing Street sowie im Garten des Regierungssitzes und in der Wohnung Johnsons und seiner Frau Carrie im Nachbargebäude. Auch Carrie Johnson wurde jetzt ein Strafgeld zuteil.

Verstöße in der Downing Street

Boris Johnson soll an bis zu sechs der sogenannten „Lockdown-Parties“ teilgenommen haben. Ausdrücklich erwähnt wurde von der Polizei gestern seine Teilnahme an einer Geburtstagsfeier in No. 10, die Carrie im Juni 2020 für ihn ausgerichtet hatte. All die Gesetze, gegen die verstoßen wurde, waren nach Beginn der Pandemie „zum Schutz der Bevölkerung“ von Johnsons Regierung erlassen worden. Sie sahen strenge soziale Isolation, keine gemeinsamen Feste vor.

Mit ihrer Bestrafung sind Johnson und Sunak nun zum ersten Premierminister und zum ersten Schatzkanzler der britischen Geschichte geworden, die im Amt geltende Gesetze brachen. Beide, Johnson und Sunak, hätten außerdem „die britische Bevölkerung wiederholt belogen“, indem sie noch vor Kurzem jeden Regelverstoß leugneten, erklärte dazu Oppositionsführer Sir Keir Starmer: „Sie müssen beide abtreten.“ Dasselbe verlangten die Schottische Nationalpartei (SNP) und die Partei der Liberaldemokraten. Schottlands SNP-Regierungschefin Nicola Sturgeon meinte, wenn Johnson gehe, könne er seinen Schatzkanzler „gleich mitnehmen“. Der Vorsitzende der Liberaldemokraten, Sir Ed Davey, forderte die sofortige Wiedereinberufung des Unterhauses, das derzeit Osterferien macht.

Causa "Partygate"

Mehr noch muss Johnson freilich die eigene Partei fürchten. Zu Beginn des Jahres hatten wegen des „Partygates“ schon mehrere seiner Abgeordneten seinen Sturz gefordert. Als die Londoner Polizei der ursprünglich mit der Untersuchung der Partys beauftragten Staatsbeamtin Sue Gray die Ermittlungen abnahm und Gray nur einen zensierten Bericht veröffentlichen durfte, kam die Rebellion gegen Johnson ins Stocken. Mit dem Krieg in der Ukraine wandte sich das öffentliche Interesse anderen Fragen zu. Nun aber denken offenbar manche Konservative wieder an einen Wechsel an der Spitze. Rishi Sunak war schon in den letzten Tagen wegen seiner Finanzpolitik und zuletzt auch wegen der Finanzaffären seiner Frau scharf angegriffen worden. Johnson selbst hatte im vergangenen Winter immer wieder feierlich versichert, es sei zu keinem Zeitpunkt gegen geltende Gesetze verstoßen worden.

Dennoch hatte die Polizei insgesamt zwölf Veranstaltungen unter die Lupe genommen und rund 100 Personen mit Fragebögen und im Verhör zu Stellungnahmen gezwungen. Zu den Veranstaltungen gehörten die notorische Geburtstagsfeier für Boris Johnson, aber auch zwei besonders ausgelassene Partys, die am Vorabend des Begräbnisses von Prinz Philip im April vorigen Jahres stattfanden. Insgesamt 50 Strafen sollen inzwischen verhängt worden sein. Den Betroffenen, also auch dem Premierminister, steht es frei, Einspruch gegen sie zu erheben. Dies hätte allerdings zwangsläufig ein Gerichtsverfahren zur Folge. Und falls Johnson bei einem solchen Verfahren unterläge, käme das einer strafrechtlichen Verurteilung gleich – mit einem Eintrag des Gesetzesbrechers ins Strafregister des Vereinigten Königreichs.