Kurz bevor mit Generalmajor Chris Donahueder letzte US-Soldat Afghanistan verließ, war im "Afghan TV" ein bizarrer und symbolträchtiger Auftritt zu sehen: Ein Moderator wird von einer Gruppe schwer bewaffneter und zuvor ins Studio gestürmter Taliban umringt und angehalten, den Zuschauern auszurichten: "Habt keine Angst!" Danach muss er führende Vertreter der islamistischen Terrormiliz interviewen. "Die Taliban selbst sind in den Köpfen von Millionen ein Synonym für Angst. Dies ist ein weiterer Beweis", so die iranische Journalistin Masih Alinejad.

Was nach dem Abzug der Amerikaner vorherrscht, ist Angst und noch mehr Angst vor Racheaktionen an Menschen, die das Land nicht mehr verlassen konnten. Dazu kommt das bange Wissen um eine Zukunft, die Meinungsäußerung und Frauenrechte nicht mehr inkludieren wird. Taliban-Sprecher Zabihullah Mujahid hat betont, dass Medienhäuser sich keine Sorgen machen müssten – allerdings "unparteiisch bleiben" sollten und "mit ihren Inhalten nicht islamischen Werten entgegenstehen" dürften. Parallel dazu wurden Journalisten verhaftet oder getötet.

Die gescheiterten US-Truppen hatten es mit einem diffusen Feind zu tun, dem nicht beizukommen war. Zudem war die öffentliche Unterstützung für den Einsatz in den USA längst geschwunden. US-Präsident Joe Biden betonte gestern in einer Rede an seine Nation, dass er die Wahl zwischen "dem Verlassen und einer Eskalation" hatte. Den Evakuierungseinsatz nannte Biden gar einen "außergewöhnlichen Erfolg".

Die Taliban wollen "gute Beziehungen zu den USA und der ganzen Welt", ließen sie wissen. Laut US-Außenminister Antony Blinken müssen die Extremisten für "internationale Legitimität" das Richtige tun. Es ist allerdings schwer vorstellbar, womit sich ein System, das auf eisernem Fanatismus gründet und Grundrechte niederknüppelt, Unterstützung verdienen sollte.