Die USA halten einen weiteren Anschlag auf den Flughafen in der afghanischen Hauptstadt Kabul für "sehr wahrscheinlich". "Die Lage vor Ort ist nach wie vor extrem gefährlich, und die Gefahr von Terroranschlägen auf den Flughafen bleibt hoch", erklärte US-Präsident Joe Biden am Samstag. Nach Einschätzung der Armeeführung sei "ein Anschlag in den nächsten 24 bis 36 Stunden sehr wahrscheinlich".

Der US-Präsident drohte dem IS-Ableger IS Khorasan in Afghanistan mit weiteren Vergeltungsschlägen. "Der Angriff war nicht der letzte. Wir werden weiter alle Personen jagen, die in die abscheuliche Attacke verwickelt sind und diese zur Rechenschaft ziehen", sagt Biden.

Abzug begonnen

Kurz zuvor kündigte das US-Militär an, dass es mit dem Abzug seiner Truppen vom Flughafen Kabul begonnen habe. Der Prozess sei gestartet worden, sagte der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, John Kirby, am Samstag. Gleichzeitig widersprach er entschieden Aussagen der militant-islamistischen Taliban, wonach die USA "zwei, drei" Zugänge zum Flughafen in der Nacht zu Samstag an ihre Kräfte übergeben hätten.

Die Taliban hätten Sicherheitskontrollen rund um den Flughafen errichtet, sagte Kirby. "Aber sie kontrollieren keine Tore, sie sind nicht am Flughafen und haben keine Rolle für die Sicherheit", betonte Kirby. Das US-Militär werde noch bis zum geplanten Abzug am Dienstag für Sicherheit und Betrieb des Airports verantwortlich sein, sagte Kirby. Alle Tore des Flughafens stünden weiter unter Kontrolle der US-Soldatinnen und Soldaten. Die Truppen sollen Afghanistan nach Willen von US-Präsident Joe Biden bis Dienstag verlassen.

Noch 5000 stationiert

Am Freitag waren noch mehr als 5000 US-Soldatinnen und Soldaten am Flughafen Kabul stationiert gewesen. Kirby erklärte, das Militär werde aus Sicherheitsgründen zunächst keine neuen Zahlen zur Truppenstärke nennen. Das US-Militär werde noch bis zum Abschluss des Einsatzes westliche Staatsbürger und frühere afghanische Mitarbeiter ausfliegen können, betonte er.

Nach dem Anschlag der Extremistengruppe "Islamischer Staat" (IS) vor einem Tor des Kabuler Flughafens sind laut US-Medien bis zu 170 Menschen ums Leben gekommen. Die Taliban gaben an, mehrere Gates am Flughafen zu kontrollieren. Die USA stellen sich nach dem Vergeltungsangriff auf den IS, bei dem es auch Tote und Verletzte gegeben haben soll, und wegen der am Dienstag endenden Evakuierungen auf weitere IS-Attentate ein. Binnen 24 Stunden wurden rund 6800 Menschen evakuiert.

Eine Sprecherin des Weißen Hauses teilte mit, bis Samstagvormittag (Ortszeit) habe die US-Luftwaffe mit 32 Flügen rund 4000 Menschen in Sicherheit gebracht, Flugzeuge von Verbündeten hätten rund .800 Menschen evakuiert. Seit dem Start des Einsatzes Mitte August hätten die Vereinigten Staaten und ihre Partner damit insgesamt rund 112.000 Menschen ausgeflogen. Das US-Militär will seine zuletzt rund 5000 Soldaten bis Dienstag vom Flughafen der afghanischen Hauptstadt abziehen. Damit wird der Einsatz zur Evakuierung westlicher Staatsbürger und früherer afghanischer Mitarbeiter ausländischer Truppen und Einrichtungen enden.

"Zwei, drei" Zugänge zum Flughafen seien in der Nacht auf Samstag von den USA an Kräfte der Taliban übergeben worden, so einer ihrer Vertreter am Samstag. Der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, John Kirby, hatte eine derartige Übergabe nach ersten Medienberichten darüber in der Nacht auf Samstag allerdings vehement dementiert. Nach dem IS-Selbstmordattentat vor einem Tor des Flughafens in Kabul berichteten die "New York Times" und andere US-Medien unter Berufung auf Mitarbeiter der Gesundheitsbehörden von bis zu 170 Toten. Darunter sind auch 13 US-Soldaten.