Management by Helicopter – Staub aufwirbeln und dann sofort abgehen –, so lässt sich die Vorgangsweise beschreiben, die Valentin Inzko am Ende seiner 12-jährigen Amtszeit als Hoher Repräsentant in Bosnien wählte. So nutzte Inzko wenige Tage vor der Übergabe seiner Amtsgeschäfte an den Deutschen Christian Schmid seine Sondervollmachten und verfügte eine Änderung des bosnischen Strafgesetzes, mit der nun die Leugnung des Völkermordes an bis zu 8000 Bosniaken in Srebrenica mit einer Haftstrafe bedroht ist, die zwischen sechs Monaten und fünf Jahre dauern kann.

Unklar ist, warum Inzko diese Entscheidung erst jetzt getroffen hat. Im Interview mit der Kleinen Zeitung begründete er dieses späte Handeln damit, dass er warten wollte, bis die Urteile gegen die ehemaligen Führer der bosnischen Serben, Radovan Karadzic und General Ratko Mladic, rechtskräftig geworden sind. Bei Mladic und seiner lebenslänglichen Haftstrafe, zu der ihn das Haager Tribunal verurteilt hat, war das erst vor wenigen Wochen der Fall. Diese Begründung von Inzko klingt nicht besonders überzeugend; denn das erste Urteil durch das Haager Tribunal, in dem ein führender bosnischer Serbe (General Radislav Krstic) wegen Völkermordes in Srebrenica verurteilt wurde, stammt bereits aus dem Jahre 2001. Außerdem definierte auch der Internationale (Staats-)Gerichtshof im Rechtsstreit Bosnien gegen Serbien im Jahre 2007 das Massaker in Srebrenica als Genozid (Völkermord).

Was auch immer Inzkos Motive gewesen sein mögen, die Reaktionen der bosnischen Serben stehen außer Frage. Ihre Politiker boykottieren nun alle Institutionen des Gesamtstaates und des bosnisch-kroatischen Teilstaates; außerdem soll das Parlament des serbischen Teilstaates am Freitag in Banja Luka eine Änderung des Strafgesetzbuches beschließen, wodurch jedem zwischen sechs Monaten und bis zu fünf Jahren Haft droht, der den serbischen Teilstaat als Aggressor oder als Schöpfung des Völkermordes bezeichnet. Der Strafrahmen ist derselbe wie im Falle von Inzkos Erlass. Andererseits haben nach Angaben der bosnischen Staatsanwaltschaft einige Bürger bereits Klagen nach Inzkos Gesetz eingebracht; doch, ob etwa die Justiz, die nicht nur im serbischen Teilstaat gerichtsnotorisch politisiert ist, tätig werden wird, bleibt abzuwarten.

Viel Staub aufgewirbelt

Das Staubaufwirbeln hat somit funktioniert, doch davon profitieren in Bosnien nur die nationalistischen Politiker auf beiden Seiten. Denn nach den vergangenen Lokalwahlen waren die Sterne des Bosniaken Bakir Izetbegovic und des Serben Milorad Dodik politisch bereits im Sinken. Nun hat es Dodik – Inzko sei Dank – geschafft, dass die gesamte Opposition im serbischen Teilstaat Dodik unterstützen muss. Verzögert werden durch den serbischen Boykott der Institutionen wichtige Reformen, die Deutschland, die EU und die USA in den kommenden Monaten in Bosnien voranbringen wollten. Genutzt werden sollte die Zeit bis zu Jahresbeginn, denn im Herbst 2022 stehen wieder Wahlen in Bosnien an. Daher sollen Berlin, Brüssel und Washington auch klar gegen Inzkos Gesetzesänderung gewesen sein, die seinem deutschen Nachfolger den Amtsantritt nicht leichter macht.

Bosnische Politologen wie Ivana Maric in Sarajewo sind daher der Ansicht, dass Inzkos Alleingang nur den Nationalisten nutzt und der scheidende Hohe Repräsentant Bosnien somit einen Bärendienst erwiesen hat.