Eigentlich wollte sichMarine Le Pen an diesem Wochenende feiern lassen: Auf dem Parteitag ihrer Partei Rassemblement National (Nationale Sammlungsbewegung) im südfranzösischen Perpignan wollte sie ihren erhofften Triumph bei den Regionalwahlen auskosten und Präsident Emmanuel Macron den Kampf ansagen. Doch aus dem Triumph wurde ein Debakel. Knapp ein Jahr vor den Präsidentschaftswahlen ist die 52-Jährige nun massiv in Erklärungsnot.

Le Pens Partei ging bei den Regional- und Départementwahlen im Juni nicht nur leer aus, sie verlor im Vergleich zu den letzten Wahlen 2015 auch rund 30 Prozent ihrer Wähler.

Damit steht Le Pens Kurs der "Normalisierung" und "Entteufelung" infrage. Die gelernte Anwältin hat ihn der früheren Front National (FN) verschrieben, als sie vor gut zehn Jahren ihren Vater Jean-Marie Le Pen an der Parteispitze ablöste. Längst nicht allen Anhängern gefällt Marine Le Pens Schmusekurs mit dem bürgerlichen Lager und ihr Versuch, das Erbe ihres Vaters teilweise vergessen zu machen.

Kurskorrektur

Für Unruhe sorgen seit der zweiten Regionalwahlrunde am Sonntag Austritte und Rufe nach einer Kurskorrektur. Das langjährige Parteimitglied Bruno Gollnisch prangerte eine "Erosion" der "Zuneigung" vieler Anhänger an und forderte eine Klarstellung. Der Europaabgeordnete Gilbert Collard nannte die "Entteufelung" eine "Falle" und sprach von einer "Vertrauenskrise" Le Pens. Solch offene Kritik ist in der straff organisierten Nationalen Sammlungsbewegung ungewöhnlich.

Genugtuung

Für Jean-Marie Le Pen ist der Unmut gegen seine älteste Tochter Marine eine Genugtuung: Der 93-jährige Parteigründer ätzte nach den Regionalwahlen, die unter ihm noch offen rechtsextreme Partei müsse ihre "Männlichkeit" wiederfinden, wenn sie nicht in der Versenkung verschwinden wolle. Sie habe nur dann "Chancen auf Erfolg, wenn sie eine Alternative zum System" biete, belehrte er seine Tochter, die ihn im Streit um den Kurs 2015 aus der Partei gedrängt hatte.

Manche sehen auf Marine Le Pen schon eine Palastrevolution zukommen. Denn im Rechtsaußen-Lager läuft sich ein wortgewaltiger Konkurrent warm: Der Journalist und Autor Eric Zemmour, hoch umstrittener Kolumnist der konservativen Zeitung "Le Figaro". Mit Le Pen Senior hat Zemmour gemein, dass er wegen provokativer und islamfeindlicher Thesen mehrfach gerichtlich verurteilt wurde.

Tabubruch

Zemmour wagte sogar den Tabubruch und warf Marine Le Pen vor, "wie Emmanuel Macron" zu reden. Nicht wenige rechnen nun mit einer Kandidatur des 62-Jährigen bei der Präsidentschaftswahl im Frühjahr 2022. In diesem Fall könnte Le Pen eine Spaltung ihres Lagers drohen, dem weiter identitäre und rechtsextreme Gruppen angehören.

So weit sei es aber noch nicht, betont der bekannte französische Rechtsextremismus-Forscher Jean-Yves Camus. Er rechnet auf dem Parteitag mit einer Bestätigung Le Pens an der Parteispitze. Gegenkandidaten für den Vorsitz gebe es ohnehin nicht, betont Camus. Und im Rassemblement National (RN) findet sich nach seiner Einschätzung auch derzeit niemand, der erfolgreich eine Revolte gegen die Le-Pen-Erbin führen könnte.