Zehntausenden europäischer Bürger droht nächste Woche die Einstellung aller Sozialhilfe in Großbritannien, wenn sie nicht bis zum 30. Juni in aller Form „Ansiedler-Status“ auf der Insel beantragt haben. Derweil fürchten Hunderttausende, die ihre Anträge bereits eingereicht haben, aber noch auf eine Bestätigung ihres Status warten, dass sie vom 1. Juli an womöglich ebenfalls ohne Rechte dastehen. Das würde bedeuten: keinen Zugang zum Gesundheitswesen und man könnte sogar des Landes verwiesen werden. Auch die etwa 25.000 Österreicher, die in Großbritannien leben, sind davon betroffen.


Die Panik, die immer mehr der Betroffenen ergreift, bezieht sich auf die Neuregelung des Aufenthaltsrechts post Brexit. Wer länger als fünf Jahre im Vereinigten Königreich gewohnt hat, hat ein Recht auf „settled status“, wobei dieser vom Ministerium bestätigt werden muss. Personen, die weniger als fünf Jahre im Land waren, können „pre-settled status“ erhalten.

320.000 Antworten stehen noch aus


Insgesamt haben sich seit dem Brexit über fünf Millionen Bürger aus dem EU-Bereich, der Schweiz, Liechtenstein, Island oder Norwegen für eine dieser Kategorien beworben. Nun läuft die Antragsfrist zum Monatsende ab. Mehr als 320.000 Bewerber haben aber bisher noch keine Bestätigung ihres neuen Status erhalten. Sie fürchten, dass sie vom 1. Juli an ernste Probleme bekommen könnten, solange ihr Status nicht im Zentralcomputer des Ministeriums eingespeist ist. Denn künftig muss man seinen Status nachweisen, wenn man zum Beispiel einen Job ausüben, eine Wohnung mieten, das Nationale Gesundheitswesen in Anspruch nehmen oder auch nur wieder in Großbritannien einreisen will.

Und schon Personen mit bewilligtem „Ansiedler-Status“ haben sich bitter darüber beklagt, dass sie an der Grenze aufgehalten oder sogar abgewiesen wurden, weil Grenzbeamte ihren Computereintrag nicht finden konnten. Einen Ausweis ausstellen will der britische Staat aus Kostengründen nicht. Schwierigkeiten erwachsen so insbesondere allen, die noch auf die Bewilligung ihres Antrags warten. Sie müssen befürchten, dass Vermieter, Betriebe und Ämter ihr Aufenthaltsrecht anzweifeln – und sie vom 1. Juli an in einer rechtlichen Grauzone landen.
Wer künftig in Großbritannien Europäer ohne nachweisliches Aufenthaltsrecht beschäftigt oder Wohnraum vermietet, muss mit hohen Geldstrafen rechnen. Kontrollen sind angesagt.

Die Ängste sind groß

Viele Kontinentaleuropäer fürchten, dass Vermieter und Betriebe es sich künftig einfach machen werden, indem sie ihre Wohnungen und Jobs „automatisch“ an britische Staatsangehörige geben.


In besonders prekärer Situation befinden sich ab nächster Woche aber Europäer, die aus irgendwelchen Gründen versäumt haben, einen Antrag einzureichen. Man vermutet, dass  es zum Beispiel Zehntausende ältere Bürger, die ihr Aufenthaltsrecht für selbstverständlich halten, betroffen sind. Am schlimmsten trifft es dabei Sozialhilfe-Empfänger. Ihre Zahl hat die Regierung, wie die Londoner Times jetzt meldete, noch zu Monatsanfang auf 130.000 geschätzt. Dieser Personengruppe würde nach aktueller Rechtslage am kommenden Donnerstag der Lebensunterhalt gestrichen. Eine solche Situation, warnte die Times, würde „die eh schon angespannten Beziehungen nur noch weiter verschlechtern“ zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich.