Als letzte EU-Mitgliedstaaten haben Polen und Österreich am Donnerstag den riesigen Corona-Wiederaufbauplan der EU bewilligt. Damit haben alle 27 EU-Mitglieder den parlamentarischen Zustimmungsprozess abgeschlossen, schrieb Johannes Hahn via Twitter. Über die Umsetzung hatte Hahn zuvor in Graz auch mit Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer gesprochen. Die beiden ÖVP-Politiker sprachen auch darüber, wie man die mitunter abstrakte EU-Politik auf die Lebensbedürfnisse der Menschen in den Regionen herunterbrechen könne.

Zuletzt hatte es Kritik gegeben, dass die von Österreich eingereichten Projekte bereits im Regierungsprogramm standen. Den Vorwurf, neues Geld für alte Projekte in die Hand zu nehmen, lasse er sich gerne gefallen, sagte Schützenhöfer in einem gemeinsamen Interview mit dem EU-Kommissar für die Kleinen Zeitung. „Die Breitband-Milliarde wollten sie doch vorher schon machen, heißt es dann, aber wir haben das Geld nicht gehabt“, sagt der Landeshauptmann. Die Regierung habe vorher nur 700 Millionen zugesagt, jetzt seien es 1,4 Milliarden. „Man darf nie stehenbleiben und muss immer neue Ideen entwickeln“, bekräftigt Schützenhöfer „aber derzeit ist bei uns so viel in der Pipeline, dass man nicht krampfhaft nachdenken muss, welche Projekte man noch erfinden kann, damit man das Geld bekommt.“

Hahn unterstützt die Haltung seines Parteifreundes. „Aus meiner Erfahrung als  früherer Regionalkommissar lässt sich sagen, dass eine Idee schnell da ist. Aber ein Projekt so weit zu entwickeln, dass es dann auch den Förderkriterien entspricht, ist eine ganz andere Herausforderung. Und dann geht es natürlich um die konkrete Umsetzung!“ Insofern sei es aus EU-Sicht gut, wenn mit dem vielen Geld, das nun in kurzer Zeit zur Verfügung steht, gut geplante Projekte einen „zusätzlichen Schub“ bekommen. Und die Breitbandmilliarde sei eine wichtige Grundlage für eine weitere wirtschaftliche Entwicklung. „Es ist wichtig, dass das das Geld sinnvoll und nachhaltig investiert wird. Deshalb kann ich mit dem Vorwurf der Förderung betreffend bereits geplanter Projekte nicht viel anfangen.“

Steiermark als Modell-Region

Hahn war zwar bei den EU-Budgetverhandlungen anderer Meinung als die Frugalen Vier, die beim Mehrjahresbudget und dem Aufbaufonds auf der Bremse standen. Seine Aufgabe als Budgetkommissar ist es, am Ende einen Kompromiss zwischen den verschiedenen Positionen der 27 Staaten zu finden. Schützenhöfer stört sich aber auch am Begriff selbst. „Ich wehre mich gegen den Begriff Wiederaufbau, weil es nichts wiederaufzubauen gibt so wie nach dem Zweiten Weltkrieg. Wir hatten in der Epidemie auch keine Not, weil wir einen starken Sozialstaat haben. Ich sehe dabei natürlich, dass es Menschen gibt, die den Euro dreimal umdrehen müssen.“ Er zeigte sich dennoch mit dem Ergebnis zufrieden: „Die Steiermark ist durch diesen Fonds recht gut bedient.“ Hahn bekräftigt dies: „Die Steiermark ist eine echte europäische Modellregion für Forschung und Innovation und der Aufbaufonds wird diese Entwicklung noch weiter unterstützen“.

Hahn war zwar bei den EU-Budgetverhandlungen anderer Meinung als die Frugalen Vier, die beim Mehrjahresbudget und dem Aufbaufonds zunächst auf der Bremse standen. Seine Aufgabe als Budget-Kommissar ist es, am Ende einen Kompromiss zwischen den verschiedenen Positionen der 27 Mitgliedstaaten zu finden.  Schützenhöfer stört sich aber auch am Begriff selbst. „Ich wehre mich gegen den Begriff Wiederaufbau, weil es nichts wiederaufzubauen gibt so wie etwa nach dem Zweiten Weltkrieg. Wir hatten in der Epidemie auch keine Not, weil wir einen starken Sozialstaat haben. Ich sehe dabei natürlich, dass es Menschen gibt, die den Euro dreimal umdrehen müssen.“ Er zeigte sich dennoch mit dem Verhandlungsergebnis zufrieden: „Die Steiermark ist durch diesen Fonds mit dem Digitalausbau und dem Klimaschutz recht gut bedient.“ Johannes Hahn bekräftigt dies: „Die Steiermark ist eine echte europäische Modellregion für Forschung und Innovation und der Aufbaufonds wird diese Entwicklung noch weiter unterstützen“.

Hilfe für die Schwächeren in der EU

Hahn betont zugleich, dass die schwächeren Regionen in der EU natürlich proportional mehr Hilfe bekommen sollen, aber auch die guten Regionen müssten ihr Geld erhalten. „Die schwachen Regionen sollen schnellen aufholen, aber die guten Regionen müssen sich ebenfalls weiterentwickeln, damit sie weiterhin den Karren ziehen“, sagt der EU-Politiker. Das Geld sei nur eine Anschubfinanzierung, die dann weitere private Finanzierungen anziehen soll. Eine permanente Subventionierung solle nicht stattfinden.

Als wichtig erachten beide aber auch den Ausbau des transeuropäischen Schienennetzes. „Wir sind ja nun schon sehr bald gut angebunden. Der Koralm- und der Semmeringtunnel sind für uns die Öffnung in den Wirtschaftsraum Süden.“ Das der Ausbau des Bahnverkehrs in Österreich verschlafen wurde, verneint Schützenhöfer, räumt aber ein, dass es hätte schneller gehen können. „Es gab schon die Debatte in der Politik, ob man bei den Verkehrswegen ein wenig spät dran war. Ich möchte da nichts schönreden.“ Der Westen wurde lange Zeit bevorzugt. In Österreich sei der Fokus sehr stark auf der Westachse von Hamburg nach Palermo gelegen, ergänzt Hahn und sagt: "In den vergangenen Jahren war das in Österreich eben der Brenner.“ Und Schützenhöfer führt aus: „Nun sind es aber offensichtlich wir, weil es woanders bereits heißt: Was bauts ihr da unten noch alles?“ So laufe aktuell die Debatte um die Phyrn-Schober-Achse auf Hochtouren, „um sie ins transeuropäische Netz der Zukunft zu bringen“. Da gäbe es jetzt Einigkeit mit Oberösterreich, Salzburg, der Steiermark und Kärnten. Das sei nicht immer so gewesen, sagt Schützenhöfer. Mit Hahn habe er in Graz auch darüber gesprochen. „Wir nützen unsere Verbindungen nach Brüssel, damit wir das Projekt hinbekommen.“ Von der Bundesregierung gebe es dafür ebenfalls Signale der Unterstützung

Westbalkan wird gleich mitgedacht

„Wo ich noch Potenzial sehe, ist die Transversale vom Nordwesten zum Südosten“, sagt Hahn. „Das ist ein Strang, der vor allem mit der Aussicht auf die weitere Integration des  Westbalkan an Relevanz gewinnt.“ Als ehemalige Erweiterungskommissar sehe er das überaus positiv. „In dem Fall ist die EU beim Bahnausbau also nicht hinten nach, sondern ihrer Zeit voraus, weil sie die wirtschaftliche Entwicklung und Attraktivität in der unmittelbaren Nachbarschaft antizipiert“, sagt Hahn und fügt an: „Dann ist es auch sinnvoll, bereits eine Verbindung schräg durch Österreich zu haben.“ Er sehe das durchaus auch als eine klare Perspektive für den Westbalkan, da beides auf der Zeitachse parallel laufe.  

Das Thema EU-Erweiterung liegt auch Schützenhöfer schon aus der Perspektive der unmittelbaren Nachbarschaft am Herzen: „Wir sind ganz sicher diejenigen in der Union, die die Frage einer allfälligen Erweiterung massiv unterstützen.“ Die Anstrengung müsse aber darin liege, dies in geordnete Bahnen zu lenken. „Es gibt noch immer Länder, die beitrittswillig sind, nicht weil sie glauben, sie gehören zur Gemeinschaft, sondern weil sie sehen, da gibt’s Geld“, zitiert er seinen Parteifreund, der dies öffentlich etwa beim Pfingstdialolg in Seggau preisgeben hat. Hahn nickt zustimmend beim Gespräch auf dem Grazer Schlossberg. „Die EU ist kein Bankomat – das gilt aber nicht nur für den Westbalkan, sondern auch für manche Mitgliedstaaten in der EU, die es mit den Grundwerten nicht so genau nehmen.“

Skepsis über Entwicklung in Montenegro

Skeptisch sieht Hahn dabei vor allem den Einfluss von Kräften außerhalb der EU in den Ländern im Südosten von Österreich – wie etwa China. „Die Situation mit den Investitionen auf dem Westbalkan bekommt langsam eine neue Qualität“, sagt Hahn und erklärt: „Lange Zeit haben die Chinesen den Eindruck erweckt, es gingen ihnen nur ums Geschäft. Das genaue Gegenteil ist der Fall. Man muss da jetzt Tacheles reden und sagen, es handelt sich bei China  um einen systemischen Rivalen.“ China verbinde das Konzept Diktatur mit dem Turbokapitalismus, während Europa soziale Marktwirtschaft mit Demokratie als System etabliert habe.

Nirgendwo gäbe es weltweit ein Beispiel, wo China einfach nur so einen Zuschuss gibt. „Es handelt sich immer nur um Kredite, die sie auch verknüpfen mit politischen Konditionen“, sagt der EU-Kommissar. „Wir hatten jetzt eine veritable Impfdiplomatie am Balkan. Die Nordmazedonier haben sich im Fall Nawalny der Verurteilung Russlands durch die EU angeschlossen. Daraufhin haben die Russen die Lieferung von Vakzinen umgehend gestoppt“, führt er aus. „Und die Chinesen agieren ähnlich.“ Am Westbalkan setze sich jetzt langsam die Einsicht durch, dass die Unterstützung durch Peking nicht ohne Kosten komme. „Die Kredite, die China bereitstellt, sind bei weitem nicht so attraktiv wie jene der Europäischen Investitionsbank.“ Unsere Kredite sind aber an die Voraussetzung  gebunden, dass diese auch bedient werden können und bestimmte Auflagen erfüllen.  „Wir verlangen ein Bürgerbeteiligungsverfahren und eine Umweltverträglichkeitsprüfung.“ Das sei natürlich schwerfälliger als der schnelle Kredit aus China, die zudem noch intransparent sind.

Nachbarschaftshilfe hat Vorrang

Schützenhöfer sieht aber auch die einzelnen Regionen in Europa in der Pflicht. „Wir haben in der schwersten Zeit der Pandemie Menschen aus Slowenien auf unseren Intensivstationen aufgenommen.“ Auch in Kroatien habe die Steiermark dem vom jüngsten Erdbeben betroffenen Menschen eine Ersthilfe von 500.000 Euro gegeben, um Häuser aufzubauen. „Da sind alle materiell gut aufgestellten Regionen in der EU aufgefordert, auch etwas zu tun und nicht immer alles auf die Ebene der EU oder der Nationalstaaten zu schieben“, sagt Schützenhöfer. Hahn, so betont er, habe als Nachbarschafts- und Erweiterungskommissar stets gefördert, dass einzelne reiche Regionen Patenschaften übernehmen. Etwa beim Aufbau der Verwaltung. Das sollte auch über die klassische Städtepartnerschaft hinausgehen, wo man sich einmal im Jahr austauscht.

Hahn bestätigt die Wichtigkeit dieser Patenschaften und lobt die Vorbildwirkung der Steiermark: „Durch diese Patenschaften können in der Steiermark lebende und arbeitende Menschen aus Regionen mit denen enger Austausch besteht, etwa in der Administration ausgebildet werden und ihrer Ursprungsregion damit weiterhelfen." Schützenhöfer verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass man zum Beispiel mit dem so genannten Steirerdorf in Rumänien schon ein entsprechendes Projekt habe. Dorthin bringe man mit Lastwagen immer wieder auch konkrete Hilfe für eine ordentliche Wohnqualität. Hahn abschließend: „Hilfe für die Nachbarn ist nie eine Einbahnstrasse, sondern eine Investition in die eigene Sicherheit und Wirtschaftsentwicklung. Denn im EU-Binnenmarkt und auch in einer globalisierten Welt ist durch die enge Verflechtung der Wirtschaft Kooperation angesagt. Und das geht am besten mit den Regionen, wie es die Steiermark vorzeigt“.