Der seit Tagen festgefahrene Machtkampf zwischen dem CDU-Vorsitzenden Armin Laschet und CSU-Chef Markus Söder um die Kanzlerkandidatur für die deutschen Unions-Parteien hat sich am Sonntag weiter zugespitzt. Die von beiden genannte Frist für eine Einigung endete am Sonntag. Sollten sich die Rivalen bis spätestens diesen Montag nicht doch noch einigen, könnte es auf eine Entscheidung in der Bundestagsfraktion der Schwesterparteien am Dienstag hinauslaufen.

Söder in Berlin gelandet

Söder landete allerdings am Sonntagabend mit einem Privatflugzeug aus Nürnberg in Berlin, wie die Sender und der Bayerische Rundfunk sowie die "Bild"-Zeitung übereinstimmend berichteten. Das Treffen von Armin Laschet und Markus Söder in der Nacht auf Montag blieb ergebnislos. Die beiden Vorsitzenden von CDU und CSU hatten sich nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur am späten Sonntagabend zusammen mit ihren engsten Vertrauten für knapp dreieinhalb Stunden im Bundestagsgebäude in Berlin getroffen.

Über den Verlauf der streng geheimen Beratungen zwischen Söder und Laschet drangen zuvor am Sonntag weiter keine Details an die Öffentlichkeit. Aus Unions-Kreisen war nur zu hören, Laschet und Söder seien in guten und konstruktiven Gesprächen. Unterdessen erhielten beide Rivalen das gesamte Wochenende über Unterstützung aus ihren jeweiligen Lagern.

Bei den Grünen soll die "K-Frage" am Montag aufgelöst werden. Die Partei-Chefs Annalena Baerbock und Robert Habeck wollen untereinander absprechen, wer von beiden die Aufgabe übernimmt. Laschet und Söder hatten eine Klärung der "K-Frage" bis zum Wochenende angekündigt. Wann und wie eine Einigung zustande kommen könnte, blieb aber zuletzt unklar.

In CDU-Kreisen wird vermutet, dass Söder auf eine Entscheidung in der Unions-Bundestagsfraktion kommenden Dienstag spekulieren könnte. Dort hätte der bayerische Ministerpräsident wohl eine deutliche Mehrheit. Seine Unterstützer wollen bis Montag weiter Unterschriften sammeln und so eine Abstimmung am Dienstag erzwingen. Hauptinitiator Christian von Stetten (CDU) wolle seine bereits veröffentlichte Unterstützer-Liste von 70 CDU-Abgeordneten mit Unterschriften weiterer CDU-Parlamentarier zusammenführen, berichtete das Redaktionsnetzwerk Deutschland. In der Landesgruppe Baden-Württemberg werde eine zusätzliche Initiative gestartet, hieß es.

Noch zehn weitere?

Das Lager um von Stetten rechnet damit, dass sich noch etwa zehn CDU-Politiker anschließen, dazu komme der Großteil der 45 CSU-Parlamentarier. Damit könne eine Abstimmung der rund 245 Abgeordneten über Söder und Laschet nicht mehr abgelehnt werden. Ziel ist aber eine Einigung der beiden Kontrahenten noch an diesem Wochenende.

CDU-Politiker Friedrich Merz stellte sich in der "K-Frage" erneut hinter Laschet. "Die CDU hat entschieden. Die Entscheidung ist gefallen und sie gilt trotz aller Turbulenzen, die es gerade zwischen CDU und CSU in diesen Tagen gibt. Deshalb habe ich mich auch in dieser Woche noch einmal hinter unseren Vorsitzenden gestellt: Armin Laschet", so Merz nach seiner erfolgreichen Bewerbung um die CDU-Direktkandidatur im Bundestags-Wahlkreis Hochsauerlandkreis. Durch den Sieg in einer Kampfabstimmung gegen den CDU-Abgeordneten Patrick Sensburg (49) wurde der Grundstein für eine Rückkehr des früheren Unions-Fraktionschefs als Abgeordneter in den Bundestag gelegt.

"Kompass verloren"

Merz forderte Laschet und Söder umgehend auf, den Streit jetzt beizulegen. Zudem übte der 65-Jährige scharfe Kritik am allgemeinen Zustand der CDU. Diese habe ihren "Kompass" verloren. Er habe sich bisher aus Rücksicht auf die Kanzlerin zurückgehalten. "Aber der Zustand unseres Landes ist kritisch, und die Existenz der CDU als Regierungspartei ist gefährdet." Die Union liege in Umfragen nur noch bei rund 30 Prozent, die CDU komme ohne die bayerische Schwesterpartei CSU sogar nur auf 25 Prozent. Es sei ein Fehler von ihm gewesen, nach der Niederlage gegen Laschet im Rennen um den CDU-Vorsitz einen angebotenen Posten in der Parteiführung abgelehnt, sondern das Amt als Bundeswirtschaftsminister gefordert zu haben.

Unterdessen wächst in der CDU-Spitze wächst der Unmut über CSU-Chef Söder. CDU-Präsidiumsmitglied Daniel Caspary forderte den Vorsitzenden der kleinen bayerischen Schwesterpartei am Samstag im Deutschlandfunk zum Rückzug auf. Auch die Vorsitzende der Frauen-Union (FU), Annette Widmann-Mauz, sprach sich für CDU-Chef Armin Laschet aus. Das thüringische CDU-Bundesvorstandsmitglied Mike Mohring warnte vor einer anhaltenden Spaltung der Partei - und sprach sich ebenfalls für Laschet aus.

Am Freitag hatten sich neben CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak auch die Ministerpräsidenten von Hessen und Schleswig-Holstein, Volker Bouffier und Daniel Günther, Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble sowie Spitzenpolitiker aus mehreren Landesverbänden wie Bremen, Hessen und Nordrhein-Westfalen hinter Laschet gestellt. Sie verweisen alle auf die Entscheidung der CDU-Gremien, die Söder akzeptieren müsse sowie eine bessere Eignung Laschets als Kanzler. Allerdings setzte sich nach Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff auch Saarlands Landeschef Tobias Hans indirekt von Laschet ab und betonte wie Söder die Bedeutung von Umfragewerten bei der Auswahl.

Laut dem neuen ZDF-Politbarometer halten 72 Prozent der Unions-Anhänger Söder für den geeigneteren Kanzlerkandidaten und nur 17 Prozent Laschet. Widerstand könnte neben der Bundestagsfraktion auch aus der Jungen Union kommen. Dort sollen sich zwölf der 18 JU-Landesverbände für Söder aussprechen wollen.