Im Wahlkampf musste sich Joe Biden von seinem damaligen Konkurrenten Donald Trump als „Sleepy Joe“ verunglimpfen lassen. Dass er alles andere als eine politische Schlaftablette ist, zeigt der 78-jährige Demokrat jetzt auch in der Außenpolitik. Am Dienstag schlug er dem russischen Präsidenten Wladimir Putin ein Gipfeltreffen vor, was in Moskau offenbar für einige Überraschung sorgte. Am Mittwoch verkündete der Demokrat, bis zum 11. September dieses Jahres die US-Truppen aus Afghanistan abziehen zu wollen – symbolträchtig genau zum 20. Jahrestag der Terroranschläge in New York und Washington, denen der US-Krieg in Afghanistan folgte.

Beides, der Umgang mit Putin, mit dem nicht nur wegen des russischen Truppenaufmarsches an der Grenze zur Ukraine die Beziehungen im Keller sind, als auch der Abzug aus Afghanistan ist umstritten. Zwar haben die Amerikaner schon lange Zeit genug vom Dauerkrieg am Hindukusch. Auch Trump wollte den Truppenrückzug.

Dennoch warnen sogar Bidens eigene Berater vor dem Schritt. Zu groß sei das Risiko, dass in einem sich selbst überlassenen Afghanistan wieder Terrorzellen entstünden, die auch in den USA zuschlagen könnten. Der Bürgerkrieg der afghanischen Warlords könnte sich verschärfen; die hart erkämpften, ohnehin mäßigen Fortschritte im Bereich der Frauenrechte würden zurückgedreht. Dennoch sagt Biden jetzt „stop“. Aus zwei Hauptgründen; der Einsicht, dass sich Afghanistan militärisch nicht befrieden lässt – und weil sich die Prioritäten der USA verschoben haben: Biden konzentriert sich auf die Rivalität mit Russland und China.

Schlingerkurs

Wie sehr sich der Tonfall verändert hat, seit Biden regiert, bekommt vor allem Moskau zu spüren. Trump, der seinen Wahlsieg 2016 unter anderem der Wahlhilfe aus Moskau zu verdanken hatte, war einen Schlingerkurs gegenüber Putin gefahren, aus dem letztlich niemand so recht klug wurde. Biden fuhr Putin verbal in die Parade und bekannte sich, im Gegensatz zu seinem Vorgänger, klar zur Nato und zur Beistandspflicht. Auch jetzt, wo sich die Ukraine-Krise zuspitzt, stellte sich der US-Präsident klar auf die Seite Kiews und entsandte Kriegsschiffe Richtung Schwarzes Meer.

Ob es tatsächlich zu dem Gipfel kommt, ist offen und auch, was Putin mit dem Truppenaufmarsch bezweckt. Einige befürchten die nächste Invasion. Wahrscheinlicher ist, dass es ihm um eine Machtdemonstration gegenüber der west-orientierten Ukraine und auch gegenüber dem selbstbewusst auftretenden Biden geht. Das Gipfel-Angebot scheint jedenfalls die Lage zu deeskalieren. Gut möglich, dass die wechselseitige Abschreckung eine Sprache ist, in der sich beide Seiten gut verständigen können.