Am Montag sammelten die beiden Kontrahenten im Kampf um die Kanzlerkandidatur erstmal ihre eigenen Truppen. Präsidium und Bundesvorstand der CDU hätten sich „mit breiter Unterstützung“ für Armin Laschet als Kanzlerkandidat der Union ausgesprochen, legte Generalsekretär Paul Ziemiak in Berlin vor. Die Replik kam wenig später aus München. „Einstimmig“ habe das CSU-Präsidium für Söder votiert, stellte CSU-Generalsekretär Markus Blume fest. Am Tag eins nach der Kampfkandidatur in der K-Frage galt es für beide Lager, erst einmal Geschlossenheit zu demonstrieren. Ein Gespräch zwischen Laschet und Söder blieb ohne Ergebnis.

Wer wollte, konnte indes feine Unterschiede vernehmen. Vornehmlich im Team Laschet gab es Absatzbewegungen. „Mit breiter Unterstützung“ ist eben nicht einstimmig. Und so fielen Nuancen auf. Einflussreiche in der CDU wie Wolfgang Schäuble und Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier sprachen sich offen für Laschet aus. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte ihren Nach-Nachfolger im Amt des CDU-Vorsitzenden schon am Tag zuvor indirekt unterstützt und Laschets Vorschlag eines Brücken-Lockdown gelobt. Die Parteigrößen stehen zu Laschet. Doch hat ihre Fürsprache eine kleine Schwäche. Merkel geht im September, auch Bouffier tritt in Hessen nicht mehr an und Schäuble ist immerhin auch schon 78 Jahre alt.

Die alten Kraftzentren versiegen. Die lange ungeregelte Nachfolgefrage in der CDU zeigt Folgen.

Wer wich ab?

Auffällig war daher, wer von CDU-Linie abwich. Thomas Strobl, Schäubles Schwiegersohn und CDU-Chef in Baden-Württemberg, vermied eine offene Festlegung. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier riet die Stimmung an der Basis zu berücksichtigen. In Laschets Heimat Nordrhein-Westfalen sprach sich sogar ein Ortsverein gegen Laschet aus. Das lässt erkennen, welches politische Risiko das doppelte Spiel um die Kanzlerkandidatur längst birgt – vor allem für die CDU.

Die Partei wirkt ermattet. Auch, weil Merkel ihr Erbe nicht einvernehmlich lösen konnte. Fast ein Jahr lang mühte sich die CDU - coronabedingt - um die Nachfolge der gescheiterten Übergangsvorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer. Nun ist Laschet zwar am Ziel, aber erschöpft. Klimaschutz und Digitalisierung mahnt er als Schwerpunkte für die Wahlkampagne an. Aber in der Parteizentrale kann er keine entscheidenden Veränderungen mehr durchführen. Zu knapp ist die Zeit zwischen seinem Sieg im Januar und der Bundestagswahl im September.

Söder entfacht die Debatte aufs Neue

Im Januar schien die Richtungsfrage in der Partei durch die Wahl Laschets zum Vorsitzenden geklärt. Nun entfacht Söders Kandidatur die Debatte aufs Neue. Noch immer ist unklar, wie die konservative Riege um Friedrich Merz eingebunden werden kann. In Thüringen kündigte gerade Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen von der ultraorthodoxen Werteunion seine Kandidatur für den Bundestag an, gegen den Widerstand der CDU-Landesspitze. Und in der einstigen CDU-Hochburg Baden-Württemberg, ein Zentrum der Merz-Unterstützer, scharte der Mittelstandspolitiker Christian von Stetten enttäuschte CDU-Bundestagsabgeordnete um sich, um Söder zu unterstützen. Auch die Berliner CDU rückte von Laschet ab. Im Gefüge der Partei ist sie vernachlässigbar. Aber es zählte das Signal. Auch in Preußen sind sie für einen Bayern. Von Merkels Liberalisierungskurs enttäuschte Konservative sehnen sich nach Söder. Es brodelt in der CDU.

Doppeldeutigkeit in München

„Es geht um eine wichtige Weichenstellung in der Union“, mahnte CSU-Chef Markus Söder am Montag doppeldeutig in München. Er hatte die Pandemie genutzt, um sich ein staatstragendes Image zu verpassen. In Wertfragen freilich tickt er konservativer als Laschet. Für ihn ist der Einsatz relativ gering. Er hat Mut bewiesen gegen eine CDU-Übermacht. Schon das nötigt vielen Respekt ab, nicht allein in Bayern. Söder zockt. Er kann das. Sein Risiko ist kalkulierbar. Verliert er in Berlin, kann er nahezu in Bayern Regierungschef bleiben.

Für Laschet steht mehr auf dem Spiel. Er rückte zwar in der Corona-Politik von Merkel ab. In Wertefragen aber wie der Migration steht der ehemalige Integrationsminister in Düsseldorf dicht bei der Kanzlerin. Die gab vor der Wahl im Januar auch eine versteckte Wahlempfehlung für Laschet ab. Schon das macht ihn in konservativen Kreisen in der CDU suspekt.

Es geht um die Zukunft der CDU

Längst geht es um mehr als um Laschet. Es geht um die Zukunft der CDU als Volkspartei. Scheiterte Laschet gegen Söder, wäre er auch als CDU-Vorsitzender nur schwer zu halten. Die Verantwortungsbewussten in der Partei zwingt gerade das zur Disziplin. Die anderen haben durchaus Lust am Untergang, um aus den Trümmern der alten Merkel-CDU etwas Anderes entstehen lassen. Ein gefährliches Spiel. Die SPD (und ihre Umfragewerte) lassen grüßen. So mahnte selbst Grünen-Chef Robert Habeck mit Blick auf die Stabilität im Land. Deutschland brauche eine starke christdemokratische Kraft. Eine Implosion der Mitte wäre gefährlich.

Am Dienstag tagt die Bundestagsfraktion. Das ist schon fast Söders letzte Chance. Für eine Mitgliederbefragung fehlt schlicht die Zeit. „Es gibt eine Empfehlung für Armin Laschet. Und es gibt eine Empfehlung für Markus Söder“, sagte CSU-Generalsekretär Blume und fügte hinzu: „Und es gibt eine Mehrheitsmeinung in der Bevölkerung.“ Söder setzt auf Akklamation, Laschet auf die schiere Größe seiner Partei. Das Verfahren ist längst aus dem Ruder gelaufen. Bleibende Verwerfungen nicht ausgeschlossen.