US-Präsident Joe Biden hält Russlands Staatschef Wladimir Putin für einen "Mörder". In dem Interview mit dem Sender ABC News war Biden gefragt worden, ob er der Ansicht sei, dass Putin "ein Mörder ist". Biden antwortete: "Das tue ich." Russland beorderte daraufhin seinen Botschafter in Washington zu Beratungen zurück nach Moskau. Gemeinsam mit Anatoli Antonow sollten die Beziehungen zwischen beiden Ländern erörtert werden, teilte das russische Außenministerium mit.

Die neue US-Regierung sei bereits seit fast zwei Monaten im Amt - "und dies ist ein guter Grund, um zu beurteilen, was dem Biden-Team gelingt und was nicht". Es gehe bei dem Gespräch darum, wie die Beziehungen, die sich in einer "Sackgasse" befänden, korrigiert werden könnten. "Wir sind daran interessiert, eine irreversible Verschlechterung zu verhindern", hieß es am Mittwochabend.

Biden hatte in dem Interview aber nicht deutlich gemacht, ob er sich damit auf die versuchte Vergiftung des Kreml-Kritikers Alexander Nawalny bezog. Biden sagte auch, Putin werde dafür "bezahlen", dass er seine Präsidentschaftskandidatur 2020 zu untergraben versucht habe.

Moskau reagierte sofort und scharf auf Bidens Aussagen. "Putin ist unser Präsident und ein Angriff auf ihn ist ein Angriff auf unser Land", schrieb der Präsident des russischen Unterhauses, Wjatscheslaw Wolodin, im Online-Dienst Telegram. Der einflussreiche Putin-Vertraute fügte mit Blick auf die Biden-Äußerungen hinzu: "Das ist Hysterie aufgrund von Machtlosigkeit."

Deutlich härtere Haltung gegenüber Putin

Erst am Dienstag hatten die US-Behörden einen neuen Bericht veröffentlicht, demzufolge sich Russland in die US-Präsidentschaftswahl 2020 eingemischt hat - und nicht nur in die Wahl 2016 zugunsten des inzwischen abgewählten Präsidenten Donald Trump. Biden nimmt seit seinem Amtsantritt im Jänner eine deutlich härtere Haltung gegenüber Moskau ein als sein Vorgänger, dem eine übergroße Nähe zum Kreml-Chef vorgeworfen wird.

Biden sagte nun, er habe sich kurz nach seinem Amtsantritt im Jänner mit Putin unterhalten. "Zu Beginn des Gesprächs sagte ich zu ihm: 'Ich kenne Sie und Sie kennen mich. Wenn ich zu dem Schluss komme, dass das passiert ist, dann machen Sie sich auf etwas gefasst'." Biden ging nicht näher darauf ein, ob er damit die Wahleinmischung meinte oder andere russische Vorgehensweisen, darunter den Fall Nawalny. Der US-Präsident bekräftigte jedoch, dass er mit Moskau "arbeiten" wolle, "wenn es in unserem gemeinsamen Interesse ist".

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow wies den Bericht zur US-Wahl am Mittwoch als "völlig gegenstandslos und unbegründet" zurück. "Wir betrachten diesen Bericht als falsch", sagte Peskow. Der Kreml bedauere die Veröffentlichung des Berichts, dieser solle als "Entschuldigung" für mögliche neue Sanktionen gegen Moskau gelten.

"Wahl-Infrastruktur angegriffen"

Die US-Ministerien für Heimatschutz und Justiz hatten zuvor mitgeteilt, Russland und der Iran hätten nach Erkenntnissen der US-Behörden die Wahl-Infrastruktur der US-Präsidentschaftswahl am 3. November angegriffen. Dabei sei es den Angreifern gelungen, die "Sicherheit mehrerer Netzwerke zu beeinträchtigen, die einige Wahlfunktionen verwalteten". Den ausländischen Akteuren sei es aber nicht gelungen, das Wahlergebnis zu beeinflussen.

Der russische Vize-Außenminister Sergej Riabkow bezeichnete den US-Bericht ebenfalls als "unbegründet". Er sagte der staatlichen Nachrichtenagentur Ria Nowosti, "feindliche Schritte gegen Russland" seien in Washington "Normalität" geworden.

Beziehungen auf neuem Tiefpunkt

Moskau wird vorgeworfen, sich in die US-Wahl 2016 eingemischt zu haben, um Donald Trump zum Sieg zu verhelfen. Nach dem Wahlsieg Bidens gratulierte Putin ihm als einer der letzten Staats- und Regierungschefs.

Die Beziehungen zwischen den USA und Russland befinden sich auf einem Tiefpunkt seit dem Ende des Kalten Kriegs, unter anderem wegen des Falls Nawalny. Der Kreml-Kritiker war im August in Russland Opfer eines Giftanschlags geworden und in der Folge in Deutschland im Krankenhaus behandelt worden. Unmittelbar nach seiner Rückkehr nach Russland im Jänner wurde er festgenommen und kurz darauf wegen angeblicher Verstöße gegen seine Bewährungsauflagen zu einer Haftstrafe verurteilt. Anfang März verhängten die USA wegen des Falls Nawalny Sanktionen gegen den Chef des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB, Alexander Bortniko, und mehrere Putin-Vertraute.