Der israelische Präsident Reuven Rivlin ist heute zu einem offiziellen Besuch in Wien. Er wird von Bundespräsident Alexander Van der Bellen empfangen und trifft im Anschluss auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zu einem Gespräch. Kurz hatte erst Anfang März Israel besucht. Am Nachmittag legen die beiden Präsidenten zum Gedenken an die Opfer der Shoah beim Mahnmal am Wiener Judenplatz gemeinsam einen Kranz nieder.

Der israelische Präsident hatte seine dreitägige Reise am Dienstag im Berlin beim deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier begonnen. Von Wien aus reist er nach Paris weiter, wo er am Donnerstag Frankreichs Präsident Emmanuel Macron trifft.

Im Mittelpunkt von Rivlins Europa-Tournee steht laut israelischen Medienberichten der Iran-Atomdeal sowie die jüngst angekündigten Ermittlungen des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) zu Kriegsverbrechen in den Palästinensergebieten. Rivlin wird auf der Reise vom israelischen Generalstabschef Aviv Kohavi begleitet. Laut der Präsidentschaftskanzlei in Wien stehen beim Gespräch zwischen Van der Bellen und Rivlin zudem auch bilaterale Themen sowie die Covid-Bekämpfung auf dem Programm. Israel gilt als "Impfweltmeister" gegen das Coronavirus.

Rivlin forderte in Berlin am Dienstag einen "entschiedenen und kompromisslosen" Einsatz Deutschlands gegen die atomare Bewaffnung des Iran. Teheran befinde sich an der Spitze "extremer Kräfte", welche die Stabilität im Nahen Osten aus dem Gleichgewicht bringen wollten, sagte der Präsident laut der Nachrichtenagentur AFP.

2015 war in Wien eine Übereinkunft über das iranische Atomprogramm erreicht worden. Beteiligt waren neben dem Iran die fünf ständigen Mitglieder des UNO-Sicherheitsrates (USA, Russland, Großbritannien, Frankreich, China) sowie Deutschland. 2018 traten die USA dann unter Präsident Donald Trump einseitig aus dem Abkommen aus. Seitdem hat der Iran seine Verpflichtungen aus der Vereinbarung schrittweise zurückgeschraubt. London, Paris und Berlin bemühen sich derzeit um eine Rettung des Atomabkommens. Die seit Anfang 2021 amtierende US-Regierung unter Präsident Joe Biden hat sich zwar gewillt gezeigt, zum Abkommen zurückzukehren, erwartet aber ein Entgegenkommen des Iran. Teheran fordert wiederum die Aufhebung der US-Sanktionen. Israel gilt als scharfer Kritiker des Abkommens.

Der IStGH hat seinerseits Ermittlungen wegen Kriegsverbrechen israelischer und palästinensischer Kräfte in den Palästinensergebieten eingeleitet, wie Chefanklägerin Fatou Bensouda Anfang März in Den Haag bekannt gab. Im Mittelpunkt der Untersuchungen soll der Gaza-Krieg vom Sommer 2014 stehen. Israels Premier Benjamin Netanyahu nannte die Entscheidung "antisemitisch", Rivlin sprach damals von einem "Skandal". Israel erkennt das Haager Strafgericht nicht an.

Die Visite vom Mittwoch ist der erste offizielle Wien-Besuch von Rivlin als Israels Staatsoberhaupt seit Beginn seiner Amtszeit 2014. Zuvor hatte er im Oktober 2018 Van der Bellen auf dem Flughafen Wien zu einem kurzen Gespräch getroffen. Van der Bellen hatte im Februar 2019 einen Staatsbesuch in Israel absolviert und war im Jänner 2020 zum Auschwitz-Gedenken erneut im Land gewesen.

Laut Präsidentschaftskanzlei handelt es sich möglicherweise um eine der letzten Auslandsreisen Rivlins in diesem Amt, da am 23. März in Israel Parlamentswahlen - zum vierten Mal in zwei Jahren - stattfinden und seine Amtszeit dann im Juni ausläuft. Der israelische Staatspräsident, dem hauptsächlich zeremonielle Aufgaben zufallen, wird vom Parlament (Knesset) jeweils für eine einzige, siebenjährige Amtszeit gewählt.