Deutschland, Frankreich und Großbritannien wollen gemeinsam mit den USA das weitere Vorgehen im Atomstreit mit dem Iran besprechen. US-Außenminister Antony Blinken nimmt am Donnerstag per Videokonferenz an Beratungen seiner europäischen Amtskollegen Heiko Maas, Jean-Yves Le Drian und Dominic Raab in Paris teil. Damit stößt Washington wieder zur Gruppe jener Staaten, die im Jahr 2015 den Wiener Atomdeal ausverhandelt hatten.

Der Atomstreit hatte sich jüngst deutlich zugespitzt. Der Iran hat die neue US-Regierung aufgefordert, die harten Wirtschafts- und Handelssanktionen gegen das Land aufzuheben. Andernfalls will die Führung in Teheran den Zugang der Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde zu den Atomanlagen im Land einschränken. Im Vorfeld des Außenministertreffens telefonierte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel mit dem iranischen Präsidenten Hassan Rouhani und drängte danach auf "positive Signale", um die Chance für eine diplomatische Lösung zu erhöhen. Irans Präsident Hassan Rouhani hatte zuvor angekündigt, die Zusammenarbeit mit der UNO-Atomenergiebehörde IAEA weiterzuführen.

Unter Führung des damaligen US-Präsidenten Donald Trump waren die USA im Mai 2018 aus dem internationalen Atomvertrag ausgetreten. Trumps Nachfolger Joe Biden will diesen Schritt rückgängig machen. "Die Rolle der Europäischen Union ist wichtig", sagte ein Sprecher des US-Außenministeriums am Mittwochnachmittag (Ortszeit) zu den Beratungen Blinkens mit den drei europäischen Außenministern am Donnerstag. Er kündigte auch an, dass Blinken am kommenden Montag am regulären EU-Außenministerrat in Brüssel teilnehmen werde.

"Weiterhin Mitglied der IAEA"

"Wir sind weiterhin Mitglied der IAEA, werden uns auch weiterhin an den Atomwaffensperrvertrag halten und in diesem Rahmen auch weiterhin mit der IAEA kooperieren," sagte Rouhani am Mittwoch. Das Abkommen sei in den letzten Jahren von den sechs Partnern aus Sicht Irans nicht vertragsgerecht umgesetzt worden. Daher habe auch der Iran beschlossen sich ab 23. Februar nicht mehr an das Zusatzprotokoll zu halten. "Wir wollen uns nicht querstellen ... wie schon mehrmals gesagt, werden wir voll und ganz zu unseren Verpflichtungen zurückkehren, sobald das auch die anderen tun", sagte der Präsident im Staatsfernsehen.

Merkel in Sorge

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel telefonierte am Mittwoch mit dem iranischen Präsidenten Rouhani. Merkel äußerte dabei nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Seibert die Sorge, dass der Iran "seinen Verpflichtungen aus dem Nuklearabkommen weiter nicht nachkommt". Es sei "nun an der Zeit für positive Signale, die Vertrauen schaffen und die Chancen auf eine diplomatische Lösung erhöhen".

Außenminister Mohammad Javad Zarif wies die Kritik aus den USA und Europa am Zurückfahren der iranischen Zusammenarbeit mit der IAEA zurück. "Das Atomabkommen muss einfach nur umgesetzt werden, dann werden auch alle Vorlagen eingehalten", sagte er vor Reportern in Teheran. "Alles andere ist irrelevant." Die Erwartung, dass eine Partei ein Abkommen einhalte und die sechs Partner nicht, sei absolut inakzeptabel. Der iranische oberste Führer Ayatollah Ali Khamenei erklärte: "Bis jetzt gab es nur leere Versprechen, mit denen wir nichts anfangen können. Jetzt wollen wir nur noch Taten sehen."

Kein Zugang für Inspektoren

Der Iran hatte die IAEA am Dienstag darüber informiert, dass das Land ab kommendem Dienstag die freiwilligen Transparenzmaßnahmen aus dem Atomabkommen im Rahmen des sogenannten Zusatzprotokolls nicht mehr durchführen werde. Der unbegrenzte Zugang der Inspektoren zu den iranischen Atomanlagen auf der Basis des IAEA-Zusatzprotokolls ist Teil des Wiener Atomabkommens von 2015, das den Iran vom Bau einer Atombombe abhalten sollte. Ohne diesen Zugang bliebe von dem Abkommen de facto nichts mehr übrig.

Die Internationale Atomenergiebehörde bemüht sich um eine Lösung in letzter Minute. IAEA-Chef Rafael Grossi werde am Samstag nach Teheran fliegen, teilte die IAEA am Mittwoch mit. Dort werde sich Grossi mit führenden Verantwortlichen der Islamischen Republik beraten, um einen beidseitig akzeptablen Weg zur Fortsetzung wesentlicher Verifikationsmaßnahmen zu finden.

Deutschland, Frankreich und Großbritannien beraten regelmäßig im sogenannten E3-Format zum Iran. Mit Washington sind die Europäer derzeit im Gespräch über eine mögliche Wiederbelebung des Atomabkommens mit Teheran, aus dem die USA sich 2018 unter dem damaligen Präsidenten Donald Trump einseitig zurückgezogen hatten.

USA und Iran uneinig

Uneinig sind sich die USA und der Iran allerdings in der Frage, wer den ersten Schritt zur Rettung des Atomabkommens machen soll. Auch Teheran hatte sich nach dem Austritt der USA aus dem Vertrag schrittweise von seinen Verpflichtungen zurückgezogen.

Die Regierung unter Präsident Joe Biden hat grundsätzlich Bereitschaft zu neuen Verhandlungen signalisiert - unter bestimmten Voraussetzungen. US-Außenminister Antony Blinken bekräftigte am Dienstag beim Radiosender NPR, dass die USA dies tun würden, falls Teheran sich wieder an alle Bedingungen des Abkommens halten sollte. Auch verdeutlichte Blinken erneut, dass eine Rückkehr zu der Vereinbarung von 2015 nur die Vorstufe zu einem weit reichenderen und stärkeren Abkommen sein könne. "Der Weg der Diplomatie steht jetzt offen. Der Iran ist noch weit davon entfernt, das Abkommen einzuhalten. Wir müssen also abwarten, was er tut." Auf die jüngste Ankündigung des Irans ging Blinken nicht ein.