Joe Biden brauchte nicht lange, um der amerikanischen Bevölkerung mit einer kleinen Geste eine Rückkehr zur Normalität zu suggerieren. Frisch vereidigt unterzeichnete der 46. US-Präsident einige Proklamationen. Nachdem er seine Unterschrift gesetzt hatte, klappte er die dicken Ledermappen schnell zu und übergab sie einem Mitarbeiter. Ein ganz gewöhnlicher Verwaltungsakt eben – aber einer, den die Öffentlichkeit seit vier Jahren nicht von einem Staatsoberhaupt der Vereinigten Staaten gesehen hat.

Bidens Vorgänger Donald Trump hatte die Unterzeichnung eines jeden noch so unbedeutenden Papiers wie einen großen Staatsakt zelebriert. Mit schwarzem Filzstift unterschrieb er in ausladender Geste Bedeutendes wie Unbedeutendes und hielt das Dokument anschließend für die Fotografen in die Höhe. Zeitweise nutzte er dafür extra angefertigte Schreibtische mit dem Siegel des US-Präsidenten. Sein Nachfolger hingegen erfüllte seinen ersten offiziellen Arbeitsakt als Staatsoberhaupt betont unglamourös.

Man darf davon ausgehen, dass das kein Zufall ist. Die ganze Begründung für Bidens Kandidatur war eine Rückkehr zur Normalität und zu professioneller Pflichterfüllung nach vier langen Jahren mit einem betont unkonventionellen Präsidenten im Weißen Haus. Trumps großspurige Auftritte blockierten oft seine politischen Ziele und hinderten seine Administration daran, ihre Aufgaben erfolgreich zu erfüllen. Das werde ihm nicht passieren, so das Signal seines Nachfolgers.

Überhaupt bemühte sich Biden, trotz seiner pandemie- und sicherheitsbedingt ungewöhnlichen Amtseinführung, so viel Normalität wie möglich auszustrahlen, nachdem er die Präsidentschaft übernommen hatte. Schon in seiner Antrittsrede bemühte er immer wieder das Motiv der Überparteilichkeit, forderte seine Landsleute etwa zu einem gemeinsamen stillen Gebet für die 400.000 Covid-Toten auf.

Im Weißen Haus vereidigte er später am Tag seine neuen Mitarbeiter mit dem expliziten Hinweis, dass sie für das amerikanische Volk arbeiten – ebenso wie er. Es ist der Versuch, der tiefen Spaltung der Trump-Jahre zumindest symbolisch etwas entgegenzusetzen.

Oval Office umgestaltet

Das heißt jedoch nicht, dass Biden keine politischen Überzeugungen durchblicken ließ. Schon die Umgestaltung des Oval Office signalisierte, in welcher politischen Tradition er sich sieht. Das Porträt des Ur-Populisten Andrew Jackson ließ er durch eines von Benjamin Franklin ersetzen, dem Erfinder, Staatsmann und Mitautor der amerikanischen Verfassung. Büsten der Bürgerrechtsikonen Martin Luther King und Rosa Parks und des Arbeiterführer César Chávez sind im Raum verteilt, auch Ex-Senator Robert F. Kennedy, Präsident Harry S. Truman und Ex-First-Lady Eleanor Roosevelt sind vertreten.

Ein riesiges Porträt ihres Ehemanns, Präsident Franklin D. Roosevelt, hängt zudem direkt gegenüber des Resolute Desk, an dem Biden künftig arbeiten wird. Roosevelt hatte die USA durch die Weltwirtschaftskrise und den Zweiten Weltkrieg geführt. Seine New-Deal-Politik legte die Grundlage für den amerikanischen Sozialstaat. Damit ist Roosevelt einer der  Säulenheiligen der Demokraten.

Umringt ist sein Porträt von Gemälden anderer Giganten der amerikanischen Politik: Gemälde der Präsidenten George Washington, Abraham Lincoln und Thomas Jefferson, sowie ein Gemälde des ersten US-Finanzministers Alexander Hamilton. Auch dies kann als Wink in Richtung Überparteilichkeit verstanden werden. Jefferson und Hamilton konnten sich auf so gut wie nichts einigen. Ihre Konkurrenz läutete eine Ära der tiefen politischen Spaltung in den frühen Jahren der amerikanischen Republik ein. Trotzdem prägten sie die Nation nachhaltig.

Kontroversen vermied auch Biden an seinem ersten Tag im neuen Amt nicht. Seine Entscheidungen, die USA umgehend zurück ins Pariser Klimaabkommen und in die Weltgesundheitsorganisation zu führen, ernteten Kritik von den Republikanern. Er habe die Interessen der Bürger von Paris über die von denen in Pittsburgh gestellt, so der Senator Ted Cruz, eine Formulierung aufgreifend, die auch Ex-Präsident Trump genutzt hatte. Trotzdem blieb die Auseinandersetzung zunächst respektvoll.

Neuer Stil

Das wurde auch deutlich, als die neue Regierungssprecherin Jen Psaki das erste Mal vor die Medien trat. Sie führte einige Traditionen des White House Press Corps wieder ein, die in den Trump-Jahren abgeschafft worden waren, beantwortete Fragen fast aller anwesender Journalisten und führte ansonsten betont nüchtern durch die Pressekonferenz. Die Briefings sollen nun wieder täglich stattfinden. Unter Trump waren sie zeitweise monatelang ausgefallen.

Biden beendete seinen allerersten Amtstag mit einem Ausflug zum Lincoln Memorial. In einer Rede kehrte er am Abend zu den Motiven zurück, die er bereits zu Mittag kurz nach seiner Vereidigung aufgegriffen hatte. „Es gibt nichts, was wir nicht schaffen können, wenn wir es gemeinsam tun“, so der neue Präsident. „Vielen Dank für diese Ehre. Ich werde alles für euch geben.“