14 Stunden lang galt sein Aufenthaltsort als ungewiss, dann wurde bekannt, dass die russische Justiz dem nach Moskau zurückgekehrten Kremlgegner Alexej Nawalny direkt in einer Polizeistation einen Eilprozess macht. Das Verfahren findet offenbar ohne die Anwältin Nawalnys statt. Wenig später schon der Urteilsspruch: 30 Tage Haft. Der Oppositionspolitiker hatte das Verfahren als politische Inszenierung kritisiert, mit der ihn der Kreml zum Schweigen bringen wolle.

Juristen kritisierten das als beispiellos - selbst für russische Verhältnisse. In einem Video bei Twitter beklagte Nawalny, dass die Justiz in Russland eine neue Stufe der "Gesetzlosigkeit" erreicht habe. "Ich habe oft gesehen, wie der Rechtsstaat ins Lächerliche gezogen wird, aber dieser Opi in seinem Bunker fürchtet sich inzwischen so sehr (...), dass nun einfach der Strafprozesskodex zerrissen und auf die Müllhalde geworfen wird", sagte Nawalny in dem improvisierten Gerichtszimmer. Mit "Opi in seinem Bunker" meint Nawalny den russischen Präsidenten Wladimir Putin. "Es ist unmöglich, was hier passiert." Es sei der "Gipfel der Gesetzlosigkeit".

Hier das genannte Twitter-Video, in dem Nawalny bei der Eröffnung des Prozesses zu sehen.

"Alexej ist schon seit 14 Stunden in Haft, ihm wurde nicht erlaubt zu telefonieren, obwohl alle Festgenommenen dieses Recht haben", teilte seine Sprecherin Kira Jarmysch zuvor auf Twitter mit. Unterdessen mehren sich die internationalen Stimmen für eine sofortige Freilassung.

Nawalnys Anwälte hatten offenbar ein Schreiben über den Beginn einer Gerichtsverhandlung im Polizeigebäude erhalten, die dann eröffnet wurde, ohne dass jemand sich hätte vorbereiten können.

Die Anwältin Nawalnys, Olga Michailowa, beklagt seit Sonntagabend, dass sie ihren Mandanten nicht betreuen dürfe. Sie werde nicht zu ihm gelassen, sagte sie dem Radiosender Echo Moskwy am Montag vor der Polizeistation. Die Anwältin hatte am Sonntag am Flughafen Scheremetjewo Nawalny zwar gesehen, Uniformierte verwehrten ihr allerdings, ihn zu begleiten, wie auf einem Video zu sehen war.

Hier die Festnahme Nawalnys auf dem Flughafen:

Auch Menschenrechtler stünden vor dem Polizeigebäude und hätten keinen Zugang, sagte Michailowa. Sie warf den Polizeibehörden Gesetzesverstöße vor, weil Nawalny der rechtlich vorgesehene Schutz verwehrt werde.

Politisch motiviert

Nawalny hatte am Sonntag nach fünf Monaten in Deutschland, wo er sich von einem Anschlag mit dem Nervengift Nowitschok erholte, verlassen. Nach seiner Ankunft in Moskau wurde er festgenommen. Die Justiz hatte ihn zur Fahndung ausgeschrieben. Der Kritiker des russischen Präsidenten Wladimir Putin soll während seines Aufenthalts in Deutschland gegen Bewährungsauflagen in einem früheren Strafverfahren verstoßen haben. Ihm drohen dreieinhalb Jahre Haft. Nawalny kritisiert das Vorgehen gegen ihn als politisch motiviert.

Mit Deutschland und mehreren nordeuropäischen Staaten mehrten sich unterdessen die Stimmen, die die umgehende Freilassung Nawalnys fordern. Russland sei durch seine eigene Verfassung und durch internationale Verpflichtungen an das Prinzip der Rechtstaatlichkeit und an den Schutz der Bürgerrechte gebunden, erklärte der deutsche Außenminister Heiko Maas am Montag.

Kritik

"Diese Prinzipien müssen selbstverständlich auch gegenüber Alexej Nawalny zur Anwendung kommen. Er sollte unverzüglich freigelassen werden." Nawalny sei nach seiner Genesung aus eigenen Stücken und bewusst aus Deutschland nach Russland zurückgekehrt, weil er dort seine persönliche und politische Heimat sehe. "Dass er von den russischen Behörden sofort nach Ankunft verhaftet wurde, ist völlig unverständlich", betonte Maas.

"Der russische Oppositionspolitiker Nawalny muss unverzüglich freigelassen werden", schrieb auch die Ministerpräsidentin des russischen Nachbarlandes Finnland, Sanna Marin, Montagfrüh auf Twitter. Russland solle die Vergiftung Nawalnys untersuchen und die Rechte der Opposition schützen, die zu jeder Demokratie dazu gehörten. Finnland hat die längste Landesgrenze aller EU-Länder mit Russland.

Auch Dänemark und Schweden forderten, dass der 44-Jährige unmittelbar auf freien Fuß komme. Sie rufe die russischen Behörden auf, Nawalny freizulassen, teilte die schwedische Außenministerin Ann Linde bereits am Sonntagabend mit. Der dänische Außenminister Jeppe Kofod schrieb auf Twitter, Nawalnys Festnahme sei so erwartbar wie inakzeptabel gewesen. Die russischen Behörden hätten noch immer keine Antworten auf die Fragen zur Vergiftung gegeben. "Die Welt schaut zu!", fügte er hinzu.

Zuvor hatten bereits die EU, die USA und auch das österreichische Außenministerium die Freilassung Nawalnys gefordert.

Der Fall Nawalny hat zu diplomatischen Verstimmungen zwischen Deutschland und Russland geführt. Die deutsche Regierung und andere westliche Staaten sprechen hinsichtlich des Giftanschlags von einem Mordversuch, bei dem Nawalny mit dem Nerven-Kampfstoff Nowitschok vergiftet worden sei. Die Regierung in Moskau weist jede Verwicklung in den Vorfall zurück.