Der Kreml-Kritiker Alexej Nawalny ist nach seiner Rückkehr nach Russland in Moskau festgenommen worden. Das berichtete ein Rechtsanwalt am Sonntag. Die russischen Behörden bestätigten die Festnahme. Fünf Monate nach seiner Vergiftung in Sibirien war Nawalny am Sonntagabend nach Russland zurückgekehrt. Die russischen Behörden hatten den Flug zuvor überraschend umgeleitet und ließen die Maschine aus Berlin auf dem Hauptstadt-Airport Scheremetjewo landen.

Ursprünglich sollte das Flugzeug der Airline Pobeda auf dem Flughafen Wnukowo südwestlich von Moskau landen, wo sich zahlreiche Anhänger versammelt hatten, um ihn zu begrüßen.

Nawalny hatte Deutschland am Sonntagnachmittag verlassen, um nach Russland zurückzukehren. Nach seiner auskurierten Vergiftung will Nawalny trotz einer drohenden Verhaftung zurück in sein Heimatland. "Ich, verhaftet? Ich bin unschuldig", sagte er Reuters-Augenzeugen zufolge beim Einstieg in das Flugzeug.

"Das ist der schönste Moment seit fünf Monaten", sagte Nawalny an Bord des Flugzeugs vor zahlreichen Journalisten, die ihn auf dem Flug begleiteten. "Ich fühle mich großartig. Endlich kehre ich nach Hause zurück." Er rechne nicht mit einer Verhaftung, er sei unschuldig. "Wovor muss ich Angst haben? Was kann mir in Russland Schlimmes passieren?" Er sei russischer Staatsbürger und habe jedes Recht zurückzukehren. Nawalny, der erst kurz vor dem Abflug direkt mit einem Auto zum Flugzeug gefahren wurde, wurde von seiner Frau Julia und seiner Pressesprecherin begleitet.

Nawalny ist einer der führenden Kritiker des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Nach einem Giftanschlag in Russland mit dem Nerven-Kampfstoff Nowitschok im August wurde Nawalny an der Berliner Charité behandelt und erholte sich anschließend in Deutschland. Die Bundesregierung und andere westliche Staaten sprechen von einem Mordversuch. Die Regierung in Moskau weist jede Verwicklung in den Vorfall zurück.

Berichte über Festnahmen

In Russland gab es Stunden vor der Abreise Nawalnys Berichte über Festnahmen. In St. Petersburg teilte die Leiterin von Nawalnys dortigem Stab, Irina Fatjanowa, mit, dass sie und zwei weitere Aktivisten aus einem Zug nach Moskau abgeführt und ohne Angabe von Gründen drei Stunden bei der Polizei in Gewahrsam gewesen seien. Andere Aktivisten sagten, sie seien auf dem Flughafen Pulkowo in St. Petersburg festgehalten oder in Fahrzeugen auf der Straße gestoppt worden.

Auch am Moskauer Flughafen Wnukowo sollen mehrere Unterstützer Nawalnys festgenommen worden sein. Unter den Festgenommenen seien die Juristin Ljubow Sobol, der Jurist Alexej Molokojedow und Nawalnys Assistent Ilja Pachomow, berichtete Iwan Schdanow von Nawalnys Anti-Korruptionsstiftung am Sonntag im Kurzbotschaftendienst Twitter.

Breite Absperrungen

Viele Journalisten beklagten, dass die Flughafenleitung in Wnukowo den Zugang zum Airport wegen der Corona-Pandemie untersagt und keine Arbeitserlaubnis erteilt habe. Im internationalen Teil des Airports gab es breite Absperrungen. Zahlreiche Aktivisten, Blogger und Journalisten begleiteten Nawalny aber auf dem Flug und berichteten immer wieder live.

Nawalny erholte sich in Deutschland von einem Anschlag mit dem als Chemiewaffe verbotenen Nervengift Nowitschok. Das Attentat war am 20. August in der sibirischen Stadt Tomsk verübt worden. Nawalny hatte immer wieder Putin und den Inlandsgeheimdienst FSB für den Mordanschlag verantwortlich gemacht. Der Kreml-Chef hatte das stets zurückgewiesen. Die Verwendung von Nowitschok als Gift legt freilich den Schluss nahe, dass russische Behörden involviert gewesen sein müssen. Ungeachtet der Gefahr, getötet oder festgenommen zu werden, erklärte Nawalny mehrfach, dass sein Platz in Russland sei und er dort seinen Kampf gegen das "System Putin" fortsetzen wolle.

Zahlreiche Kommentatoren bezeichneten Nawalnys Entscheidung, nach Russland zurückzukehren, als mutig - und als politischen Sieg. "Dass Nawalny auch vor dem schlimmstmöglichen Szenario keine Angst hat, zerstört das ganze Spiel des Kreml", schrieb die Politologin Tatjana Stanowaja. Im Herbst ist in Russland Parlamentswahl, bei der der Oppositionspolitiker das Machtmonopol der Kremlpartei Geeintes Russland brechen will.