Es sind keine zwei Wochen mehr, bis die Amtszeit von US-Präsident Donald Trump endet. Am 20. Jänner um 12 Uhr mittags ist er nicht mehr das Staatsoberhaupt. So steht es in der amerikanischen Verfassung. Angesichts der Szenen vom Mittwoch, als aufgestachelte Trump-Anhänger das Kapitol stürmten und die finale Zertifizierung des Wahlergebnisses verhindern wollten, mehren sich jedoch die Stimmen, die den Noch-Präsidenten bereits früher aus dem Weißen Haus vertreiben wollen.

Ausgeschlossen ist das nicht. So könnte sich eine Mehrheit des Kabinetts unter Führung von Vize-Präsident Mike Pence dazu entschließen, den 25. Verfassungszusatzartikel zu aktivieren. Dieser sieht vor, dass das Staatsoberhaupt von der Macht entfernt wird, wenn es nicht dazu in der Lage ist, die Pflichten des Amtes auszuüben.

Es ist nicht das erste Mal, dass über diese Möglichkeit nachgedacht wird. In den ersten Monaten der Trump-Administration brachten Gegner des Präsidenten diese Option mehrfach ins Spiel. Als in den 1980er-Jahren bei Ronald Reagan erste Zeichen von Alzheimer bemerkbar wurden, soll der Schritt gar in Regierungskreisen besprochen worden sein. Auch derzeit berichten US-Medien, dass wieder innerhalb der Administration darüber diskutiert werde. Allerdings kann ohne die Zustimmung von Pence nichts geschehen – und der Vize-Präsident sendet derzeit keine Signale aus, dass er einen solchen Schritt gutheißen würde.

Trotzdem haben die Demokraten im Kongress das Kabinett bereits aufgefordert, den Prozess einzuleiten – versehen mit der Drohung, ein weiteres Amtsenthebungsverfahren gegen Trump einzuleiten, sollte die Administration nicht handeln. Es wäre das zweite Impeachment-Verfahren, dem sich der Noch-Präsident in nur vier Jahren im Amt stellen müsste. Im Repräsentantenhaus, das die Anklage gegen das Staatsoberhaupt erheben würde, wäre ein solcher Schritt schnell umzusetzen. Eine entsprechende Erklärung könnte innerhalb weniger Tage mit einfacher Mehrheit verabschiedet werden. Angeblich gibt es bereits Überlegungen, dies Mitte der kommenden Woche zu tun.

Ob das jedoch ausreicht, um Trump, der übrigens gestern über Twitter kundtat, nicht an der Amtseinführung seines Nachfolgers Joe Biden teilnehmen zu wollen, auch aus dem Amt zu entfernen, ist eine andere Frage. Darüber entscheidet der Senat – und zwar mit Zweidrittelmehrheit. Zwar haben sich mittlerweile zahlreiche Republikaner vom Präsidenten abgewandt, ob jedoch genug von ihnen vor dem Ende seiner Amtszeit für seine Absetzung stimmen würden, ist eine andere Frage. Zumal der formale Impeachment-Prozess im Senat deutlich länger dauern würde als das Verfahren im Repräsentantenhaus. Damit stellt sich die Frage, ob er vor dem formalen Ende von Trumps Amtszeit überhaupt abzuschließen wäre.

Für Trump hat die Dauer seiner Restamtszeit durchaus Gewicht. Solange er Präsident ist, ist er vor Strafverfolgung geschützt. Doch diese faktische Immunität endet mit seinem Ausscheiden aus dem Weißen Haus. Und dann steht er vor einigen rechtlichen Problemen.
Insgesamt 18 Ermittlungsverfahren auf Bundesebene und in Bundesstaaten gegen Trump, sein Unternehmen oder sein Wahlkampfteam und Umfeld zählt die „New York Times“. Es geht unter anderem um den Missbrauch von Spendengeldern, um Steuervergehen und Betrug. Seine Aufstachelung zum Sturm des Kapitols am Mittwoch könnte weitere Verfahren nach sich ziehen.

Damit könnte Trump der erste Ex-Präsident werden, der sich einem Strafverfahren stellen muss. Keiner seiner Vorgänger musste sich dieser Schmach aussetzen. Zwar drohte auch Richard Nixon im Zuge der Watergate-Affäre eine Anklage, er entkam ihr jedoch, da sein Nachfolger Gerald Ford ihn umfassend begnadigte.

So viel Entgegenkommen darf Trump sich von seinem designierten Nachfolger Joe Biden nicht erwarten. Deshalb wird im Weißen Haus Berichten zufolge bereits eine andere Option durchgespielt: die Selbstbegnadigung. Es wäre ein beispielloser Schritt. Auch ist längst nicht klar, ob er legal wäre. Zwar schreibt die Verfassung dem Präsidenten das Recht zu, Gnadenakte für Bundesvergehen auszusprechen. Ob er diese Kompetenz jedoch auf sich selbst anwenden kann, ist eine andere Frage. Schließlich widerspräche diese dem rechtsstaatlichen Prinzip, dass niemand sein eigener Richter sein darf. Explizit verboten ist es in der Verfassung allerdings nicht.

Unbestritten rechtssicher wäre es allerdings, wenn Trump zurückträte und sein Vize Pence ihn begnadigen würde. Doch selbst wenn es dazu käme, wäre Trump seine juristischen Probleme nicht los. Schließlich wird gegen ihn auch in den Bundesstaaten New York und New Jersey sowie in Washington, D. C., ermittelt. Eine Begnadigung auf Bundesebene, wie der Präsident sie aussprechen kann, hätte auf diese Verfahren keinen Einfluss. Und dass die Staatsanwälte in diesen Jurisdiktionen ihre Klagen sofort zurückziehen würden, wenn Trump das Weiße Haus verlassen muss, glauben Beobachter nicht. Es wäre das Eingeständnis, dass ihre Ermittlungen rein politisch motiviert gewesen sind. Diese Blöße will sich niemand geben.