Ein ehemaliges Flüchtlingslager in Bosnien ist durch einen Großbrand zerstört worden. Die Polizei ging davon aus, dass das am Mittwoch ausgebrochene Feuer von früheren Bewohnern des Lagers gelegt wurde. Das Camp war kurz zuvor wegen der dortigen katastrophalen Bedingungen geräumt worden. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) hatte das Lager einen Tag vor Weihnachten geschlossen, da dieses nicht ausreichend mit Strom, Wasser und Heizwärme versorgt war

Der Chef der IOM-Mission für Bosnien, Peter van der Auweraert, erklärte, das Lager sei nie mit dem Hauptstrom- und -wassernetz verbunden worden. Dafür gebe es überwiegend "politische Gründe". Die nun entstandene Situation der bisherigen rund 1300 Bewohner des Camps bezeichnete Auweraert als "Albtraum-Szenario". Diese Menschen sollten "ebenso wie der Rest Europas" über die Feiertage warm untergebracht sein.

Die Infrastruktur des verlassenen Lagers nahe der nordwestbosnischen Gemeinde Lipa sei von den Flammen komplett vernichtet worden, sagte ein Polizeisprecher. Todesopfer habe es jedoch nicht gegeben. Der Brand sei inzwischen von der Feuerwehr gelöscht worden. "Wir nehmen an, dass es sich um eine kriminelle Tat handelt und Einwohner des Lagers dahinter stecken", sagte der Polizeisprecher.

Rund 1.300 Flüchtlinge würden nun auf der Straße stehen, sagte Natasa Omerovic, die Koordinatorin des Lagers, dem Nachrichtenportal klix.ba. Die IOM hatte die Schließung des Lagers bereits früher angekündigt, weil es dort trotz einsetzenden Winters keinen Anschluss an das Stromnetz und die Wasserversorgung gibt. Zum "Abschied" setzten einige der obdachlos gewordenen Bewohner Zelte und Container in Brand. Eine dicke schwarze Rauchwolke war weithin sichtbar. Zu dem Zeitpunkt sei das Lager bereits fast leer gewesen, schrieb Peter Van der Auweraert, der IOM-Vertreter in Bosnien, auf Twitter. Es sei niemand verletzt worden. Feuerwehren konnten den Brand löschen, berichtete klix.ba.

Das Lager Lipa liegt in einem unwirtlichen Gelände 25 Kilometer südöstlich von Bihac. Es war im September errichtet worden, nachdem die bosnischen Behörden die Schließung des Lagers Bira am Stadtrand von Bihac erreicht hatten. Die Flüchtlinge und Migranten sollten durch diese Maßnahme aus dem Stadtbild der 60.000-Einwohner-Stadt im Nordwesten Bosniens verschwinden. Die Behörden von Bihac lehnten es auch in einer Sitzung des kantonalen Parlamentes am Nachmittag die Aufforderung der bosnischen Zentralbehörden ab, die Flüchtlinge in einer aufgegebenen Fabrikhalle in der Stadt unterkommen zu lassen.

Ihr Versprechen, Lipa an Strom und Wasser anzuschließen, lösten die Behörden nie ein. Flüchtlingshelfer kritisierten die menschenunwürdigen Zustände in dem Lager. Die österreichische Organisation SOS Balkanroute bezeichnete es als das "Moria vor unserer Haustür", in Anspielung auf das Flüchtlingslager auf der griechischen Insel Lesbos, das im September abbrannte.

Wegen der unmittelbaren Nähe zum EU-Land Kroatien üben Bihac und der Kanton Una-Sana eine große Anziehungskraft auf Flüchtlinge und Migranten aus. Durch Bosnien verläuft ein Ableger der sogenannten Balkanroute, über die Flüchtlinge und Migranten aus der Türkei nach Westeuropa zu gelangen versuchen. Das Lager Lipa diente als vorübergehende Maßnahme zur Bewältigung der Covid-19-Situation im Sommer und war für die winterlichen Verhältnisse völlig ungeeignet. Die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic, hatte im Vorfeld vor der Schließung von Lipa gewarnt, dies sei ein "Akt der Grausamkeit, den wir schwer tolerieren können".