Es sieht nicht gut für ihn aus: Trotz massiver Kritik von Menschenrechtsorganisationen hat vor einem Gericht in Istanbul kürzlich der nächste Prozess gegen Osman Kavala begonnen. Heute dann der nächste Rückschlag: Das türkische Verfassungsgericht hat die Beschwerde des seit mehr als drei Jahren inhaftierten Intellektuellen und Kulturförderers abgelehnt. Eine Mehrheit von acht Richtern stimmten demnach für die Ablehnung des Antrags, sieben dagegen. Kavala muss damit im Gefängnis bleiben. 

Der 63-jährige Schöngeist und Unternehmer galt vor seiner Inhaftierung als einer der bedeutendsten Unterstützer der türkischen Zivilgesellschaft. Seine Stiftungen förderten unter anderem Kulturprojekte in vernachlässigten Regionen der Türkei. Kavala betreibt einen der größten Verlage der Türkei und setzt sich mit seiner Organisation Anadolu Kültür für die Aussöhnung der Volksgruppen ein: Dass dies auch Kurden und Armenier und deren Kultur mit einbezieht, gilt als rotes Tuch für Präsident Recep Tayyip Erdoğan und seine nationalistische Agenda. 2013 engagierte sich Kavala bei den Protesten am Gezi-Park in Istanbul. Damit geriet er einmal mehr ins Visier Erdoans, der Kavala zu einem der Hauptverantwortlichen der Protestwelle erklärte.

Im Oktober 2017 wurde Kavala am Flughafen Istanbul ohne Nennung von Gründen festgenommen. Am 18. Februar 2020 wurde Kavala mangels Beweisen überraschend freigesprochen. Wenige Stunden später erließ die Staatsanwaltschaft Istanbul einen neuen Haftbefehl gegen ihn. Jetzt wirft man ihm vor, an den Putschversuchen 2016 beteiligt gewesen zu sein, was er bestreitet. Die türkische Justiz fordert lebenslange Haft. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nahm sich des Falles an und forderte Kavalas sofortige Freilassung. Gegen die Richter, die ihn einst freigesprochen hatten, wurde ein Disziplinarverfahren eröffnet.

Kavala stammt aus einer Familie von altem osmanischen Adel. Er ist in Paris geboren, in Istanbul aufgewachsen und hat in den USA Wirtschaftswissenschaften studiert. Seit Jahrzehnten setzt er sich für Bürgerrechte ein. Erdoğan nannte Kavala den „roten Soros der Türkei” – auf einer Linie mit den antisemitischen Verschwörungstheorien, die in dem Prozess gegen ihn verwendet werden.