Am Ende war es wieder nicht das Ende. Auch das gestrige Ultimatum verstrich, wie so viele zuvor. Der britische Premierminister Boris Johnson einigte sich mit EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen darauf, dass über einen Post-Brexit-Handelsvertrag noch etwas länger verhandelt werden kann.

Während von der Leyen das Telefongespräch, das sie am Sonntag mit Johnson führte, als „konstruktiv“ bezeichnete, wollte der Brite nur sagen, dass er „den Gesprächen nicht den Rücken kehren werde“, solange es etwas zu reden gebe. „Die Hoffnung stirbt zuletzt“, sagte er auf seine saloppe Art.

Weiter Vorbereitungen auf ein Scheitern

Allerdings bestand er darauf, dass sein Land sich weiter auf ein Scheitern der Verhandlungen vorbereitete. Ein solcher Ausgang sei immer noch „das Wahrscheinlichste“, erklärte er. Beide Seiten seien „in Schlüsselfragen auch jetzt noch „sehr weit voneinander entfernt“.
Glücklicherweise habe man aber „umfassende Vorkehrungen“ getroffen für den Fall, dass es zu keiner Vereinbarung komme, meinte Johnson. In der Tat stand am Wochenende in der britischen Politik alles im Zeichen der Notstands-Maßnahmen, die nun geplant sind für den „No-Deal“-Fall.

Vier Fährunternehmen wurden angeheuert, um das Land im Notfall mit Nahrungsmitteln und Medikamenten zu versorgen. 2000 Grenzbeamte zusätzlich sollen an Zollpunkten eingesetzt werden können. Testläufe zum Freihalten wichtiger Verkehrsadern zum Ärmelkanal haben begonnen. Diesen Mittwoch ist in Whitehall eine generalstabsmäßige Übung mit Staatsbeamten aus 16 Ministerien geplant.

Schon seit Tagen haben die Regierung und ihre Anhänger eine zunehmend anti-europäische Stimmung geschürt auf der Insel. Wer an diesem Sonntag den Stimmen beherzter Brexiteers, besorgter Militärs oder der Tory-freundlichen Presse lauschte, der musste glauben, dass die Feinde der Freiheit sich bereit machen zum Schlag gegen das Vereinigte Königreich.

"Fischereikrieg"

Der rechtskonservative Sunday Telegraph klärte seine alarmierten Leser darüber auf, dass Frankreich den totalen „Fischereikrieg“ in Europa wolle. Der Sunday Express verlangte den sofortigen Abbruch aller Bemühungen um Frieden an der EU-Front. Brüssel verstehe letztlich nur eine Sprache: „No Deal! Und wir alle stehen bereit.“

Tory-Abgeordneter Tobias Ellwood, derzeit Vorsitzender des Verteidigungs-Ausschusses im Unterhaus, sieht „das internationale Ansehen“ Großbritanniens in Gefahr durch die feindseligen Töne. Enormer Schaden, erklärte er, erwachse seinem Land aus einer „vollkommen verantwortungslosen“ Kriegs-Rhetorik – und aus der Möglichkeit, dass nun gar militärisch gegen Nato-Verbündete vorgegangen werden soll.

Denn am Wochenende hatte das britische Verteidigungsministerium bestätigt, dass es vier Kriegsschiffe dafür abgestellt hat, um vom ersten Jänner an gegen freche Fischerboote aus EU-Ländern vorzugehen. Der pensionierte Admiral Lord West, der im Falklandkrieg im Einsatz war, hielt es für „absolut richtig“, dass die Royal Navy sich dafür rüste, „unsere Gewässer zu schützen“, nachdem die Regierung klar gemacht habe, „dass wir dort keine anderen Nationen sehen wollen“. Jubelnd quittierten Brexit-Hardliner diese Bereitstellung von „Gunboats“, wie sie die Briten in imperialen Zeiten gern ausgeschickt hatten. „Vor befremdlichen Forderungen Brüssels zu kapitulieren, kommt einfach nicht in Frage“, stellte auch Ex-Parteichef Iain Duncan Smith fest.