Eigentlich sollte es eine Prunkveranstaltung der Extraklasse werden. Zum ersten Mal in seiner Geschichte hat Saudi-Arabien mit dem G20-Gipfel die Mächtigsten der Welt zu Gast, für den greisen KönigSalman die einmalige Gelegenheit, seinen umstrittenen Sohn und Kronprinzen Mohammed bin Salman international als kommenden Herrscher zu präsentieren. Der Gipfel werde die „endgültige Einführung des Kronprinzen auf der Weltbühne“ sein, jubelte Anfang Dezember 2019 die Zeitung „Arab News“, kurz nachdem Saudi-Arabien den einjährigen G20-Vorsitz übernommen hatte.

Doch Corona durchkreuzte diese Pläne der Wüstenmonarchie und damit die Hoffnung des Königshauses, den Staatsmord an dem Journalisten Jamal Khashoggi endgültig vergessen zu machen. Stattdessen gibt es dieses Wochenende ein spartanisches Videotreffen, das gestern ohne rote Teppiche und fürstliche Banketts begann und schon heute ohne Vier-Augen-Gespräche und persönliche Kontakte am Rande endet.

Auf der Agenda des zweitägigen virtuellen Gipfels: die weltweite Wirtschaftskrise durch Covid-19, aber auch der Klimawandel, die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich sowie die drohende Zahlungsunfähigkeit vieler ärmerer Nationen.

Trump geht lieber golfen

Mit Spannung erwartet wurde die Veranstaltung aber nicht zuletzt deshalb, weil sie die wohl letzte große internationale Bühne für Donald Trump bot. Doch Amerikas Präsident zeigte sich desinteressiert. Nach weniger als zwei Stunden in der Videokonferenz verließ Trump das Weiße Haus für eine Golfpartie im US-Bundesstaat Virginia.

Eröffnet wurde der Gipfel vom greisen saudischen Monarchen: „Wir haben eine Pflicht, uns der Herausforderung bei diesem Gipfel gemeinsam zu stellen und eine starke Botschaft der Hoffnung zu geben“, sagte König Salman in einer Videoschaltung am Samstag. Davor hatte der britische Premier Boris Johnson an die G20 appelliert, weltweit einen gleichberechtigten Zugang zu Impfstoffen zu gewährleisten. Russlands Präsident Wladimir Putin griff den Ball auf und bot beim Gipfel der Welt Zugang zu dem russischen Impfstoff „Sputnik V“ an. Chinas Staatschef Xi Jinping sagte, er wolle Entwicklungsländer unterstützen, indem Impfstoffe als „öffentliches Gut“ zugänglich und erschwinglich werden. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sprachen sich konkret für eine stärkere finanzielle Unterstützung der internationalen Covax-Initiative aus, die Corona-Impfstoffe auch für Entwicklungsländer zur Verfügung stellen soll.

Was geschieht mit den Schulden?

Im April hatten sich die G20-Finanzminister zur Abfederung der ökonomischen Verheerungen durch das Virus auf ein Schuldenmoratorium verständigt, das sie jüngst bis Mitte 2021 verlängerten. Das ging den betroffenen Staaten, dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank nicht weit genug. Als erste afrikanische Nation kündigte Sambia an, es könne eine Euro-Anleihe nicht mehr bedienen. Daraufhin besserten die Gläubigerstaaten nach und stellten den Erlass oder die Reduktion von Schulden in Aussicht. UN-Generalsekretär António Guterres drängte die G20 zu weiterem Entgegenkommen.

Gastgeber Saudi-Arabien gehört zwar zu den reichsten Nationen der Welt, steht aber vor gewaltigen Herausforderungen. Die Ölpreise verharren auf Niedrigniveau. Die Einnahmen 2020 aus dem Hadsch gingen durch Corona verloren. Die ehrgeizige Vision 2030 stockt, mit der Kronprinz Mohammed bin Salman die heimische Wirtschaft aus der Abhängigkeit vom Öl herausführen will.

Auch außenpolitisch steuert das Königreich in turbulentere Gewässer. Mit dem Machtwechsel im Weißen Haus wächst der Druck auf Riad, den blutigen Konflikt im Jemen endlich zu stoppen. Er werde den „desaströsen Krieg“ nicht weiter unterstützen und die US-Waffenhilfe beenden, sagte der künftige US-Präsident Joe Biden im Wahlkampf und kündigte an, die Beziehung zu Saudi-Arabien neu zu bewerten.
Auch der Khashoggi-Mord in dem saudischen Konsulat von Istanbul 2018 ist für Biden nicht zu den Akten gelegt. Er werde dafür sorgen, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen würden. Die Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch“ appellierte an alle Gipfelteilnehmer, sich für die Freilassung der politischen Gefangenen einzusetzen, darunter die Frauenrechtlerinnen Loujain al-Hathloul und Samer Badawi, die Schwester des inhaftierten Bloggers Raif Badawi.