"Es gibt keinen wirklichen Willen nach Veränderung in der Herrscherfamilie. Es ist Propaganda zur internationalen Verwendung", sagte Khalid Ibrahim, Direktor des Gulf Centre for Human Rights (GCHR), das unter anderem für eine Stärkung der Menschenrechte in Saudi-Arabien eintritt.

"Eine Anerkennung der Menschenrechte ist sehr schwer vorstellbar, solange der Kronprinz (Mohammed bin Salman) an der Macht ist", sagte Ibrahim der Deutschen Presse-Agentur. Der diesjährige G20-Gipfel am kommenden Samstag und Sonntag steht unter dem Vorsitz Saudi-Arabiens. Das zweitägige Treffen der Staats- und Regierungschefs findet wegen der Corona-Pandemie nur virtuell statt und nicht wie geplant in Riad. Der Gruppe gehören die 19 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer sowie die EU an. Diese repräsentieren knapp zwei Drittel der Weltbevölkerung und 85 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung. Thema der Gespräche dürften vor allem die Auswirkungen der Pandemie werden.

Dass der Gipfel trotz der schlechten Menschenrechtslage von Saudi-Arabien geleitet wird, bezeichnete Ibrahim als "sehr traurig". Aktivisten seien im Gefängnis, Menschen seien wegen kritischer Tweets verschwunden und friedliche Demonstranten hingerichtet worden. Die Leiche des regierungskritischen Journalisten Jamal Khashoggi, der 2018 im Generalkonsulat in Istanbul von einem Sonderkommando aus Riad brutal getötet wurde, sei immer noch verschollen. Laut Ibrahim gibt es schätzungsweise "Tausende" politische Häftlinge in Saudi-Arabien.

Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International spricht vor dem G20-Gipfel von einem "scheinheiligen Umgang mit Frauenrechten" in dem erzkonservativen Wüstenstaat. Obwohl Frauenförderung oben auf der diesjährigen G20-Agenda stehe, säßen zahlreiche Aktivistinnen im Gefängnis oder müssten Gerichtsverfahren fürchten, teilte Amnesty mit. Die Frauenrechtlerinnen Loujain al Hathloul, Nassima al-Sada, Samar Badawi und andere müssten umgehend freigelassen werden.

Amnesty verweist auch auf "kostspielige PR-Aktionen", mit denen saudische Behörden ihren Ruf in vergangenen Jahren hätten verbessern wollen. Ziel sei auch gewesen, Kronprinz Mohammed als "progressiv und reformwillig" darzustellen - etwa durch die auch im Ausland gefeierte Abschaffung des Autofahrverbots für Frauen im Juni 2018. Einige Wochen zuvor seien aber viele der bekanntesten Befürworterinnen und Befürworter festgenommen und inhaftiert worden. Einige von ihnen seien gefoltert, misshandelt oder in Einzelhaft gehalten worden, teilte Amnesty International mit.