Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel trifft heute Nachmittag die weißrussische Oppositionelle Swetlana Tichanowskaja zu einem persönlichen Gespräch. Die Bürgerrechtlerin hofft dabei auf eine Vermittlerrolle Deutschlands im Machtkampf mit dem umstrittenen Staatschef Alexander Lukaschenko.

"Wir möchten, dass Deutschland als eines der mächtigsten Länder der Welt bei Verhandlungen helfen kann", sagte Tichanowskaja in Berlin. "Jeder, der als Vermittler eintreten will, kann uns helfen."

Deutschland habe schon viel unternommen, sagte die Oppositionelle. Sie sei dankbar, dass die EU Sanktionen gegen Personen aus dem Umfeld von Machthaber Lukaschenko verhängt habe. "Das ist ein Sieg, aber es ist ein kleiner Sieg. Die Liste muss erweitert werden", sagte Tichanowskaja.

Am späteren Nachmittag ist zudem ein Treffen mit Vertretern der Grünen in Berlin geplant, unter anderem mit Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt und den Parteivorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck. Auch ein Gespräch Tichanowskajas mit CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt ist angekündigt. Am Mittwoch steht dann ein Treffen mit Außenminister Heiko Maas (SPD) auf dem Programm.

Unterstützung für die weißrussische Opposition

Die Grünen forderten von der deutschen Bundesregierung mehr Unterstützung für die weißrussische Opposition. "Wir wollen, dass Deutschland, ähnlich wie bereits Polen und Litauen, mehr macht, um diesen Menschen vor Ort und im Exil konkret zu helfen", sagte Manuel Sarrazin, osteuropapolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, der "Süddeutschen Zeitung" (Dienstag). In Weißrussland Belarus seien "nicht nur Verhaftungen, Verschleppungen und Folter durch die Behörden des Landes an der Tagesordnung". Das Regime exmatrikuliere auch Studierende, die bei den Protesten teilgenommen haben, bedrohe Familien und Angehörige oder sorge für Probleme am Arbeitsplatz.

Machthaber tritt nicht ab

Tichanowskaja ist eine der Anführerinnen der Demokratiebewegung. Die 38-Jährige war bei der Präsidentenwahl am 9. August gegen Lukaschenko angetreten, der nach 26 Jahren an der Macht den Sieg mit 80 Prozent der Stimmen für sich beansprucht. Die Opposition sieht Tichanowskaja als wahre Siegerin.

Die Demokratiebewegung fordert den Rücktritt des Staatschefs sowie die Freilassung aller politischen Gefangenen und Neuwahlen. Gegen Lukaschenko gibt es in der Hauptstadt Minsk und anderen Städten seit Wochen Proteste.

Tichanowskaja musste nach der Wahl auf Druck der Behörden Belarus verlassen. Seitdem lebt sie im EU-Land Litauen und trifft sich regelmäßig mit EU-Politikern, unter anderem mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron.

Tichanowskaja war bis zur Wahl politisch nicht in Erscheinung getreten. Sie arbeitete früher als Englischlehrerin und ist Mutter von zwei Kindern. Zu ihrer politischen Rolle kam sie, weil ihr Mann Sergej, der in seinem Videoblog regelmäßig Korruption anprangerte, festgenommen wurde. Daraufhin ließ sich die politische Seiteneinsteigerin an seiner Stelle als Kandidatin registrieren und mobilisierte mit Unterstützung anderer Oppositioneller Tausende Menschen. "Ich bin ein einfacher Mensch", sagte Tichanowskaja bei einem Treffen mit Weißrussen in Berlin. "Ich bin eine von euch."

Deutschland erkennt Lukaschenko wie andere EU-Staaten nicht als Staatschef an. Lukaschenko hatte sich aber die finanzielle Unterstützung vom Nachbarn Russland gesichert und sich mit Präsident Wladimir Putin getroffen. Tichanowskaja betonte, dass sie mit Putin sprechen wolle. "Ich will verstehen, warum er Lukaschenko unterstützt."