Zynisch“, „inhuman“ „herzlos“ – das ist nur ein kleiner Auszug aus der langen Liste an zornigen Vorhaltungen, denen sich die ÖVP nach ihrer Weigerung, Flüchtlinge aus dem abgebrannten griechischen Lager Moria aufzunehmen, durch Flüchtlingsorganisationen, Kirchen und Teile der Opposition (SPÖ, Neos) ausgesetzt sieht. Neben Kanzler Sebastian Kurz im Zentrum des Empörungssturms ist diesmal für ihn als Diplomaten durchaus ungewöhnlich Außenminister Alexander Schallenberg, der in der Vorwoche in der ZiB 2 erklärt hatte, das „Geschrei nach Verteilung“ könne nicht die Lösung sein.

Im Gespräch mit der Kleinen Zeitung leistet der Minister für die schroffe Wortwahl jetzt Abbitte: „Wenn ich damit jemandem zu nahe getreten bin oder jemanden gar verletzt habe, stehe ich nicht an, mich dafür zu entschuldigen. Das war nicht meine Absicht, jeder, der mich kennt, weiß das. Ich begegne den Menschen respektvoll und auf Augenhöhe.“

Das Schicksal der Flüchtlinge auf Lesbos ließe ihn keineswegs kalt: „Ich bin nicht hartherzig. Die Kinder aus Moria rühren mich genauso wie jeden anderen, zumal ich selber vier Kinder habe. Die Zustände dort sind erschreckend“, sagt Schallenberg. „Österreich hilft selbstverständlich. Die Frage ist nur: Gibt es lediglich eine einzige Art der Hilfe und alle anderen sind unzulässig?“ Wer das behaupte, liege nicht richtig. „Wir haben über das Wochenende ein großes Paket geschnürt und noch einmal 25 Millionen in die Hand genommen. Nicht nur für Griechenland, sondern für eine ganze Reihe von Brandherden, darunter den Libanon, Libyen und Jordanien. Ich bin froh, dass wir in Moria zudem Unterkünfte für 2000 Menschen zur Verfügung stellen können“, so Schallenberg. „Uns mangelnde Solidarität vorzuwerfen, geht ins Leere. Wir sind über die Maßen solidarisch.“ Österreich habe in den vergangenen fünf Jahren pro Kopf mehr als doppelt so viele Flüchtlinge aufgenommen wie der EU-Schnitt, rechnet der Minister vor.

In der Sache selbst weicht Schallenberg freilich kein Jota vom kategorischen türkisen Nein zur Aufnahme von Flüchtlingen aus Lesbos ab: „Wir sind mit der Situation konfrontiert, dass im Lager absichtlich ein Brand gelegt wurde. Das kann nicht zur Folge haben, dass automatisch alle Bewohner auf Europa verteilt werden.“

Heißt das, dass Schallenberg es für einen Fehler hält, wenn andere EU-Länder, allen voran Deutschland, Kinder und Jugendliche aus Moria aufnehmen? – Wie jeder Staat Hilfe leisten wolle, sei letztlich dessen eigene souveräne Entscheidung, „wichtig ist, dass Hilfe geleistet wird“, sagt der Außenminister, vergisst aber nicht, darauf hinzuweisen, dass die zehn aufnahmewilligen Staaten in der EU in der Minderheit sind.

Soforthilfe und rasche Asylverfahren

Doch wie lässt sich aus der Sicht von Österreichs Chefdiplomaten die Misere der 13.000 Migranten auf Lesbos lösen? Schallenberg: „Das Wichtigste ist jetzt, dass man Soforthilfe leistet, dass die Leute wieder ein Dach über dem Kopf haben und sauberes Wasser und dass sie versorgt werden. In weiterer Folge bedarf es möglichst rascher, rechtsstaatlicher Verfahren. Denn wir sind ein Kontinent des Rechtsstaates. Und das dürfen wir nicht leichtfertig über Bord werfen.“

Wie vertrage sich dieser hohe Anspruch mit dem Umstand, dass viele Migranten in Lesbos seit Jahren auf ihre Asylverfahren warten? „Das ist ein wunder Punkt“, räumt Schallenberg ein. „Das darf eigentlich nicht sein. Das muss schneller gehen. Vielleicht braucht Griechenland da noch mehr Unterstützung.“ Zugleich dürfe man nicht außer Acht lassen, dass viele Neuankömmlinge keine Flüchtlinge im Sinn der Genfer Konvention, sondern Wirtschaftsflüchtlinge seien. „Derzeit schaffen es nur die nach Europa, die fit sind und die finanziellen Mittel haben.“ Schallenberg: „Da müssen wir im Sinne der wirklich Schutzbedürftigen klare Linien ziehen. Und das ist genau das Problem: Wir werden so lange nicht sine ira et studio über die legalen Wege reden können, solange man sich den Zugang in die EU erpressen kann. Das ist die Crux, die wir auflösen müssen. Momentan wird das alles verwischt.“