Angesichts des Machtkampfes in Weißrussland hält das Nachbarland Russland eigene Sicherheitskräfte in Reserve. Das sei auf Bitten von Präsident Alexander Lukaschenko erfolgt, sagte Kremlchef Wladimir Putin am Donnerstag dem Sender Rossija 1. "Und ich habe das getan." Lukaschenko warf dem Westen einen "hybriden Krieg" gegen sein Land vor.

Er sei sich mit seinem Kollegen in Minsk einig gewesen, dass es einen russischen Einsatz nur unter bestimmten Voraussetzungen gebe - "wenn die Situation außer Kontrolle gerät und extremistische Elemente, die sich hinter politischen Parolen verstecken, bestimmte Grenzen überschreiten", sagte Putin und listete als Beispiele Raubüberfälle, in Brand gesteckte Autos oder Bankraube. "In einem Gespräch (...) kamen wir zu dem Schluss, dass es einen solchen Bedarf nicht gibt", meinte der Kremlchef. "Und ich hoffe, dass es auch nicht soweit kommen wird."

"Wir gehen davon aus, dass alle bestehenden Probleme, die es heute in Weißrussland gibt, friedlich gelöst werden", sagte Putin in dem Interview. Wenn es Verstöße gegeben habe - auf Seiten der Demonstranten und der Sicherheitskräfte - müssten alle zur Rechenschaft gezogen werden. Zugleich warf er dem Westen eine unzulässige Einmischung in die Angelegenheiten des unabhängigen Landes vor.

Westliche Staaten haben Russland mehrfach vor einem militärischen Eingreifen in Weißrussland gewarnt. Die Regierung in Moskau dagegen forderte westliche Staaten auf, sich nicht in der ehemaligen Sowjetrepublik einzumischen.

"Gegen Weißrussland hat ein diplomatischer Kampf auf allerhöchster Stufe begonnen", sagte Lukaschenko am Donnerstag in einer vom Staatsfernsehen übertragenen Sitzung mit demonstrativ nickenden Staatsbeamten. Es werde auf Neuwahlen bestanden und damit auf unzulässige Weise Druck auf das Land ausgeübt, sagte Lukaschenko, der meinte, er werde mit den Straßenprotesten fertig - egal, wie sehr seine Gegner versuchten, die Lage im Land zu destabilisieren.

Unterdessen gehen Sicherheitskräfte weiter gegen unabhängige Medien vor - etwa mit Razzien. Zudem hat die Präsenz von Uniformierten auf den Straßen etwa in der Hauptstadt Minsk deutlich zugenommen. So sollen neue Proteste gegen Lukaschenko unterbunden werden. Dutzende Menschen sind zuletzt festgenommen worden. Gezielt geht der Machtapparat auch gegen die Anführer der Opposition und die Streikführer in den Betrieben vor.

Die EU-Außenminister berieten auf einen informellen Treffen in Berlin über die Lage in Weißrussland. Die EU muss nach Ansicht des deutschen Außenministers Maas prüfen, ob die ins Auge gefassten Sanktionen für Weißrussland ausreichen. Es habe sich gezeigt, dass die bisher angekündigten Sanktionen gegen Verantwortliche von Wahlfälschung und Brutalität gegen Demonstranten das Verhalten der Führung in Minsk nicht geändert hätten, sagte Maas. "Deshalb wird es darum gehen, ob wir erneut noch einmal möglicherweise nachlegen müssen, um den Druck auf Weißrussland und Lukaschenko zu erhöhen." Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell betonte aber, dass bei dem informellen Treffen der EU-Außenminister keine Beschlüsse gefasst würden. Bisher plant die EU Reiseeinschränkungen und die Beschlagnahme von Konten von 15 bis 20 Personen in Weißrussland.

Mit Estland verhängte unterdessen nach Litauen und Lettland auch der dritte Baltenstaat unabhängig von der EU Sanktionen gegen die autoritäre Führung in Weißrussland. Die Regierung des EU-Landes in Tallinn brachte am Donnerstag Einreiseverbote gegen Personen auf den Weg, die an Wahlfälschungen und Repressionen gegen Regierungsgegner beteiligt gewesen sein sollen.