Donald Trump erinnert dieser Tage gerne daran, wie er 2016 alle überraschte. Wie er als Außenseiter die US-Präsidentschaftswahl gegen die Demokratin Hillary Clinton gewann, allen Umfragen zum Trotz. Dieses Jahr, so die Botschaft des Republikaners, wird es wieder so laufen: Auch wenn Meinungsforscher seinen Herausforderer Joe Biden als Favoriten sehen, gibt sich Trump zehn Wochen vor der Wahl siegessicher.

Und tatsächlich ist ein erneuter Triumph des Rechtspopulisten, der am Donnerstag beim Republikaner-Parteitag seine Nominierungsrede halten wird, alles andere als ausgeschlossen. Auch wenn vieles gegen ihn spricht, darunter die starke Ausbreitung des Coronavirus in den USA: Mehr als 178.000 Menschen sind bereits im Land an der Infektion gestorben, mehr als in jedem anderen Staat der Welt. Und die Gesundheitskrise hat die USA in eine beispiellose Wirtschaftskrise gestürzt.

Umschwung in der Bevölkerung

Unterdessen hat der Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz im Mai in der Bevölkerung zu einem neuen Bewusstsein für Rassismus und Diskriminierung geführt, während Trump weiter auf rechte Parolen setzt. All das - und die beispiellose Anhäufung von Skandalen in Trumps Amtszeit - hat viele moderate Wähler vergrault.

Auch die Zahlen sprechen gegen Trump: Im Umfrageschnitt liegt der Amtsinhaber bei rund 43 Prozent, sein Rivale Biden von den oppositionellen Demokraten bei 51 Prozent. Doch solche landesweiten Umfragen sind trügerisch: In den USA wird der Präsident nicht von der Mehrheit der Bevölkerung gewählt, sondern indirekt durch Wahlleute. Und diese werden in fast in allen US-Staaten nicht proportional zum Wahlergebnis vergeben, sondern allesamt dem Kandidaten mit den meisten Stimmen im jeweiligen Staat zugeschlagen.

Erinnerung an Wahlkampf gegen Clinton

Das führte dazu, dass Clinton 2016 landesweit rund drei Millionen Wählerstimmen mehr gewann als Trump, dieser aber eine klare Mehrheit der Wahlleute erobern konnte. Entscheidend wird sein, wie die Kandidaten am 3. November in besonders umkämpften Schlüsselstaaten wie Michigan, Pennsylvania und Wisconsin abschneiden.

Auch dort liegt Biden allerdings derzeit vorn. Das Magazin "Economist" schätzt in einem täglich aktualisierten Modell, dass der Demokrat dem Amtsinhaber mit 353 zu 185 Wahlmännern eine verheerende Niederlage zufügen könnte.

Doch Trump hat seine Kämpferqualitäten immer wieder unter Beweis gestellt, wenn er in Bedrängnis geriet. Der 74-Jährige setzt unter anderem darauf, dass viele Wähler ihm eine große Wirtschaftskompetenz zusprechen. Seit Monaten schon wiederholt der einstige Immobilienmogul gebetsmühlenartig, er habe die "größte Wirtschaft der Geschichte" aufgebaut, dann habe das "China-Virus" die USA getroffen, und jetzt werde er die Wirtschaft wieder neu aufbauen.

Anti-Kampagne gegen die Demokraten

Zugleich fährt der Republikaner inmitten der Anti-Rassismus-Proteste eine mit vielen Falschbehauptungen gespickte Angst-Kampagne gegen die Demokraten: Unter Biden werde das Land in Gewalt und Anarchie versinken, warnt der selbsternannte "Präsident von Recht und Ordnung". Und fügt hinzu, dass der "schläfrige Joe" ohnehin altersschwach sei und eine "Marionette der radikalen Linken".

Solche rabiaten Wahlkampfmethoden können durchaus Wirkung zeigen. Und Biden selbst ist bekannt dafür, gerne in Fettnäpfchen zu treten und sich mit Versprechern oder unüberlegten Äußerungen selbst in Bedrängnis zu bringen. Bisher hat der 77-Jährige sich kaum kritischen Interviews gestellt - und im Herbst stehen drei TV-Debatten mit Trump bevor, in die der Amtsinhaber große Hoffnungen setzt.

Der Historiker Allan Lichtman, der mit einer selbstentwickelten Prognosemethode alle Präsidentschaftswahlen seit 1984 einschließlich 2016 richtig vorausgesagt hat, erwartet trotzdem einen Sieg Bidens. "Ein Blitz aus heiterem Himmel ist immer möglich, aber er hat noch nie eine Prognose verändert." Der Politikwissenschaftler David Barker drückt sich etwas vorsichtiger aus: Es gebe für Trump durchaus einen Pfad zum Sieg - der sei aber "schmal".