Die US-Demokraten haben Joe Biden offiziell als ihren Kandidaten im Rennen um das Weiße Haus nominiert. Der ehemalige US-Vizepräsident erhielt bei dem weitgehend virtuell veranstalteten Parteitag wie erwartet die dafür notwendige Zahl an Delegiertenstimmen. Er tritt damit bei der Wahl am 3. November gegen US-Präsident Donald Trump an. "Es bedeutet die Welt für mich und meine Familie", sagte Biden. "Danke, danke, danke." Der 77-Jährige wird sich zum Abschluss des Parteitags am Donnerstag in Wilmington im US-Bundesstaat Delaware äußern und seine Nominierung formell annehmen.

Die Nominierung beim Parteitag war eine Formalie: Biden hatte sich im Vorwahlrennen der Demokraten gegen die anderen Präsidentschaftsbewerber durchgesetzt. Als letzter Rivale warf Senator Bernie Sanders im April das Handtuch. Die Linken-Ikone stellte sich bei dem Parteitag dennoch zur Wahl. Amtsinhaber Trump soll kommende Woche bei dem Parteitag der Republikaner offiziell zum Kandidaten gekürt werden.

Überbrückung der Gräben

Die Ehefrau des designierten Präsidentschaftskandidaten der Demokraten Joe Biden, Jill Biden, hat zur Überbrückung der Gräben in den USA aufgerufen. "Es gibt diejenigen, die uns sagen wollen, dass unser Land hoffnungslos gespalten ist, dass unsere Differenzen unvereinbar sind", sagte Jill Biden (69) in einem Beitrag zum weitgehend virtuell abgehaltenen Parteitag der Demokraten in Milwaukee (Wisconsin). "Aber das ist nicht, was ich in diesen Monaten gesehen habe."

Corona hat das Programm verändert

Die Corona-Pandemie hat die Planungen der Demokraten für den Parteitag auf den Kopf gestellt. Ursprünglich war das Treffen in einer großen Halle in Milwaukee (Wisconsin) geplant - in Anwesenheit von Zehntausenden Gästen. Das viertägige traditionelle Mega-Event wurde auf täglich zwei Stunden Programm reduziert, das bei vielen Fernsehsendern und online übertragen wird. Nur wenige Vertreter der Demokraten befinden sich am ursprünglichen Veranstaltungsort.

Während der Abstimmung zur Nominierung verkünden Vertreter der Staaten und Gebiete der USA typischerweise die Verteilung der Delegiertenstimmen - und nutzen den Auftritt für politische Forderungen oder Preisungen ihrer Heimat. Dieses Jahr lief das Prozedere in komprimierter Form ab - Videos aus den einzelnen Teilen des Landes erinnerten an die Punktevergabe beim Eurovision Song Contest. Die Redebeiträge von Politikern, Aktivisten oder Arbeitern drehten sich um Bidens Pläne für die Wirtschaft und Erfahrungen während der Corona-Pandemie - Kritik an Trump gab es auch.

Biden will das Land einen

Biden verspricht, das Land als Präsident zu einen. Er will aus der Corona-Pandemie führen und die Wirtschaft wieder aufbauen, die durch die Krise erheblichen Schaden genommen hat. Zudem verspricht er, sich für mehr Gerechtigkeit einzusetzen und gegen systematischen Rassismus einzutreten.

Der 77-Jährige war acht Jahre lang Vizepräsident unter Barack Obama. In die Wahl ziehen will er mit der kalifornischen Senatorin Kamala Harris, die im Fall eines Sieges die erste schwarze Vizepräsidentin der USA wäre. Harris soll am Mittwoch nominiert werden und anschließend ihre Nominierungsrede halten. Biden hatte zahlreiche Frauen als "Running Mate" in Betracht gezogen. Während der landesweiten Debatte über Rassismus und Polizeigewalt war der Druck auf ihn gestiegen, sich für eine nicht-weiße Frau zu entscheiden.

In den Umfragen noch vorne

Biden liegt in landesweiten Umfragen vor Präsident Trump. Die Erhebungen haben allerdings wegen des komplizierten Wahlsystems nur begrenzte Aussagekraft. Biden ist bisher gut mit einem zurückhaltenden Wahlkampf gefahren, mit dem er der Pandemie Rechnung getragen hat. Die Demokraten unterstreichen damit ihre Botschaft, einen verantwortungsvollen Kandidaten ins Rennen ums Weiße Haus zu schicken. Wegen Trumps treuer Basis sind sie auf eine breite Koalition an Unterstützern angewiesen, von enttäuschten Trump-Wählern bis hin zu den Parteilinken. Die Hoffnung ist, dass der moderate Biden diese hinter sich vereinen kann.

Bill Clinton
Bill Clinton © (c) AP

Klar hinter Biden stehen zwei frühere US-Präsidenten - Jimmy Carter und Bill Clinton. "Joe hat die Erfahrung, die Charakterstärke und die Anständigkeit, uns zusammenzuführen und Amerikas Großartigkeit wieder herzustellen", sagte Carter in einer am Dienstagabend ausgestrahlten Audiobotschaft anlässlich des Parteitags. "Wir verdienen jemanden mit Integrität und Urteilsvermögen, jemanden, der ehrlich und fair ist, jemanden, der dem verpflichtet ist, was das Beste für die Amerikaner ist."

Bill Clinton übt Kritik an Trump

Bill Clinton übte scharfe Kritik an Trump. "In Zeiten wie diesen sollte das Oval Office eine Kommandozentrale sein. Stattdessen ist es ein Unruheherd", sagte Clinton in einer Videoansprache. "Es herrscht nur Chaos. Nur eine Sache ändert sich nie: Seine Entschlossenheit, Verantwortung abzustreiten und die Schuld abzuwälzen."

Jimmy und Rosalynn Carter
Jimmy und Rosalynn Carter © (c) AP

Wer einen Präsidenten wolle, der "seinen Job darin definiert, jeden Tag stundenlang Fernsehen zu schauen und Leute in den sozialen Medien fertigzumachen", der müsse für Trump stimmen. Biden dagegen habe eine Mission, sagte Clinton.

"Verantwortung übernehmen, nicht Schuld abwälzen; sich konzentrieren, nicht ablenken; vereinen, nicht spalten." Biden sei "bodenständig" und erledige seine Arbeit. Carter war von 1977 bis 1981 US-Präsident, Clinton von 1993 bis 2001.