Die Türkei will im Streit mit Griechenland um Gebietsansprüche im östlichen Mittelmeer nicht nachgeben. "Wir werden uns niemals Banditentum auf unserer Kontinentalplatte beugen", sagte Präsident Recep Tayyip Erdogan am Samstag. Sein Land werde nicht klein beigeben, auch nicht angesichts von Drohungen oder möglicher Sanktionen.

Das türkische Forschungsschiff "Oruc Reis", das derzeit im Mittelmeer nach Öl- und Gasvorkommen sucht, werde seine Arbeit bis zum 23. August fortsetzen. Zwischen den NATO-Mitgliedern Griechenland und der Türkei gibt es massive Spannungen. Grund sind sich überschneidende Ansprüche auf Seegebiete im östlichen Mittelmeer, in denen Öl- und Gasvorkommen vermutet werden.

EU sagt Griechenland "volle Solidarität" zu

Im Konflikt um die Wirtschaftszonen im östlichen Mittelmeer haben die Außenminister der Europäischen Union am Freitag Griechenland ihre „volle Solidarität“ ausgesprochen und die Türkei aufgerufen, an einer Entspannung der Situation mitzuwirken und einen Dialog über die Beilegung der Streitfragen aufzunehmen. Das teilte der EU-Außenbeauftragte Josep Borell am Freitagabend nach dem Ende der Videokonferenz der 27 Minister über Twitter mit.

Der griechische Außenminister Nikos Dendias sagte - der sich am Freitag in Wien auch Unterstützung von US-Außenminister Mike Pompeo holte -  die EU-Kommission arbeite an einem Katalog von Sanktionen gegen die Türkei. Über die Maßnahmen könne beim nächsten EU-Außenministertreffen in Berlin Ende August entschieden werden, sagte Dendias. „Wir brauchen ein Instrumentarium, um die Türkei auf den Weg der Legalität und des internationalen Rechts zurückzubringen“, erklärte der griechische Außenminister.

In dem Konflikt hatten sich die Fronten zuletzt verhärtet. Das türkische Forschungsschiff „Oruc Reis“ setzte am Freitag ungeachtet der Proteste Griechenlands seine Suche nach Erdgasvorkommen südlich der griechischen Insel Kastelorizo fort - in einem Gebiet, das nach Athens Lesart zu Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) Griechenlands gehört. Das türkische Forschungsschiff wird von starken Verbänden der türkischen Kriegsmarine eskortiert. Auch Griechenland hat große Teile seiner Flotte ins östliche Mittelmeer geschickt.

Brenzlig

Wie brenzlig die Situation ist, zeigte ein Zwischenfall vom Mittwoch: Die türkische Fregatte „Kemal Reis“ kollidierte mit der griechischen Fregatte „Limnos“. Nach griechischer Darstellung war der Zusammenstoß auf einen Fehler des türkischen Schiffsführers zurückzuführen. Die „Kemal Reis“ sei am Heck schwer demoliert worden, die „Limnos“ hingegen unbeschädigt geblieben, heißt es in griechischen Militärkreisen. Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan gab eine andere Darstellung: Danach habe die griechische Marine versucht, das türkische Forschungsschiff „Oruc Reis“ anzugreifen, sei aber von den türkischen Begleitschiffen daran gehindert worden. Die Griechen hätten „eine erste Antwort bekommen“, sagte Erdogan. Der türkische Staatschef warnte am Freitag Griechenland vor „Provokationen“ und drohte mit „Vergeltung“.

Der griechisch-türkische Streit um die Wirtschaftszonen schwelt seit Jahrzehnten. Griechenland beansprucht unter Berufung auf Artikel 121 Absatz 2 der Seerechtskonvention der Vereinten Nationen für jede seiner Inseln eine eigene AWZ. Die EU und die USA teilen Griechenlands Auslegung.Nach Auffassung der Türkei, die das UN-Abkommen nicht anerkennt, haben Inseln überhaupt keine eigene Wirtschaftszone jenseits ihrer Hoheitsgewässer.

Athen setzt in dem Konflikt auf eine diplomatische Offensive. Außenminister Dendias traf am Freitag nach der EU-Konferenz seinen amerikanischen Amtskollegen Mike Pompeo, der sich im Rahmen seiner Mitteleuropa-Reise in der österreichischen Hauptstadt aufhielt. Dendias habe die USA gebeten, sich militärisch stärker im östlichen Mittelmeer zu engagieren, heißt es in diplomatischen Kreisen. Dendias unterstrich, Griechenland sei zu Verhandlungen mit der Türkei bereit, aber nicht „unter dem Druck von Erpressungen“. Am Donnerstag hatte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel erneut in den Konflikt eingeschaltet: Sie telefonierte mit dem türkischen Staatschef Erdogan und dem griechischen Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis.

Macron auf Griechenlands Seite

Einen wichtigen Verbündeten hat Griechenland in Frankreich. Präsident Emmanuel Macron forderte die Türkei auf, ihre „eigenmächtigen Explorationen“ im östlichen Mittelmeer zu beenden. Macron kündigte an, Frankreich werde seine Militärpräsenz in der Region verstärken, „um die Situation in der Region zu beobachten und seine Entschlossenheit zu unterstreichen, das Völkerrecht zu verteidigen“. Mitsotakis dankte Frankreich für seine Unterstützung. Auf Twitter nannte er Macron „einen echten Freund Griechenlands“ und „leidenschaftlichen Verfechter europäischer Werte“. Die Krise im östlichen Mittelmeer dürfte auch zu den Themen gehören, die Merkel und Macron kommende Woche diskutieren: Die Kanzlerin besucht den französischen Präsidenten am Donnerstag in seiner Sommerresidenz Fort de Brégançon an der französischen Mittelmeerküste.