Tom Fords „A Single Man“ wollten nur 4,7 Prozent sehen, Robert Altmans „Drei Frauen“ dagegen 71 Prozent. Unabhängige Meinungsumfragen sind im Wahlkampf in Weißrussland verboten. Aber das Nachrichtenportal „tut.by“ wusste sich zu helfen. Es organisierte diese Woche im Internet die Umfrage: „Welcher Film interessiert Sie mehr?“

Die Weißrussen wussten, wer gemeint war: Der „Single Man“ ist Präsident Alexander Lukaschenko, die „Drei Frauen“ sind Swetlana Tichanowskaja, die letzte demokratische Gegenkandidatin, und ihre ständigen Begleiterinnen Weronika Zepkalo und Maria Kolesnikowa.

In Weißrussland endet heute ein Wahlkampf, dessen unfreiwillige Helden Frauen sind. Lukaschenko, 65, Herrscher seit 26 Jahren, könnte tatsächlich einem Frauentrio unterliegen, das ein einziges, tollkühn anmutendes, Ziel predigt: Neuwahlen – und zwar ohne Lukaschenko.

Swetlana Tichanowskaja, 37, ist die Gattin des Bloggers Sergei Tichanowski, der Ende Mai als erster Gegenkandidat verhaftet wurde.
Die ehemalige Musiklehrerin Maria Kolesnikowa, 38, leitete den Wahlkampfstab Viktors Babarikos, der Bankier landete als zweiter Herausforderer im Juni hinter Gittern.

Weronika Zepkalo ist die Frau des IT-Managers Waleri Zepkalo, des letzten Oppositionskandidaten. Er wurde disqualifiziert, floh nach Moskau mit den beiden Söhnen, weil die Behörden drauf und dran waren, dem Ehepaar das Sorgerecht für ihre Kinder zu entziehen. Aus dem gleichen Grund sind auch Tichanowskajas Kinder im Ausland. Sie aber kandidiert anstelle ihres Mannes, flankiert von denbeiden anderen Frauen.

Chancenlos

Politologen erklärten anfangs die drei wären chancenlos, die Gegenseite werde sie mit Fragen zu Wirtschafts-, Finanz- und Außenpolitik als blutige Laien bloßstellen. Aber die Wahlkämpferin Swetlana Tichanowskaja vermied alle Detaildiskussionen. „Ich brauche keine Macht“, rief sie in Bobruisk. „Ich brauche meinen Mann und meine Kinder, ich möchte wieder Koteletts braten“. Sie wird auch für solche Sprüche bejubelt. Sie wirkt einfach, aber entschlossen und trägt schlichte weiße Hemden, wie sie auch ihre freiwilligen Leibwächter tragen. „Swetlanas einzige Aufgabe ist es, faire Neuwahlen zu erzwingen“, erklärte der nach Moskau geflohene Waleri Zepkalo der Kleinen Zeitung. „Sie ist die weißrussische Jeanne d’Arc, unser Banner.“

Am Freitag fluteten Tichanowskajas Fans ein staatlich organisiertes Konzert für Lukaschenko, und die Tontechniker legten das russische Lied „Veränderungen“ auf, das als Revolutionshymne gilt. Die Tontechniker wurden daraufhin festgenommen. Immer mehr Beobachter glauben, Lukaschenko könne seine Macht einzig mit Repressalien retten. Gestern ließ er erneut die Wahlkampfleiterin von Swetlana Tichanowskaja verhaften. Sie wurde mitten auf der Straße von Polizisten festgenommen. Maria Moros werde voraussichtlich bis Montag festgehalten.