Was genau sie in Weißrussland vorhatten, darüber streiten Alexander Lukaschenko und der Kreml in Moskau vor laufenden Kameras. Am Mittwoch waren 33 Männer, die den Behörden in Minsk zufolge der privaten russischen Söldnergruppe „Wagner“ angehören, in ihrer Unterkunft in Weißrussland festgenommen worden. Nach Darstellung des Kreml sollen sie nur auf der Durchreise gewesen sein. „Es ist klar, dass diese Gruppe andere Ziele hatte“, sagt dagegen Lukaschenko, der davon ausgeht, die Truppe hätte vor der Präsidentschaftswahl am Sonntag in seinem Land Unruhe stiften sollen.

Vorposten stürmen

Die „Wagner“-Gruppe selbst ist kamerascheu – und doch seit der Ukraine-Krise immer wieder in den Schlagzeilen. Gelegentlich plaudert einer von ihnen etwas über ihren Alltag aus. Wenn sie im Donbas einen gegnerischen Vorposten stürmten, hätten sie vorher in die Luft geschossen, um den Ukrainern Gelegenheit zum Rückzug zu geben. „Sie taten uns leid“, sagt Alexei dem Nachrichtenportal „http://ura.ru“ , „das ist ja unser slawisches Blut.“ In Syrien aber hätten er und seine Kameraden es mit Söldnern aus Libyen oder dem Sudan zu tun bekommen. „Terroristen mit einer fremden, aggressiven Ideologie. Besser sie dort platt machen, ehe sie in Russland auftauchen.“

60.000 Dollar für jeden Toten

Alexei, Berufsoffizier a. D. und Geschäftsmann, besteht darauf, dass er kein Söldner ist, sondern Freiwilliger. Obwohl er für einen Monatssold von umgerechnet 2000 bis 4000 Euro in Syrien gekämpft hat, vorher im Donbas. Er diente in der „Privaten Militärfirma Wagner“, die offiziell gar nicht existiert, deren jährlichen Unterhalt das Wirtschaftsportal RBK aber auf umgerechnet mindestens 60 Millionen Dollar schätzt – inklusive der 60.000 Dollar-Entschädigungen, die die Firma für jeden Toten zahlte. Angesichts geheimer Posten im Staatshaushalt bleibt offen, was davon der Fiskus begleicht. Jedenfalls sind die in Russland offiziell verbotenen Söldner keine teuren Krieger, „Helden unserer Zeit“, schwärmt Sergei Minajew, Chef des russischen Männermagazins Esquire.

Profis mit Spezialausbildung


Bei ihren ersten Einsätzen im ukrainischen Donbas fiel die Gruppe Wagner wenig auf. Scheinbar einer von vielen mit Russen gespickten Freiwilligentrupps, der sich nach dem Codenamen seines Kommandeurs nannte - Dmitri Utkin, Exoffizier des Militärgeheimdienstes GRU, hat nach Presseberichten ein Faible für Richard Wagner und das Dritte Reich.
Wie ein anderer Wagner-Kämpfer, ein russischer Fallschirmjägerhauptmann a.D. mit dem Codenamen „Omen“ dem weißrussischen TV-Kanal Belsat sagte, war die Truppe von Anfang an kein Kanonenfutter, sondern bestand aus Profis mit Spezialausbildung und Kampferfahrung. Aber offenbar erledigte Wagner schon damals riskante Aufgaben an vorderster Front, verlor laut „Omen“ in der Kesselschlacht von Debalzewo Anfang 2015 etwa 40 Leute.

Hilfe für Assad

Berühmt wurde Russlands „Fremdenlegion“, wo auch Weißrussen, Moldawier oder Serben dienen, in Syrien. Offiziell setzt Moskau dort außer Militärberatern und –polizisten fast nur Luftwaffe ein. Aber die syrischen Bodentruppen zeigten sich immer wieder unfähig, die von ihr bombardierten Positionen zu erobern. Wagner wurde zur Sturmtruppe des Syrienkrieges, soll unter blutigen Verlusten Aleppo und zweimal Palmyra freigekämpft haben, die Presse zählt hunderte Gefallene.

Ende 2016 durften Utkin und mehrere seiner Kommandeure bei einem Empfang mit Wladimir Putin posieren, sie trugen hohe Orden. Später machte Wagner in Libyen Schlagzeilen. Ab 2018 unterstützten dort laut einem UN-Bericht 1200 russische Söldner den als kremlnahe geltenden Bürgerkriegskommandeur Chalifa Haftar.
Der Kreml aber leugnet weiter jede Verbindung mit der Privatarmee, ebenso der Petersburger Geschäftsmann Jewgeni Prigoschin, den viele Medien als ihren Inhaber bezeichnen.

Prigoschin soll die Kämpfer auch gezielt für seine Geschäftszwecke einsetzen. Sie bilden im Sudan Bürgerkriegskämpfer aus oder behüten in der Zentralafrikanischen Republik Goldminen. „Ich sehe nicht, welche realen Interessen Russland dort besitzen sollte“, sagt der Moskauer Militärpolitologe Alexander Golz gegenüber der „Kleinen Zeitung“. „In gewisser Weise haben wir es mit einer Neuauflage der Britischen Ostindien-Kompanie zu tun. Da mischten sich private Wirtschaftsinteressen auch gründlich mit den militärischen Zielen Großbritanniens.“