Die Amerikaner erzählen sich gern folgenden Witz: "Es gab einmal zwei kleine Kinder, die von zu Hause fortliefen und von denen nie wieder jemand hörte: Der eine wurde Seemann, der andere Vizepräsident."

Und vom zweiten Präsidenten der Vereinigten Staaten, John Adams, stammt das Bonmot, die Vizepräsidentschaft der USA sei "das unwichtigste Amt, das menschliche Erfindungskraft je geschaffen und menschliche Phantasie sich je vorzustellen vermocht hat."

Dennoch: Das Amt ist auch heute noch sehr begehrt.

Der designierte Präsidentschaftskandidat der US-Demokraten, Joe Biden, erklärte jetzt bei einem Wahlkampfauftritt in Delaware, er werde Anfang August seine Stellvertreterin für den Fall eines Wahlsiegs auswählen.Besonders gute Chancen werden inzwischen den US-Senatorinnen Kamala Harris und Elizabeth Warren gegeben, die sich wie Biden um die Präsidentschaftskandidatur beworben hatten.

Der Wahl der Vize-Kandidatin kommt schon alleine wegen Bidens hohen Alters eine große Bedeutung zu: Er feiert kurz nach der Wahl seinen 78. Geburtstag. Es wird erwartet, dass er nur für eine Amtszeit zur Verfügung steht. Biden war selbst Vizepräsident unter US-Präsident Barack Obama.

US-Präsident Donald Trump will erneut mit seinem bisherigen Vize Mike Pence in die Wahl ziehen.

Die Liste der Top-Anwärterinnen, die Joe Biden zur Seite stehen könnten, hat sich indes auf einige wenige reduziert:

Kamala Harris

Womöglich die erste Vizepräsidentin der USA
Die kalifornische Senatorin dürfte mit Joe Biden ins Rennen gehen.

"Amerikanische Senatorin. Ehefrau, Momala, Tante. Kämpft immer noch für die Menschen“, steht auf ihrem Twitter-Account. Kamala Harris, die ehemalige Generalstaatsanwältin von Kalifornien, hat gute Chancen, Vize des designierten Präsidentschaftskandidaten der US-Demokraten, Joe Biden, zu werden. Anfang August werde der 78-Jährige seine Stellvertreterin bekannt geben, sagte er jetzt bei einem Wahlkampfauftritt in Delaware. Biden hatte bereits im März erklärt, eine Frau zur Vizepräsidentin machen zu wollen, sollte er gewählt werden. Warum eine Frau? Der Wählerinnenanteil wächst seit Jahrzehnten, schon in der vergangenen Wahl gaben zehn Millionen mehr Frauen ihre Stimme ab als Männer. Frauen sind eine wichtige Basis der demokratischen Partei.

Kamala Harris hatte sich zunächst selbst für die demokratische Präsidentschaftskandidatur beworben, stieg aber aufgrund niedriger Umfragewerte aus dem Rennen aus und unterstützt seitdem Biden. Die kalifornische Senatorin zählt zum moderaten Flügel der Demokraten, wenngleich Politologen wie etwa Tom Hogen-Esch sagen, aufgrund ihrer Einstellung zu Bürgerrechten, staatlicher Regulierung, Waffengesetzen und Einwanderung tendiere sie eher zum linken Flügel. Ihre Mutter, eine Wissenschafterin, hatte indische Wurzeln, ihr Vater jamaikanische. Nach ihrem Wirtschafts- und Politikwissenschaftsstudium an der Howard University in Washington machte Kamala Harris auch noch das Doktoratsstudium in Jus an der University of California und legte eine steile Karriere als Juristin hin. Seit 2014 ist sie mit dem Juristen Douglas Emhoff verheiratet, der zwei Kinder aus einer früheren Ehe hat. US-Präsident Barack Obama zog sich in seiner Amtszeit den Vorwurf des Sexismus von Kommentatoren zu, als er Kamala Harris bei einer Veranstaltung nicht nur eine „brillante und zähe“ Juristin nannte, sondern sie auch als „schönste Generalstaatsanwältin“ bezeichnete. Harris trug’s mit Fassung.

Kamala Harris
Kamala Harris © APA/AFP/JIM WATSON

Elizabeth Warren

Die Senatorin, die Trump
spöttisch „Pocahontas“ nennt
Die Senatorin aus Massachusetts, die einmal Republikanerin war, zählt heute zum linken Flügel der Demokraten.

„Kann Elizabeth Warren Vizepräsidentin sein im Zeitalter von ,Black Lives Matter’?“ fragte kürzlich der Boston Herald auf seiner Titelseite. Die 71-jährige Senatorin aus Massachusetts war zunächst ins Rennen um die Präsidentschaftskandidatur ihrer Partei eingestiegen, hatte über längere Zeit auch weit vorne gelegen, doch als sie schließlich bei den Vorwahlen am Super Tuesday im März selbst in ihrer Heimat Massachusetts keinen Erfolg hatte, warf sie das Handtuch und sagte Joe Biden Unterstützung zu. Die führende Progressive unter den US-Demokraten, die in jungen Jahren einmal Republikanerin war, ist inzwischen eine wichtige Beraterin Bidens. Warrens Wahlkampfkampagne lautete „Dream Big. Fight Hard.“ („Träume groß. Kämpfe hart.“) und war von einer Ökonomie geprägt, die ärmere und Mittelstandsamerikaner den reichen vorzog und eine Krankenversicherung für alle forderte. Als Professorin an der Harvard Law School war sie Expertin für Verbraucherinsolvenzen. Seit Warrens Eintritt in die Politik 2012 gibt es Streit über ihre Angabe, indianische Vorfahren zu haben. Donald Trump nennt Warren spöttisch nur „Pocahontas“.

Elizabeth Warren
Elizabeth Warren © APA/AFP/AMANDA SABGA

Susan Rice

Außenpolitisch versiert,
innenpolitisch gut vernetzt
Ex-Außenministerin Madeleine Albright schwärmt von
Obamas ehemaliger Nationaler Sicherheitsberaterin.

Es war die legendäre ehemalige US-Außenministerin Madeleine Albright, eine langjährige Mentorin von Susan Rice und eine Freundin der Familie, die Bill Clinton empfahl, Rice zur Staatssekretärin zu machen. Rice hatte schon in jungen Jahren den Ruf brillant und ambitioniert zu sein. Eines ihrer Steckenpferde war und ist, Afrika in die globale Wirtschaft zu integrieren. Kritiker werfen der mittlerweile 55-Jährigen vor, „autoritär, barsch und unwillig“ zu sein.
Susan Rice studierte in Stanford Geschichte und machte ihren Master und Doktor in Internationalen Beziehungen in Oxford. Im Wahlkampf des Demokraten John Kerry zur Präsidentschaftswahl 2004 war Rice bereits dessen außenpolitische Beraterin. Dieselbe Funktion übte sie in Barack Obamas Präsidentschaftswahlkampf 2008 aus. Die zweifache Mutter war UN-Botschafterin der Vereinigten Staaten und während Barack Obamas zweiter Amtszeit Nationale Sicherheitsberaterin. Sie hat eine führende Rolle bei den Verhandlungen über das Atomabkommen mit dem Iran und beim Pariser Klimaabkommen gespielt. Seit 2018 gehört sie dem Board of Directors bei Netflix an.

Susan Rice
Susan Rice © AP

Val Demings

Gegen Polizeigewalt und Rassismus
Sie war Polizistin, zuletzt Polizeichefin: Die Polizeireform ist ein Gebot der Stunde.

Bevor Val Demings in die Politik wechselte, war sie 27 Jahre lang Polizistin und zuletzt Polizeichefin von Orlando. Die 63-jährige Kongress-Abgeordnete aus Florida erklärte vor Kurzem, sie sei stolz auf die Demonstranten, die derzeit in den USA gegen Rassismus und Polizeigewalt auf die Straße gehen. Die Polizeireform ist in den USA ein Gebot der Stunde, würde Joe Biden Demings zur Vizepräsidentin machen, wäre die Reform in den besten Händen. Val Butler, so ihr Geburtsname, ist eines von sieben Kindern einer armen afroamerikanischen Familie. In ihrer Jugend musste sie noch Schulen besuchen, die nach Rassen getrennt waren. Nach der Highschool studierte sie an der Florida State University Kriminologie und absolvierte die Polizeiakademie. Mit ihrem Mann Jerry Demings, dem Polizeichef im Orange County, hat sie drei Kinder.

Val Demings
Val Demings © AP