In den vergangenen Tagen ist die Sorge, die Lage in den USA könnte sich weiter zuspitzen und militärisch eskalieren, gewachsen. Nun meldeten sich gewichtige Stimmen zu Wort. Der frühere US-Verteidigungsminister James Mattis hat sich hinter die friedlichen Proteste im Land gestellt und Präsident Donald Trump als Spalter kritisiert. Trump sei der erste Präsident, den er erlebe, der sich nicht darum bemühe, das Land zu einen, sondern seit drei Jahren versuche, das Land zu spalten, schrieb Mattis im US-Magazin "The Atlantic".

Trump wirbt seit Tagen für einen Einsatz des Militärs, um Ausschreitungen am Rande der Proteste zu unterbinden. Auf Trumps Befehl hin sind Soldaten in die Hauptstadt Washington verlegt worden.

"Wir sind Zeugen der Konsequenzen von drei Jahren ohne reife Führung", schrieb der pensionierte General. Die Ereignisse dieser Woche hätten ihn "wütend und entsetzt" zurückgelassen, erklärte der 69-Jährige.

Zuvor hatte sich auch der amtierende Verteidigungsminister Mark Esper gegen Trumps Plan eines Einsatzes des US-Militärs gegen die eigenen Bürger gestellt.  Esper sagte am Mittwoch in Washington, er sei dagegen, in dieser Frage ein entsprechendes Gesetz, den "Insurrection Act", zu aktivieren.

Auch alle noch lebenden Präsidenten - Jimmy Carter, Bill Clinton, George W. Bush und Barack Obama - meldeten sich zu Wort und verurteilten Rassismus in klaren Worten.

"Unnötiger Fehler"

Mattis war wegen Meinungsverschiedenheiten mit Trump Anfang 2019 nach zwei Jahren als dessen Verteidigungsminister zurückgetreten, hatte den Präsidenten seither aber nicht öffentlich kritisiert. Mattis bezeichnete nun die von Trump gewünschte Militarisierung der Einsätze gegen die Proteste im ganzen Land nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem Polizeieinsatz als unnötigen Fehler. "Zuhause sollten wir unser Militär nur sehr selten einsetzen, wenn es von Gouverneuren der Bundesstaaten angefordert wird", schrieb Mattis in der am Mittwoch (Ortszeit) veröffentlichten Erklärung. Ein Einsatz der Streitkräfte gegen zivile Proteste drohe, einen Konflikt zwischen Bevölkerung und Militär zu provozieren, warnte er.

"Hinter gemeinsamem Ziel versammeln"

Die anhaltenden Proteste im ganzen Land hätten Zehntausende Bürger friedlich auf die Straßen gebracht und dürften nicht von gewaltsamen Ausschreitungen einiger Gesetzesbrecher überschattet werden, forderte Mattis in dem Schreiben. "Wir müssen uns hinter einem gemeinsamen Ziel versammeln. Und das beginnt mit der Garantie, dass wir alle vor dem Gesetz gleich sind", erklärte Mattis. Bei den Protesten für Sicherheit und Ordnung zu sorgen, sei Aufgabe der örtlichen Sicherheitskräfte.

Mattis fand besonders scharfe Worte für den Vorfall vom Montag, als auf Befehl von Trumps Regierung hin ein friedlicher Protest vor dem Weißen Haus gewaltsam aufgelöst worden war, um es Trump zu ermöglichen, sich vor einer nahen Kirche in Szene zu setzen. Er bezeichnete den Vorfall als "Missbrauch der Regierungsmacht". "Wir müssen das ablehnen und jene Amtsträger zur Rechenschaft ziehen, die unsere Verfassung verhöhnen würden", forderte er.

Er habe sich bisher nicht vorstellen können, dass Soldaten befohlen würde, "die verfassungsmäßigen Rechte ihrer Mitbürger zu verletzen", um dem Oberbefehlshaber einen "bizarren Foto-Auftritt" zu ermöglichen, fügte Mattis hinzu. Er kritisierte indirekt auch Verteidigungsminister Mark Esper, der an Trumps Auftritt teilgenommen hatte. Esper hatte später versucht, sich davon zu distanzieren.