Die Corona-Pandemie trifft viele Millionen Afrikaner in einer ohnehin prekären Situation. Auf dem Kontinent lebt mehr als die Hälfte aller Familien von Subsistenzwirtschaft, das heißt ihre Landwirtschaft dient vorwiegend dem Überleben des eigenen Umfelds – nur ein kleiner Teil der Ernte kann auf Märkten angeboten werden. In einigen ländlichen Regionen sind es bis zu 90 Prozent der Menschen, denen nur der eigene kleine Ernteüberschuss als Einkommensquelle dient. Doch auch in vielen Ländern Afrikas - wie etwa in Tansania - wurden zum Schutz eines labilen Gesundheitssystems Ausgehbeschränkungen und strenge Schutzmaßnahmen verhängt. Viele Menschen in den ländlichen Regionen sind damit von ihrer einzigen Einnahmequelle abgeschnitten. Zahlreiche Hilfsorganisationen warnen seit Wochen vor einer Hungerkatastrophe.

Doch im Osten Afrikas kam Anfang April noch ein weiteres Unbill hinzu. Nach einer lange Dürreperiode und einer wenig ergiebigen Regenzeit erlebte der Norden von Tansania am Anfang des vergangenen Monats  ein massives Unwetter. Besonders hart traf es die Mara-Region am Viktoriasee, wo durch die Regenmengen zahlreiche aus Lehm gebaute Häuser zerstört wurden. „Aufgrund der Flut müssen sie die Menschen ihre Häuser reparieren und neu bauen. Manche haben ihre Lebensmittelvorräte im Haus aufgrund des Regens verloren“, erzählt Saria Amillen Anderson, die seit Jahren für die österreichische Hilfsorganisation „Sei so frei“ die Projekte in der Region koordiniert. Die Pandemie erschwert die Situation des Wiederaufbaus und bedroht die Versorgung vieler Familien. Felder sind ebenso zerstört wie die Häuser und Vorräte.

Angst und Unterversorgung

Neben der eigenen Betroffenheit haben sich mit den kursierenden Informationen über das Corona-Virus Angst und Unsicherheit breit gemacht, wie bedrohlich die neue Krankheit ist. Es fehlt in den Dörfen zudem an Schutzkleidung, Masken und Desinfektionsmittel. Dabei wäre der Schutz vor Corona für viele angeschlagene Menschen nicht nur notwendig, sondern ist gesetzlich in Tansania vorgeschrieben und wird scharf kontrolliert und massiv geahndet. Tansania hat zwar bisher nur 509 gemeldete Coronafälle und 21 Tote, die mit Covid-19 infiziert waren, doch die Dunkelziffer wird von Gesundheitsexperten deutlich höher geschätzt, weil kaum getestet werde.

Eine betroffene Familie in der Mara-Region vor ihrem zerstörten Haus
Eine betroffene Familie in der Mara-Region vor ihrem zerstörten Haus © Hehenberger

Die restriktive Politik der Regierung in Daressalam in den ersten Wochen und das konsequente Vorgehen der Polizei machte die Situation für die Bewohner in dieser doppelten Krise nicht leichter, erzählen mehrere Familien aus Tansania. So werde auf persönliche Schutzausrüstung inklusive Maske und Desinfektionsmittel bestanden. Beides sei in den armen Regionen aber nur schwer zu bekommen. Anders als in Österreich, wo die Polizei es oft bei einer Ermahnung belässt, griffen die Sicherheitskräfte in Ostafrika oft ohne viele Worte durch. Sie seien zudem deutlich präsenter als üblich, erzählt ein Mann, der zum Schutz seiner Familie lieber nicht mit Namen in den Medien erscheinen will. 

Situation in Tansania

Seit Mitte März sind die Schulen und Universitäten in dem ostafrikanischen Land geschlossen, Konferenzen und Veranstaltungen abgesagt. Gottesdienste sind allerdings mit strengen Regeln erlaubt. Den ersten Verdachtsfall in der nördlichen Mara-Region gab es allerdings erst am 20. April. Nach Angaben regionaler Gesundheitsstellen gab es zu dieser Zeit einige plötzliche Todesfälle. Die Testproben wurden in die Hauptstadt Daressalam zur Analyse geschickt.

In der Konsequenz wurde auch die Arbeit in der Region ab diesem Zeitpunkt von den Büros ins Homeoffice verlagert. Auch die Arbeit in den Projekten wurde von den Hilfsorganisationen reduziert. "Wir haben aufgehört raus auf die Felder zu den Bauern zu gehen. Wir versuchen ihnen zu helfen und sie zu begleiten, was ohne physischen Kontakt möglich ist“, erzählt Saria Amillen Anderson. In den überfüllten Städten und auf den engen Marktplätzen sei Abstandhalten und konsequenter Schutz aber eine große Herausforderung, erzählt die Chefin der nordtansanischen Hilfsprojekte.

Erschwerend kommt in Tansania hinzu, dass die öffentlichen Kassen durchgehend spärlich gefüllt sind. Vor allem die Provinzen fernab der Hauptstadt sind willig, aber meist überfordert, weil ihnen die Mittel fehlen. In der Administration in Mara macht man sich daher trotz der Hilfszusage der Zentralregierung kaum Hoffnung.

Hoffnung bei den Menschen

Ein wenig hilft den Menschen, dass die Wiederaufforstung in der Region in den vergangenen 15 Jahren mit der Unterstützung von Spendern aus Österreich erheblich vorangekommen ist, sagt Franz Hehenberger von der Hilfsorganisation "Sei so frei". Holz für den Wiederaufbau können nun mit einem "begleiteten Abholzen" wieder gefahrlos für den Wald geerntet werden. Er erinnert daran, dass in der Region vor 45 Jahren noch genug Wälder gestanden haben, doch dann großflächig abgeholzt wurde für den Hausbau und das Feuermachen zum Kochen und Heizen in kalten Nächten.

Zum Wiederaufbau eines Hauses bräuchte jede Familie zwischen 300 und 1000 Euro. Diese Kosten ergeben sich auch daraus, dass viele Baustoffe wie etwa Nägel in Tansania nicht günstiger wären als etwa in Österreich. Deshalb sei die Hilfe in dieser doppelten Krisensituation noch immer wichtig. Hehenberger weist aber daraufhin, dass Corona nicht die einzige medizinische Gefahr sei. "Die Malaria-Fälle sind noch immer deutlich höher", sagt der Österreicher. "Aber Malari könne man immerhin behandeln. "Malaria ist den Leuten ein Begriff. Deshalb können sie damit umgehen", sagt Hehenbeger. Bei Corona sei das noch lange nicht soweit.