Ein Unglück kommt selten allein! Dieses Sprichwort galt für Kroatien und Zagreb am 22. März. Zu einem Zeitpunkt, als Kroatien bereits im umfassenden Kampf gegen das Coronavirus stand, wurden die Hauptstadt und ihre Umgebung noch von einem schweren Erdbeben heimgesucht, dem noch viele Nachbeben folgten.

Einen Monat später waren bereits 11.000 von über 23.000 Gebäuden begutachtet. Ein Experte der Fakultät für Bauingenieurwesen schätzt den Finanzbedarf allein für den Wiederaufbau von Spitälern und Bildungseinrichtungen unter Einhaltung der Normen für Erdbebensicherheit auf gut 5,6 Milliarden Euro; werden die Normen auf alle betroffenen Gebäude angewandt, liegt der Bedarf bei 13,3 Milliarden. Über 500 Gebäude sind derzeit nicht benutzbar.

Dramatischer Einbruch der Wirtschaft

Das Erdbeben ist für Kroatien eine große zusätzliche Belastung, denn auch die wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise werden massiv sein. Analysten der Raiffeisenbank erwarten statt des vor der Pandemie prognostizierten Wachstums einen Rückgang der Wirtschaftsleistung von fünf Prozent. Ein Ansteigen des Budgetdefizits und der Staatsverschuldung ist unausweichlich. Dazu kommt der Druck auf den Kurs der Landeswährung Kuna. Allein in der zweiten Märzwoche intervenierte die kroatische Nationalbank mit 1,6 Milliarden Euro, um den Kurs stabil zu halten.

Ein genaueres Bild wird sich erst bis Mitte oder Ende Mai bieten, vor allem wegen der Frage, ob und in welchem Ausmaß die touristische Hauptsaison noch zu retten ist. Ostern und die Vorsaison sind bereits verloren, doch je länger die Pandemie dauert, desto gefährdeter werden die stärksten touristischen Monate sein. Bisher erwirtschafte Kroatien im zweiten Quartal eines Jahres jeweils ein Fünftel der Nächtigungen und der Einnahmen aus dem Fremdenverkehr, während auf das dritte Quartal sogar 70 Prozent entfielen. Der Anteil des Fremdenverkehrs an der gesamten Wirtschaftsleistung liegt bei etwa 20 Prozent, wobei eine Krise im Fremdenverkehr auch viele kleine Vermieter trifft („Zimmer frei“), auf die die Mehrzahl der Bettenkapazitäten entfällt.

"Coronakorridore" sollen die Sommersaison retten

Dazu kommt die massive Abhängigkeit von den Entwicklungen in Deutschland, Slowenien, Italien, Österreich und der Tschechischen Republik, aus denen die meisten Kroatien-Urlauber kommen. Ob Bürger dieser Länder ins Ausland werden reisen wollen oder können, ist offen. Mit deren Regierungen steht die kroatische Regierung in Kontakt, um eine Lösung zu finden, wie Touristen doch noch in größeren Mengen werden reisen können; erörtert werden „Corona-Korridore“, die eine Reise vom Wohn- zum Zielort ermöglichen sollen. Auch Flugverbindungen zwischen Prag und Dubrovnik sowie Split sind im Gespräch. Und Kroatien prüft die Wiedereröffnung von Marinas, einigen Campingplätzen und Hotels, die außerhalb der urbanen Zentren liegen. Dalmatien ist bei Tschechen besonders beliebt; mehr als 800.000, fast acht Prozent der gesamten Bevölkerung, machten im Vorjahr in Kroatien Urlaub und sorgten für 5,4 Millionen Nächtigungen.

Der Vorteil Kroatiens liegt darin, dass man mit dem Auto dorthin reisen kann. Somit ist eine raschere Erholung möglich. Natürlich wird es Sonderangebote geben, doch die Tourismuseinnahmen werden weit unter den mehr als zehn Milliarden Euro liegen, die im Vorjahr erwirtschaftet wurden. So sagte Tourismusminister Gari Cappelli in einem Interview mit der Zeitung „Glas Istri“, die Einnahmen würden heuer um 75 Prozent geringer ausfallen.

Die Abhängigkeit vom Tourismus ist auch in anderen Ländern der Europäischen Union groß. Die EU-Fremdenverkehrsminister werden daher Ende des Monats in einer Videokonferenz über Maßnahmen beraten, denn am Fremdenverkehr hängen noch viele andere Wirtschaftszweige, vom Transport bis zur Lebensmittelindustrie.

Experten sagen: Die Erholung wird lange dauern

Wie stark die Volkswirtschaften in der EU und speziell in der Eurozone in die Rezession schlittern werden, lässt sich derzeit zwangsläufig noch nicht genauer abschätzen. Sicher ist, dass in allen Ländern mit relevantem Tourismus ein Run auf Gäste einsetzen wird, sollten Quarantäne-Vorschriften bei der Einreise aufgehoben werden können. 

Im Fall Kroatien schätzen Experten, dass die Erholung wegen der enormen Abhängigkeit von diesem Wirtschaftszweig länger als in anderen Ländern dauern könnte.

Was den Kampf gegen den Coronavirus betrifft, so war am Freitag die Zahl der Genesenen (plus 99) zum ersten Mal höher als die Zahl der Neuinfizierten (plus 28). Insgesamt weist Kroatien 2009 Infizierte (plus 28), 982 Genesene und 51 Tote auf. Mehr als 30.000 Personen wurden getestet, mehr als 12.000 befinden sich in Selbstisolation.