Für den an Covid-19 erkrankten britischen Premierminister Boris Johnson ist es am Freitag weiter bergauf gegangen. Johnson setze seine Genesung fort, teilte ein Regierungssprecher mit. Diese sei zwar noch in einem frühen Stadium, der Premier sei aber weiterhin "sehr guter Dinge". Er sei sogar mit Unterbrechungen ein wenig hin und her gegangen. Am Donnerstag habe er den Krankenhausmitarbeitern zugewinkt, als er die Intensivstation verlassen habe.

Die Erleichterung über die Verlegung Johnsons auf eine normale Station war groß. "Das sind gute Nachrichten", twitterte Labour-Chef Keir Starmer und fügte hinzu: "Ich hoffe, das ist der Beginn einer raschen Genesung." Gesundheitsminister Matt Hancock lobte die "Weltklasse-Versorgung" des Nationalen Gesundheitsdiensts NHS. "So gut, dass der Premierminister aus der Intensivbehandlung raus ist und auf dem Weg der Genesung ist", schrieb er auf Twitter. "Großartige Neuigkeiten", frohlockte US-Präsident Donald Trump.

Briten bangten drei Tage um Leben Johnsons

Drei Tage lang hatten die Briten um das Leben ihres Regierungschefs gebangt. Doch auch wenn Johnson persönlich auf dem Weg der Besserung sein sollte, klafft durch seine Abwesenheit in der Regierung eine Lücke. Ausgerechnet zu einer Zeit, in der die Krise in Großbritannien ihren Höhepunkt erreichen könnte.

Nach Ansicht des wissenschaftlichen Chefberaters der Regierung, Patrick Vallance, könnte es noch mindestens zwei Wochen dauern, bis die Zahl der neu gemeldeten Todesfälle nicht mehr ansteigt. Mit der bisher höchsten Zahl von 938 Todesfällen am Dienstag ist Großbritannien nicht mehr weit entfernt von dem bisher am schlimmsten getroffenen europäischen Land Italien, das Ende März fast 1.000 Todesfälle an einem Tag verzeichnet hatte.

Deutschland liefert Beatmungsgeräte

Damit wächst die Sorge, dass der britische Gesundheitsdienst in die Knie gehen könnte. Dem NHS fehlt es an Beatmungsgeräten, Schutzkleidung und Personal. Die deutsche Bundeswehr reagierte inzwischen auf einen Hilferuf aus Großbritannien mit einer Zusage für 60 mobile Beatmungsgeräte. Diese sollten so schnell wie möglich an den NATO-Partner verschickt werden, hieß es am Donnerstag aus dem Verteidigungsministerium in Berlin.

Der Vater des 55-jährigen Premierministers, Stanley Johnson, glaubt nicht an eine schnelle Rückkehr seines Sohns in die Amtsgeschäfte. "Er braucht Zeit. Ich kann nicht glauben, dass man das durchmachen kann und direkt wieder zurück in die Downing Street (den Regierungssitz, Anm.) geht und die Zügel in die Hand nimmt, ohne eine Phase der Wiederanpassung", sagte der 79-Jährige dem Radiosender BBC 4 am Freitag. Noch sei sein Sohn nicht über den Berg.

Johnson war am Montag auf die Intensivstation des St. Thomas' Hospital in London gebracht worden, nachdem sich sein Gesundheitszustand eineinhalb Wochen nach seiner Diagnose verschlechtert hatte. Tags zuvor war er wegen anhaltender Symptome in die Klinik gebracht worden.

Johnson wird derzeit von Außenminister Dominic Raab vertreten. Die Kompetenzen des Premierministers hat er aber nicht. Großbritanniens ungeschriebene Verfassung sieht keine klare Regelung für den Fall vor, dass der Regierungschef ausfällt. Kritiker fürchten, dass davon die Entscheidungsfähigkeit beeinträchtigt sein könnte.

Kritik an Regierung wegen Corona-Pandemie

Unterdessen wurde erneut Kritik am Umgang der Regierung mit der Pandemie laut. Die Ansteckungsgefahr sei massiv unterschätzt worden, zitierte die Nachrichtenagentur Bloomberg ein Mitglied der konservativen Regierungspartei. Schuld daran gewesen seien ein übersteigerter Männlichkeitskult und Realitätsverweigerung. Johnson hatte noch Anfang März geprahlt, er habe in einem Krankenhaus Menschen, darunter Covid-19-Patienten, die Hand geschüttelt und angekündigt, dies weiterhin zu tun.

Bis zum Mittwochabend wurden der Regierung zufolge 881 neue Todesfälle verzeichnet. Insgesamt stieg die Zahl der Toten damit auf knapp 8.000. Nicht eingerechnet sind dabei bisher die Sterbefälle in Pflegeheimen. Schätzungen zufolge könnten dort bereits zusätzlich etwa 1.000 ältere und pflegebedürftige Menschen an einer Covid-19-Erkrankung gestorben sein, wie der "Guardian" berichtete. Die Zahl der positiv getesteten Personen in Großbritannien stieg bis Freitagmittag auf knapp 66.000.