Die Europäische Union stellt Griechenland zur Bewältigung der angespannten Lage an seinen EU-Außengrenzen bis zu 700 Millionen Euro zur Verfügung. Das sagte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen am Dienstag bei einem Besuch an der griechisch-türkischen Grenze. 350 Millionen Euro seien sofort verfügbar. Weitere 350 Millionen könnten angefordert werden. Das Geld solle für das Migrationsmanagement, den Aufbau und das Betreiben der nötigen Infrastruktur genutzt werden.

Die europäische Grenzschutzagentur Frontex will die bereits zugesagte Hilfe für Griechenland wegen der sich zuspitzenden Lage an der Grenze zur Türkei noch ausweiten. Geplant ist, dass Frontex Griechenland auch bei der Sicherung der Landgrenze und anderen Aufgaben zur Seite steht.

Obwohl Tausende Flüchtlinge auch am Dienstag auf Einlass in die EU hofften, hielt Griechenland seine Grenzen geschlossen. Es werde von der Türkei aus keine Grenzübertritte geben, sagte der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis am Dienstag in der Hafenstadt Alexandroupolis. "Griechenland kann nicht erpresst werden und lässt sich nicht erpressen." An die EU gewandt sagte er: "Griechenlands Grenzen sind auch Europas Grenzen."

Angesichts der angespannten Lage an der griechisch-türkischen Grenze hat Griechenland scharfe Kritik am türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan geübt. Die Situation sei von Erdogan provoziert worden, erklärte der griechische Außenminister Nikos Dendias bei einem gemeinsamen Pressestatement mit Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) am Dienstag in Athen.

Es sei ein "verblüffend zynischer" Schritt Erdogans gewesen, die Migranten bewusst Richtung EU-Außengrenze zu lotsen. Am Freitag hatte der türkische Präsident angekündigt, die Grenzen für Flüchtlinge zu öffnen bzw. diese nicht mehr an der Ausreise hindern zu wollen. Tausende Migranten machten sich daraufhin auf in Richtung griechisch-türkischer Grenze. Damit habe Ankara diplomatischen Druck auf Europa in "noch nie da gewesener Art und Weise ausgeübt", so Dendias.

Dendias kritisierte, dass Erdogan Flüchtlinge und Migranten benutze und diese "zum Spielball" der türkischen Politik geworden seien. Schallenberg betonte, dass er mit seinem Besuch in Athen Solidarität mit und Unterstützung für Griechenland signalisieren wolle. Das Land stehe unter "enormem Druck" und schütze nicht nur seine eigene Grenze, sondern auch "unsere", so der Minister. "Das ist sehr wichtig, wir schätzen das sehr und wir unterstützen sie in allen Belangen", versicherte er.

Am griechischen Grenzübergang Kastanies ist es vor dem Besuch der EU-Spitzen am Dienstag ruhig geblieben. Der griechische Grenzposten an der türkischen Grenze war weiterhin gesperrt. In der gesamten Region entlang des Grenzflusses Evros war verstärkte Militär- und Polizeipräsenz zu beobachten.

Die Türkei hatte vergangene Woche erklärt, die Grenzen zu öffnen. Nun harren Tausende Menschen laut UNHCR bei Kälte auf der türkischen Grenzseite zu Griechenland aus. Viele wollen weiterziehen. Griechische Sicherheitskräfte setzten mehrmals Blendgranaten und Tränengas ein, um Menschen zurückzudrängen. Die Türkei hat seit Beginn des Bürgerkriegs im Nachbarland Syrien rund 3,6 Millionen Flüchtlinge aufgenommen. Dazu kommen viele Migranten und Flüchtlinge aus Afghanistan und anderen Ländern.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und Russlands Präsident Wladimir Putin haben am Dienstag über die Lage in der umkämpften syrischen Region Idlib gesprochen. Beide hoffen, dass ein Treffen von Putin mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan am Donnerstag eine Lösung bringen könne. 

In Idlib sind russische und syrische Truppen gegen die dortigen Milizen vorgerückt, die von der Türkei unterstützt werden. Hunderttausende Menschen sind auf der Flucht Richtung Türkei. Der russische Außenminister Sergej Lawrow sagte, dass sein Land den Kampf gegen "Terroristen" in Idlib nicht stoppen werde, nur um Europas Flüchtlingsprobleme zu lösen.

In einem Telefonat mit Merkel hatte Erdogan am Montagabend eine faire Lastenteilung gefordert. Das EU-Türkei-Abkommen vom März 2016 sieht vor, dass Griechenland illegal auf die Ägäis-Inseln gelangte Migranten zurück in die Türkei schicken kann. Im Gegenzug übernimmt die EU für jeden Zurückgeschickten einen asylberechtigten syrischen Flüchtling aus der Türkei und unterstützt das Land finanziell bei der Versorgung der Flüchtlinge. Außerdem hat die Türkei sich verpflichtet, gegen illegale Migration vorzugehen. In den vergangenen Jahren wurden aber viel weniger Menschen aus Griechenland zurückgeschickt, als in die EU umgesiedelt wurden.

Nach aktuellen Zahlen der EU-Kommission wurden seit dem 4. April 2016 nach dem EU-Türkei-Abkommen bisher 26.576 Syrer aus der Türkei in die EU umgesiedelt, wie die deutsche Nachrichtenagentur berichtete. Von den griechischen Inseln wurden seit dem 21. März 2016 allerdings nur 2084 Menschen im Rahmen des Deals zurück in die Türkei geschickt. Im Zuge eines bilateralen Abkommens zwischen Griechenland und der Türkei waren es weitere 601.