Pete Buttigieg spricht noch, als das erste Institut seine Träume durchkreuzt. Den ganzen Abend hatte der ehemalige Bürgermeister von South Bend in den Auszählungen der Vorwahl der Demokraten um die Präsidentschaftskandidatur nur knapp hinter Senator Bernie Sanders gelegen. Zeitweise trennte die beiden nur noch ein Prozentpunkt. Doch gegen 23 Uhr in New Hampshire sehen die Rechenmodelle der Fernsehsender für den jungen Bewerber um das höchste Amt im Staat keine Chance mehr. Das steht der 38-Jährige gerade auf einer Bühne in der Sporthalle des Commuity Colleges von Nashua und spricht zu rund 1200 begeisterten Anhängern.

Diese lassen sich auch nachdem Sanders zum Sieger erklärt worden ist nicht entmutigen. Mit „Präsident Pete“-Sprechchören feiern sie ihren Kandidaten. Buttigieg genießt den Zuspruch sichtlich, unterbricht seine Rede immer wieder, um seinen Unterstützern den Raum zu geben. Kein Wunder, hat er doch trotz des knappen zweiten Platzes ein beachtliches Ergebnis erzielt.

Erste echte Vorwahl

Die Vorwahl in New Hampshire gehört in jedem Wahlzyklus zu den wichtigsten Ereignissen. Und dennoch war die Aufmerksamkeit in diesem Jahr besonders groß. Nach den von Pannen überschatteten Wahlversammlungen in Iowa in der vergangenen Woche war das sonst übliche Zusammenschrumpfen des Kandidatenfeldes bislang ausgeblieben. Einen über alle Zweifel erhabenen Sieger gibt es bis heute nicht. Das befeuerte die Hoffnung, die einfache Vorwahl im Granite State, ganz im Nordosten der USA gelegen, könnte für die Demokraten Klarheit schaffen.

Das ist allerdings nicht gelungen. Wie schon in Iowa liegen Sanders und Buttigieg wieder sehr nah beieinander. Ein wirklich überragendes Ergebnis erzielte gleichwohl keiner von beiden. Das Rennen um die Präsidentschaftskandidatur ist damit weiter völlig offen.

Sanders wie erwartet

Sanders‘ gutes Abschneiden war erwartet worden. In New Hampshire ist er eine bekannte – und beliebte – Größe. Seit Jahren vertritt er den Nachbarstaat Vermont in Washington. Auch kommt seine konträre Art an im manchmal etwas kauzigen Neuengland. Bereits vor vier Jahren hatte er hier gewonnen, damals mit über 60 Prozent der Stimmen. Im Vergleich schmälert das seinen Triumph, dennoch ändert es nichts daran, dass der 78jährige nach den ersten beiden Wettbewerben hervorragend dasteht – deutlich besser, als es selbst seine Anhänger noch vor wenigen Monaten zu träumen gewagt hatten.

Die Energie ist bereits spürbar, als Sanders am Tag vor der Primary die Whittmore Center Arena in Durham betritt. Die Sporthalle der University of New Hampshire ist prall gefüllt mit mehr als 7500 Anhängern – dreimal mehr, als jede andere Kampagne in den vergangenen Wochen aufwarten konnte, betont das Sanders-Team. Das Publikum ist überwiegend jung, überwiegend männlich, überwiegend weiß. Manche von ihnen haben stundenlang in der beißenden Kälte den neuenglischen Winters ausgeharrt, um einen Platz zu bekommen.

Prominente Unterstützung

Trotz der Temperaturen ist die Halle aufgeheizt. Bevor der Senator die Bühne betritt, befeuern Unterstützer des Kandidaten die Anhänger. Cynthia Nixon ist gekommen, die Schauspielerin aus der Kult-Serie „Sex and the City“. Auch Alexandria Ocasio-Cortez, Kongressabgeordnete aus New York und Superstar der amerikanischen Linken, spricht.

Sanders selbst muss den Jubel seiner Fans dann nur noch einsammeln. Routiniert arbeitet er die Forderungen seines Wahlprogramms ab – von höheren Steuern für Reiche und Unternehmen über eine Verstaatlichung des Gesundheitssystems bis hin zu einem Umbau der US-Wirtschaft nach Maßgaben des Klimaschutzes. „Wir versammeln uns um eine Agenda, die für uns alle funktioniert – und nicht nur für das eine Prozent ganz oben“, ruft Sanders in die Arena. Der Applaus ist ohrenbetäubend. Dann spielen „The Strokes“.

Klobuchar überraschend stark

Diese Botschaften kommen an. Sanders‘ Agenda sprach hier vielen Wählern aus dem Herzen, auch wenn Elizabeth Warren, die andere Kandidatin des linken Flügels, mit unter 10 Prozent schwach abschnitt.

Dass es das numerisch größere moderate Lager trotz des Ergebnisses und Buttigieg und dem überraschend starken dritten Platz von Senatorin Amy Klobuchar schwer haben könnte gegen diese Begeisterungswelle anzukommen, zeigt nichts so sehr wie die Schwäche von Ex-Vizepräsident Joe Biden. Dem 77-Jährigen ist es nach seiner Niederlage in Iowa erneut nicht gelungen, die Wähler von sich zu überzeugen. Biden hatte die Erwartungen im Vorfeld der Primary gedämpft, sagte am Wahltag selbst sogar den Auftritt auf seiner eigenen Wahlparty am Abend ab.

Biden bisher nur schwach

Und es stimmt ja auch: New Hampshire ist für ihn, genau wie es Iowa war, demografisch ein schwieriges Pflaster. Seine Stärke zog er bislang aus seinem Rückhalt unter älteren Afroamerikanern und Arbeitern im Mittleren Westen – beide Wählergruppen, deren Stimme bislang kaum gehört wurde. Dennoch kratzen die beiden Niederlagen an seinem Image. Bidens vermeintlicher Vorteil sei es, dass er Wahlen gewinnen könne, wiederholt seine Kampagne wieder und wieder. Nun hat er zweimal verloren. Per Videoschalte aus South Carolina beschwor er seine versprengten Anhänger in einem fast leeren Hotelsaal in Manchester dennoch: „Es ist noch nicht vorbei, Mann!“, so Biden. Erledigt ist er noch nicht, doch sollte er in den nächsten beiden Vorwahlen in Nevada und South Carolina nicht gut abschneiden, dürfte auch seine dritte Kandidatur für das Weiße Haus ein schnelles Ende finden.

Für die Zentristen in der Partei ist diese Aussicht besorgniserregend. Denn dass Buttigieg unter Minderheitenwählern einen ähnlichen Rückhalt entwickeln kann wie Biden ist längst nicht ausgemacht. Gleiches gilt für Klobuchar. Und New Yorks Ex-Bürgermeister Michael Bloomberg, ein Milliardär, der erst im März offiziell in den Wahlkampf eingreifen will und derzeit Millionen in Fernsehwerbung pumpt, hat mit ganz eigenen Problemen zu kämpfen. Damit ist fraglich, ob das Parteiestablishment die Präsidentschaftskandidatur in diesem Jahr gewinnen kann. In den ersten landesweiten Umfragen hat zudem Sanders mittlerweile die Führung übernommen.

Entschieden ist das gleichwohl nicht. Der Nominierungsprozess ist lang, könnte sich bis in den Sommer ziehen. Parteitagsdelegierte sind auch nach den ersten beiden Wettbewerben noch kaum vergeben, dafür sind sowohl Iowa als auch New Hampshire zu klein. Ernst wird es in dieser Frage erst am Super Tuesday Anfang März. Dann dürfte sich zumindest eine Tendenz abzeichnen, mit wem die Demokraten Trump schlagen wollen.