Es ist ein heikler Besuch in politisch aufgeheizter Lage: Am Samstag fliegt die deutsche Kanzlerin Angela Merkel zu einem Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin nach Moskau. Bei dem Arbeitsbesuch im Kreml sollen verschiedene Konfliktherde auf der Welt angesprochen werden.

Ein kurzfristig angesetztes Krisengespräch sei das Treffen aber nicht, wird in Berlin und Moskau betont. Merkel wird von Deutschlands Außenminister Heiko Maas begleitet.

Der US-Angriff aufIrans Top-General Qassem Soleimani im Irak ist nach Moskauer Angaben nicht der Grund für die Einladung nach Russland. Auch in Berlin wird Wert auf die Feststellung gelegt, dass der Besuch schon vor Weihnachten geplant worden sei - also lange vor der jüngsten Eskalation im Iran-Konflikt.

Zuletzt war Merkel im Mai 2018 in Russland, sie traf sich mit Putin in der Schwarzmeer-Stadt Sotschi. In der russischen Hauptstadt war Merkel seit Mai 2015 nicht mehr. Damals war sie zu den Gedenkfeiern 70 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieges nach Moskau gereist.

Merkel, die Putin so lange wie wenige aktive westliche Politiker kennt, setzt immer wieder auf das persönliche Gespräch mit dem Kremlchef - auch wenn Putin für sie oft ein schwieriger Gesprächspartner ist. Unvergessen bleibt, wie Putin einst seinen Hund mit zu einem Treffen mit Merkel mitbrachte - wohl wissend, dass die Kanzlerin großen Respekt vor großen Hunden hat.

Doch einschüchtern lässt sich Merkel nicht. Die Kanzlerin und Putin reden zeitweise ganz ohne Übersetzer: Seit seiner Zeit als KGB-Offizier in Dresden spricht Putin Deutsch, Merkel wiederum kann Russisch. Um diese Themen dürfte es am Samstag im Kreml gehen:

  • Bürgerkrieg in Libyen: Dazu haben sich Merkel und Putin zuletzt mindestens zweimal am Telefon ausgetauscht. Berlin und Moskau sind sich einig, dass der Bürgerkrieg in dem nordafrikanischen Land nur mit Diplomatie gelöst werden kann. Deutschland will demnächst eine internationale Konferenz ausrichten, bei der nach politischen Lösungen des Konflikts gesucht werden soll. Der Kremlchef hat deutlich gemacht: Moskau unterstützt das.

    Putin hat aber längst selbst die Zügel in die Hand genommen. Zusammen mit seinem türkischen Kollegen Recep Tayyip Erdogan rief er die Konfliktparteien auf, die Waffen ab diesem Sonntag ruhen zu lassen. Beide bezeichnen sich als Vermittler. Die Lage könne dazu führen, dass die Terrorgefahr wachsen und mehr Menschen Libyen verlassen könnten, sagten sie. Diese Bedenken teilt auch Europa. Merkel weiß, dass sie das Ziel, die Militärlogik in Libyen zu durchbrechen, ohne Putin kaum erreichen wird.

  • Bürgerkrieg in Syrien: Auch dieser Konflikt kann nicht ohne Russland gelöst werden. Moskau ist einer der wichtigsten Verbündeten von Syriens Machthaber Bashar al-Assad. Beide haben sich erst am Dienstag in Damaskus getroffen. Danach sprach Putin mit Erdogan über Syrien. Zusammen mit dem Iran sitzen die beiden Präsidenten immer wieder an einem Tisch, um auch in diesem Bürgerkrieg nach Wegen für Frieden zu suchen. Die Europäer sind auch hierbei nur Zaungäste.

    Die EU befürchtet, dass sich die Türkei und Russland annähern. Moskau hat vor wenigen Monaten sein Raketenabwehrsystem S-400 nach Ankara verkauft - sehr zum Unmut der NATO und vor allem der USA. Russland und die Türkei haben erst diese Woche zusammen eine Erdgas-Pipeline in Betrieb genommen. Dabei betonten Putin und Erdogan einmal mehr, dass sie gemeinsame Sachen machen können. Dennoch stehen sie sich in Syrien und Libyen auf gegnerischen Seiten gegenüber.

  • Atomkonflikt mit Iran: Berlin und Moskau betonen, dass das Atom-Abkommen mit dem Iran nicht ganz aufgegeben werden sollte. Teheran droht mit einem kompletten Ausstieg, nachdem Washington 2018 einseitig die Vereinbarung gekappt hatte. Der Vertrag soll verhindern, dass der Iran Atomwaffen entwickeln kann. Selbst wenn es Putin versuchen sollte: Es ist nicht zu erwarten, dass sich die Kanzlerin am Samstag von ihm in dieser Frage gegen US-Präsident Donald Trump wird ausspielen lassen.

  • Nord Stream 2: Auf den letzten Metern verzögern sich wegen US-Sanktionen die Bauarbeiten an der umstrittenen Ostsee-Pipeline. Russland will das Projekt unbedingt bald zum Abschluss bringen - ohne sich aber auf einen genauen Termin festlegen zu wollen. Um die Röhren am Grund der Ostsee weiter zu verlegen, sind spezielle Schiffe nötig. Und auch die Bundesregierung hat ein großes Interesse an der baldigen Fertigstellung. Nord Stream 2 wird je zur Hälfte vom russischen Energieriesen Gazprom sowie den fünf europäischen Unternehmen OMV, Wintershall Dea, Engie, Uniper und Shell finanziert.

  • Lage in der Ukraine: Putin und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatten Mitte Dezember in Paris unter Vermittlung von Merkel und Emmanuel Macron einen neuen Anlauf für Frieden im Donbass genommen. Seitdem gibt es kleine Zeichen der Annäherung: Es gab einen Austausch von Gefangenen und auch bei der Waffenruhe hat es seither Fortschritte gegeben. Merkel und Putin dürften nun über die notwendigen nächsten Schritte sprechen, wie etwa die schwierige Vorbereitung von Kommunalwahlen.

  • Mord an einem Georgier in Berlin: Offen ist, ob Merkel oder Putin den Fall ansprechen werden. Die Ermittlungen zu dem Mord an einem Georgier in Berlin am 23. August haben für diplomatische Verstimmungen zwischen Deutschland und Russland gesorgt. Berlin hatte Moskau fehlende Kooperation in dem Fall vorgeworfen und zwei russische Diplomaten ausgewiesen. Im Gegenzug verfügte Moskau, dass zwei deutsche Diplomaten Russland verlassen müssen. Putin hatte den erschossenen Georgier als "Banditen" und "Mörder" bezeichnet, der Kreml wies aber jegliche Verstrickungen in dem Fall zurück.