Als erstes Nachbarland besucht Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) nach dem Amtsantritt der neuen türkis-grünen Regierung Tschechien. In der Hauptstadt Prag kommt Kurz am Donnerstag mit den Regierungschefs der sogenannten Visegrad-Gruppe - neben Tschechien, Ungarn, Polen und die Slowakei - zusammen.

Der Bundeskanzler sieht sich dabei in der Rolle des Brückenbauers zwischen Ost und West. Mit seiner Teilnahme an dem Visegrad-Gipfel will Kurz die "Gräben in Europa" überwinden. Österreich müsse "als Land im Herzen der EU als Vermittler eine Brückenfunktion einnehmen", erklärte er seinen Besuch im Vorfeld. "Hier zählt man in Brüssel auch auf uns."

Die Vermittlung geschehe in Abstimmung mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, wie Kurz bei seinem Besuch am Sonntag in Brüssel betonte und mit Blick auf die vielen Konfliktlinien innerhalb der EU meinte: "Besser in Vielfalt vereint, als in Gleichheit getrennt".

Bei dem Treffen mit den vier Regierungschefs der Visegrad-Länder im Nationalmuseum in Prag soll dementsprechend auch über die großen Streitthemen der Europäischen Union gesprochen werden: die Zukunft Europas und den neuen EU-Finanzrahmen für die Jahre 2021 bis 2027. Während Österreich und andere "Nettozahler" eine Erhöhung ihres Beitrags ablehnen, stemmen sich die östlichen Staaten gegen Kürzungen bei den Transferleistungen, die sie von den reicheren Mitgliedsländern erhalten.

Mehr Übereinstimmung dürfte es dagegen bei den Themen EU-Erweiterung und Migration geben. Im Streit um die Flüchtlingsverteilung innerhalb der Europäischen Union teilt Österreich die ablehnende Haltung der Visegrad-Ländern. Auch bei der Befürwortung einer EU-Erweiterung auf dem Balkan liegen die vier Staaten mit Österreich auf einer Linie.

Treffen mit tschechischem Ministerpräsidenten

Nach dem Gipfel und einem gemeinsamen Arbeitsessen ist zu Mittag eine gemeinsame Pressekonferenz der fünf Regierungschefs geplant. Im Anschluss kommt Kurz am Nachmittag noch mit dem tschechischen Ministerpräsidenten Andrej Babis in dessen Amtssitz zu einem bilateralen Treffen zusammen. Thema dürfte dabei auch das traditionelle Konfliktthema zwischen Österreich und Tschechien - die Atomkraft - sein. Aktuell ist das Thema auch auf europäischer Ebene wieder durch die Debatte zur Klimaneutralität. Tschechien, Polen und Ungarn, die noch stark auf Kohle als Energieträger setzen, gehören zu den Bremsern bei europäischen Klimamaßnahmen. Die tschechische Regierung beharrt außerdem auf den Ausbau der Atomenergie als "saubere" Alternative.

Babis hat Österreich wegen dessen Kampf gegen die Atomkraft in den vergangenen Monaten wiederholt kritisiert und der Alpenrepublik vorgeworfen, etwa ein Viertel ihres Stromverbrauchs aus Tschechien zu importieren. "Ich weiß nicht, wie man (ohne den Strom aus Tschechien, Anm.) in Wien Kaffee kochen und Licht einschalten würde", sagte der tschechische Regierungschef.

Tschechien, das derzeit den Vorsitz der Visegrad-Grupe innehat, ist das erste Nachbarland, das Kurz nach seiner Rückkehr ins Bundeskanzleramt besucht. Bereits am Sonntag absolvierte er seine erste Auslandsreise als Chef der türkis-grünen Bundesregierung in die EU-Hauptstadt Brüssel.