Boris Johnson will nach seinem fulminanten Wahlsieg die Abkoppelung seines Landes von der EU in Rekordzeit umsetzen. Johnson will die britische EU-Mitgliedschaft am 31. Jänner in aller Form beenden. Er will außerdem die künftigen Beziehungen Großbritanniens zur EU bis Ende nächsten Jahres vertraglich regeln.

Der für die Brexit-Umsetzung abgestellte Kabinettsminister Michael Gove versicherte dazu am Sonntag, die Verhandlungen mit der EU würden auf jeden Fall „nächstes Jahr abgeschlossen“ werden – „in allen Details“.

Politiker aus EU-Ländern und die neue EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatten das als problematisch bezeichnet, weil der Abschluss detaillierter Handelsverträge meist Jahre dauert. Der frühere britische EU-Botschafter Sir Ivan Rogers warnte Premier Johnson vor überzogenen Hoffnungen. Ergibt sich nächstes Jahr keine Einigung, kommen beide Seiten um Zölle, Importquoten und scharfe Grenzkontrollen nicht herum.

Der weitere „Kampf um den Brexit“ schlägt so schon Wellen, bevor das neu gewählte Parlament in London auch nur zusammengetreten ist. Ein prominenter Sprecher der Tory-Hardliner, Bernard Jenkin, mahnte Johnson gestern, vom Weg eines „harten“ Brexit nur nicht abzukommen. „Die Pro-EU-Linke“ propagiere jetzt offenbar die Idee, dass wegen der großen neuen Tory-Mehrheit im Parlament Leute wie er „isoliert und ignoriert“ werden könnten.

In der Tat kann sich Johnson künftig auf die stimmenstärkste Tory-Fraktion seit den 1980er-Jahren stützen. Die Konservative Partei erhielt 365 von 650 Sitzen bei der Wahl. Die Labour Party kam nur noch auf 203 Sitze. Die Partei der Liberaldemokraten schrumpfte, statt zuzulegen, von zwölf auf elf. Mit seiner Mehrheit will Johnson im Eilverfahren den formellen Austritt aus der EU vollziehen. Bereits für diesen Donnerstag ist eine Regierungserklärung – die sogenannte Queen’s Speech – geplant. Und noch vor Weihnachten soll das Parlament mit der Behandlung des Austritts-gesetzes beginnen.

Das Oberhaus soll, falls nötig, zwischen Weihnachten und Neujahr zu einer Sondersitzung zusammentreten, um dem Gesetz seinen Segen zu geben. Rechtzeitig vor dem 31. Jänner sollen alle Vorkehrungen für den Austritt getroffen sein. Das Europaparlament muss ja auch noch seine Zustimmung geben.

Offenbar plant Premier Johnson aber auch schon andere radikale Maßnahmen. Angeblich will er „die Funktionsweise der britischen Demokratie“ überholen und die Befugnisse von Exekutive, Legislative und Justiz neu gewichten.

Feste Wahlperioden von fünf Jahren sollen wieder abgeschafft werden, damit Boris Johnson zu jedem beliebigen Zeitpunkt Neuwahlen ausschreiben kann. Wahlkreisgrenzen sollen neu gezogen werden – was unterm Strich den Konservativen zugutekäme. Und dem öffentlich-rechtlichen Sender BBC haben Johnson-Berater bereits die Abschaffung der Rundfunkgebühren angedroht.