Tränengasschwaden, brennende Mistkübel, fliegende Pflastersteine: Bei Protesten anlässlich des ersten Jahrestages der französischen "Gelbwesten"-Bewegung hat es am Samstag in Paris teils chaotische Szenen gegeben. Demonstranten wurden verletzt und Feuerwehrleute an der Arbeit gehindert. In anderen Landesteilen blockierten "Gelbwesten" Straßen und Kreuzungen.

In der Hauptstadt eskalierte die Lage auf dem Place d'Italie. Polizisten gingen mit Tränengas gegen Demonstranten vor und versuchten vergeblich, kleine, sehr mobile Gruppen von teilweise vermummten Demonstranten auseinanderzutreiben, die sich unter mehrere Dutzend "Gelbwesten" mischten.

Ein Einkaufszentrum auf dem Platz schloss zu Mittag nach den ersten Zwischenfällen. Mehrere Dutzend vermummte, schwarz gekleidete Demonstranten zerstörten die Fenster eines benachbarten Hotels.

Die Polizeipräfektur kritisierte auf Twitter "die skandalöse Haltung der Demonstranten, die Feuerwehrleute mit Pflastersteinen bewerfen und ihr Eingreifen auf der Place d'Italie verzögern". Wegen der Gewalt und der Ausschreitungen untersagte die Polizei eine für den Nachmittag angekündigte Demonstration, die auf dem Place d'Italie beginnen sollte.

Im Nordwesten von Paris griffen Sicherheitskräfte in der Nähe der Porte de Champerret ein, als mehrere Dutzend "Gelbwesten" kurzzeitig die Stadtautobahn besetzten. "Das wird knallen, das wird knallen", skandierten die Demonstranten. "Wir sind da, auch wenn Marcon das nicht will", riefen sie an die Adresse von Staatspräsident Emmanuel Macron.

Bis 15.00 Uhr wurden in Paris nach Angaben des Polizeipräfekten mehr als 60 Menschen festgenommen. Mehrere Metro-Stationen waren geschlossen, die Prachtmeile Champs Elysees war für Demonstranten gesperrt. Dort blieb es am Samstag zunächst ruhig.

Die Behörden erwarteten mehrere tausend Teilnehmer zu mehreren Kundgebungen in der Hauptstadt. Zudem stellten sie sich auf mehrere hundert militante Demonstranten ein. Er sei nach Paris gekommen, "weil wir keine Antwort von Macron haben, außer völlige Geringschätzung", sagte der aus Dijon stammende Demonstrant John. Die Steuern und die Kraftstoffpreise würden weiter steigen. "Wir werden weiter demonstrieren, bis sich etwas bewegt", sagte er.

Im südfranzösischen Sorgues in der Nähe von Avignon blockierten Demonstranten eine Abfahrt der Autobahn 7. Im Südosten des Landes wurden mehrere Kreuzungen besetzt. Größere Verkehrsbehinderungen gab es zunächst nicht. Landesweit hatte die Bewegung für dieses Wochenende 270 Blockade-Aktionen an Kreisverkehren und auf Straßen angekündigt.

Die "Gelbwesten" hofften anlässlich des ersten Jahrestages wieder auf größeren Zulauf für ihre Bewegung. Zum ersten landesweiten Protesttag am 17. November 2018 waren nach offiziellen Angaben mehr als 280.000 Demonstranten in gelben Warnwesten auf die Straßen geströmt, um gegen hohe Kraftstoffpreise und soziale Ungleichheit vorzugehen. Nach Krawallen in Paris sah sich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zu milliardenschweren Zusagen gezwungen. Zuletzt ließ die Beteiligung an den Protesten deutlich nach.

Ihr Hauptziel haben die "Gelbwesten" nicht erreicht: Den Rücktritt Macrons, der für sie ein "Präsident der Reichen" ist. Der Staatschef hat als Reaktion auf die Proteste Zugeständnisse gemacht, welche die Regierung auf 17 Milliarden Euro beziffert. Dazu zählen eine Senkung der Einkommensteuer und ein höherer Mindestlohn. Die "Gelbwesten" kritisieren, davon sei fast nichts bei den sozial Benachteiligten angekommen.

Laut jüngsten Umfragen sympathisieren gut 50 Prozent der Franzosen mit der Bewegung gegenüber anfänglich mehr als 80 Prozent. Allerdings wünscht sich eine deutliche Mehrheit ihr Ende. Das liegt vor allem an der Gewalt bei vielen Protestaktionen und dem Gefühl, dass die Bilanz mager ausfällt.