Chiles Verfassung von 1980 stammt noch aus Zeiten der Diktatur von General Augusto Pinochet. Trotz mehrfacher Reformen gibt es nach wie vor Kritik an ihrem autoritären Ursprung, der starken Bündelung von Machtbefugnissen bei der Zentralregierung und begrenzten Einflussmöglichkeiten der Bürger. In einer Umfrage hatten sich zuletzt 78 Prozent der Chilenen für eine neue Verfassung ausgesprochen.

Im April kommenden Jahres sollen die Chilenen in einer Volksabstimmung darüber abstimmen, ob sie eine neue Verfassung wollen, wie die Vertreter der konservativen Regierungskoalition und der Opposition in der Hauptstadt Santiago de Chile mitteilten. Wenn der neue Text ausgearbeitet ist, sollen die Bürger in einem weiteren Referendum darüber abstimmen.

Das südamerikanische Land wird seit Wochen von heftigen Protesten und gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei erschüttert. Rund 20 Menschen kamen bei den Krawallen ums Leben, über 2000 Menschen wurden verletzt, zahlreiche Geschäfte wurden geplündert und mehrere Gebäude in Brand gesteckt.

Angesichts der sozialen Unruhen sagte der chilenische Präsident Sebastián Piñera den Asien-Pazifik-Gipfel und die Weltklimakonferenz in Santiago ab. Dabei galt Chile in der Unruheregion Südamerika lange als Hort der Stabilität. Allerdings gibt es im reichsten Land der Region hohe Einkommensunterschiede. Darüber hinaus sind vor allem Bildung und Gesundheitsversorgung sehr teuer.

Die heftigen Proteste entzündeten sich letztendlich an einer relativ bescheidenden Erhöhung der Metro-Preise. Viele der Demonstranten forderten bald aber mehr: eine Abkehr vom neoliberalen Wirtschaftsmodell und eine grundlegende Reform der Verfassung.

Die Unruhen, bei denen es zu schweren Sachbeschädigungen und zahlreichen Plünderungen kam, haben auch negative Auswirkungen auf die chilenische Wirtschaft. Die Regierung senkte ihre Wachstumsprognose für das laufende Jahr von 2,6 auf 2,0 Prozent.