""Raus aus dem Iran – Bagdad soll frei sein", skandierten die Demonstranten. Junge Iraker verbrennen in den Straßen iranische Flaggen. Videos kursieren, auf denen Plakate von Revolutionsführer Ali Khamenei mit Schuhen traktiert werden, im Nahen Osten eine schwere Beleidigung. Andere durchkreuzten mit roten Balken das Gesicht des Auslandskommandeurs der Revolutionären Garden, Qassem Soleimani.

"Alle weg, das heißt: alle weg"

Ausgerechnet in der heiligen Stadt Kerbala, der zentralen Pilgermetropole der Schiiten, ging das Konsulat der Islamischen Republik in Flammen auf, die sich stets als die globale Schutzmacht aller Schiiten inszeniert. Drei der Angreifer starben, als Wachleute sie unter Feuer nahmen. Ähnliche anti-iranische Aktionen, wenn auch weniger gewalttätig, erlebt dieser Tage auch der Libanon. "Alle weg, das heißt: alle weg", fordern die Demonstranten seit Mitte Oktober.

Ihre Forderung, das konfessionelle Proporzsystem aufzulösen und eine Regierung mit kompetenten Fachleuten zu berufen, zielt auch auf den Machtanspruch der pro-iranischen Hisbollah. Premierminister Saad Hariri wich als erster dem Volkszorn und trat zurück. Sein Gegenspieler Hassan Nasrallah, Chef der Hisbollah, dagegen reagierte dünnhäutig. In einer TV-Rede beschwor er die Gefahr eines Bürgerkrieges und schickte Horden schwarz gekleideter Schläger los, die das friedliche Protestcamp im Zentrum Beiruts in Trümmer legten.

Doch die Demonstranten ließen sich nicht einschüchtern. Und so treten die Aversionen gegen die politische Dominanz der Islamischen Republik immer offener zutage, je länger die Massenproteste andauern. Millionen Libanesen und Irakern könnte daher am Ende gelingen, was Präsident Donald Trump mit seiner Politik des "maximalen Drucks" bisher nicht vermochte – den regionalen Einfluss des Iran zurückzudrängen, dessen Führung seit Jahren ungeheure Anstrengungen und Geldsummen in seine schiitische Machtachse von Teheran, über Bagdad und Damaskus bis nach Beirut investiert. Die Führung der Islamischen Republik habe absolut alles zu verlieren, und "sie wird alles tun, um ihre Position zu verteidigen", urteilte Michael Knights vom "Washington Institute". Dazu aber müsse sie aus der Deckung, was den Volkszorn weiter anheize.

250 Menschen sind tot

Und so eilte der Garden-Kommandeur Qassem Soleimani Anfang Oktober nach Bagdad und erteilte Ratschläge, wie sich Unruhen am schnellsten ersticken ließen. "Wir im Iran wissen, wie man mit Protesten umgeht", erklärte er dem bedrängten Premier Adel Abdul Mahdi. "Wir sind auch damit fertig geworden." Revolutionsführer Ali Khamenei beschwor per Twitter die Regierungen in Beirut und Bagdad, "den Aufruhr" unter Kontrolle zu bringen. Das blutige Ergebnis ist bekannt – und lässt die Wut der Iraker erst recht hochkochen. 250 Menschen sind gestorben und 10.000 wurden verletzt. 70 Prozent der Getöteten traf eine Kugel gezielt in Kopf oder Herz, abgefeuert von vermummten Scharfschützen auf Dächern, die die Bevölkerung als irantreue Milizionäre verdächtigt.

Der Einfluss Teherans stützt sich vor allem auf pro-iranische Parteien und bewaffnete Paramilitärs, im Libanon die Hisbollah und im Irak die Volksmobilisierungseinheiten (PMF): Die religiös-ideologischen Kampftruppen bilden einen Staat im Staate, höhlen Nationen von innen aus und machen sie sich gefügig. "Wir sind das reichste das Land der Welt und trotzdem das ärmste. Denn diese Regierung ist nicht die unsrige, sondern die eines Nachbarlandes", twitterte kürzlich ein junger Iraker. "Ich weine für meine Heimat."