Trotz der mehr als 40 Toten bei den jüngsten Protesten im Irak gehen die Demonstrationen weiter: Kurz vor einer Sondersitzung des Parlaments gingen am Samstag hunderte Menschen in der Hauptstadt Bagdad auf die Straße, um Reformen, eine neue Regierung sowie ein Ende der Korruption zu fordern.

Auch im Süden des Landes, wo am Freitag 42 Menschen ums Leben gekommen waren, riefen Aktivisten trotz Ausgangssperren zu weiteren Protesten auf. Auch mit einem massiven Tränengas-Einsatzes gelang es den Sicherheitskräften am Samstag nicht, die Demonstranten von Bagdads zentralem Tahrir-Platz zu vertreiben. Er liegt in der Nähe der besonders geschützten Grünen Zone, wo das Parlament auf einer Sondersitzung am Nachmittag über die Forderungen der Demonstranten und Reformpläne von Ministerpräsident Adel Abdel Mahdi beraten wollte.

Seit Tagen schon schwere Ausschreitungen

Bei heftigen Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften waren am Freitag mehr als 40 Menschen getötet worden, die meisten im schiitisch dominierten Süden des Irak. Demonstranten setzten dabei erstmals auch Regierungsgebäude und die Zentralen politischer Parteien sowie bewaffneter Gruppen in Brand. Viele wurden erschossen, als sie Gebäude der schiitischen Hashed-al-Shaabi-Milizen (Volksmobilisierungseinheiten) zu stürmen versuchten. Die Behörden verhängten daraufhin in mehreren Provinzen im Süden eine Ausgangssperre.

Seit Beginn der Proteste im Irak Anfang Oktober sind fast 200 Menschen ums Leben gekommen, in der großen Mehrzahl Demonstranten. Auslöser waren ursprünglich neben Korruption und hoher Arbeitslosigkeit die schlechte Strom- und Wasserversorgung im Land. Inzwischen richten sich die Proteste aber zunehmend gegen die politische und religiöse Elite des Landes.

Druck auf die Eliten

Die vorwiegend jungen Demonstranten werfen den Eliten vor, in den 16 Jahren seit dem Sturz von Diktator Saddam Hussein nichts unternommen zu haben, um die Lage der Menschen im Land zu verbessern. Im Irak lebt jeder fünfte Bürger in Armut. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt nach Angaben der Weltbank bei rund 25 Prozent. Das Land, das als zweitgrößter Ölproduzenten der OPEC gilt, wird von Transparency International als zwölftkorruptester Staat der Welt eingestuft. Nach offiziellen Angaben kostete die Korruption das Land seit 2003 insgesamt 410 Milliarden Euro, doppelt so viel wie sein Bruttoinlandsprodukt.

Angesichts der Proteste hat Ministerpräsident Mahdi eine Reihe politischer und sozialpolitischer Reformen versprochen. Dazu zählt ein neues System bei der Besetzung öffentlicher Ämtern, eine geringeres Mindestalter für Kandidaten bei Wahlen, höhere Renten sowie ein Umbau des Kabinetts. Allerdings sind die Parteien im Parlament so zerstritten, dass viele Entscheidungen blockiert sind.