Internationale Zeitungen kommentieren am Mittwoch das Tauziehen um den Brexit wie folgt:

"Financial Times" (London):

"Die feindselige Art, in der das von Boris Johnsons Berater Dominic Cummings geleitete Downing-Street-Team das Telefongespräch Johnsons mit Angela Merkel darstellte, macht die Agenda klar. In einem anonymen Briefing wurde behauptet, die deutsche Kanzlerin habe eine "neue Position" bezogen, indem sie erklärt habe, Nordirland werde "niemals" die EU-Zollunion verlassen. Sollte Merkel tatsächlich etwas in dieser Art gesagt haben - Berlin weigert sich, das zu kommentieren -, hätte sie lediglich die Position wiederholt, die die EU schon immer vertreten hat. (...)

EU-Ratspräsident Donald Tusk hat den Premierminister zu Recht vor einem "dummen Schwarzer-Peter-Spiel" gewarnt, wenn die Zukunft Europas und Großbritanniens auf dem Spiel steht. Eine verantwortungsvolle britische Regierung würde ein derart polarisierendes Herangehen auch zurückweisen. Doch nachdem diese Regierung nun elf turbulente Wochen im Amt ist, lautet die traurige Schlussfolgerung, dass man ihr kein verantwortungsvolles Handeln zutrauen kann."

"De Tijd" (Brüssel):

"EU-Ratspräsident Donald Tusk reagierte wütend und sprach von einem "dummen Schwarzer-Peter-Spiel". Auf jeden Fall zeigt sich, dass die Gespräche - niemand spricht mehr von echten Verhandlungen - sehr schwierig sind.(...) Und wie beim Scheidungskrieg üblich, will am Ende des Tages keiner der Schuldige sein. Obwohl jeder von einer ordentlichen Scheidung und sauberen Vereinbarungen profitieren würde, ist diese Option immer unwahrscheinlicher geworden. Die Frage ist, ob Boris Johnson das so schlimm findet. Für ihn wäre es ein politischer Sieg, wenn er Europa die Schuld geben und dann einen harten Brexit durchziehen könnte. Ein Sieg, den er bei Neuwahlen, die eher früher als später kommen werden, gut gebrauchen kann."

"Tages-Anzeiger" (Zürich):

"Merkel ist schuld, die Deutschen zeigen ihr wahres Gesicht, Berlin wollte uns schon immer unterwerfen, der Backstop für Irland war immer eine Falle - das sind die spontanen Reaktionen britischer Leave-Fans im Netz auf die Nachricht aus London, dass ein Deal mit der EU mittlerweile "ziemlich unmöglich" sei. Das Kalkül von Boris Johnson mag zwar in Brüssel als durchsichtig und in Berlin als unverschämt gelten. In Großbritannien aber scheint seine Rechnung fürs Erste aufzugehen. Die Schuldzuweisungen, die Dolchstoß­legende, die Brüssel gefürchtet hatte: Sie sind jetzt in der Welt. (...)

Die Aversion gegen den ehemaligen Kriegsgegner und dessen Wiederaufstieg zur Macht via Brüssel waren für viele Briten ein Grund gewesen, 2016 für den Brexit zu stimmen. Auch drei Jahre später hört man immer noch, die EU sei das trojanische Pferd, durch das Berlin in London erneut einmarschiert sei."

"Tagesspiegel" (Berlin):

"Boris Johnson begreift die Gefahr einer künftigen manifesten Grenze zwischen der Republik Irland, die in der EU verbleibt, und dem britischen Nordirland offenbar nicht als wesentlich. Es ist ein erschütterndes Zeichen, dass sich die 27 Mitglieder der Europäischen Union mehr Sorgen um den Frieden an dieser bis vor 20 Jahren so blutigen Grenze machen als die britische Regierung selbst. Mehr als 3000 Menschen starben in den Jahren des bürgerkriegsähnlichen Konflikts. Dennoch meint Boris Johnson, das Problem durch einen Deal lösen zu können. Aber dies ist kein Marktplatz. Seine Haltung ist verantwortungslos, gerade auch gegenüber den eigenen Bürgern. Dass die Europäische Union da nicht nachgibt, ist richtig."