Es gebe viel zu tun, sagte EU-Parlamentspräsident David Sassoli am Mittwoch und nannte den für Oktober angekündigten Brexit und die komplizierten EU-Finanzverhandlungen.

"Ich hoffe, dass die Kommission deshalb so schnell wie möglich die Arbeit aufnehmen kann", sagte Sassoli. Von der Leyen war am Dienstagabend im EU-Parlament mit einer Mehrheit von wenigen Stimmen gewählt worden und kann damit zum 1. November als erste Frau in der Geschichte der EU an die Spitze der Kommission rücken.

Am Mittwoch übergab sie in Berlin ihr Amt als Verteidigungsministerin an CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer ab. In den nächsten Wochen muss sie aus Vorschlägen der EU-Länder ihre Kommission mit insgesamt 28 Mitgliedern zusammenstellen. Das Kollegium muss sich Anhörungen und einer Wahl im Parlament stellen.

Bei der Wahl hatten die Grünen und etwa ein Drittel der 153 Sozialdemokraten von der Leyen die Stimme verweigert, unter anderem, weil sie keine Spitzenkandidatin zur Europawahl war. Stattdessen erhielt sie offenbar etliche Stimmen von EU-Kritikern. So sagte Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki, seine Regierungspartei PiS sei das "Zünglein an der Waage" gewesen. Die PiS streitet seit Jahren mit der EU-Kommission über Rechtsstaatlichkeit in Polen.

Die sozialdemokratische Fraktionschefin im EU-Parlament, Iratxe García Pérez, spielte die Bedeutung der Stimmverteilung am Mittwoch herunter. Mehrheitlich habe ihre Fraktion die Kandidatin unterstützt. "Wir haben beschlossen, dass das jetzt der Moment ist, sich verantwortungsvoll zu verhalten", sagte die Spanierin. Sie lobte die Pläne von der Leyens für ein grünes und soziales Europa und betonte, man erwarte eine schnelle Umsetzung der weitreichenden Zusagen: "Wir werden sehr wachsam sein."

Unter anderen hatten die 16 SPD-Abgeordneten der neuen EU-Kommissionschefin die Stimmen verweigert, was in der Großen Koalition in Berlin für Unmut sorgt. Hauptkritikpunkt der SPD-Europaabgeordneten war, dass nicht - wie von Christdemokraten und Sozialdemokraten angekündigt - einer ihrer Spitzenkandidaten zur Europawahl Kommissionschef werden sollte.

CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer kündigte in der ARD an, dass sie mit den Sozialdemokraten darüber sprechen wolle. "Die Sozialdemokraten müssen jetzt den Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland erklären, warum sie an diesem Tag für jemanden aus der eigenen Regierung, aus der Großen Koalition nicht die Hand heben konnten", sagte Kramp-Karrenbauer.

Aus Österreich wurde von der Leyen nur von den sieben ÖVP-Europaparlamentariern gewählt. Die Parlamentarier von SPÖ, FPÖ, Grünen und NEOS votierten gegen die neue Kommissionschefin.

Hahn als Österreichs EU-Kommissar beinahe fix

Johannes Hahn (ÖVP) dürfte eine dritte Funktionsperiode als Österreichs EU-Kommissar fungieren. Derzeit ist er als Kommissar für Europäische Nachbarschaftspolitik und Erweiterungsverhandlungen tätig. Am Donnerstag wird ihn die Bundesregierung in einem Sonderministerrat nominieren. Im Nationalrat muss die Nominierung dann beschlossen werden.

Frankreich strebt in Kommission Wirtschaftsressort an

Kurz nach der Bestätigung durch das EU-Parlament von Ursula von der Leyen als neue EU-Kommissionschefin meldet die französische Regierung Anspruch auf ein "starkes Wirtschaftsportfolio" für den eigenen Kommissar an. Dabei solle es um für Paris entscheidende Themenfelder gehen wie den Klimaschutz oder den Handel handeln, sagte ein französischer Regierungsvertreter am Mittwoch in Paris.

Die Verhandlungen darüber sollen in den kommenden Tagen beginnen. Jedes der 28 EU-Länder entsendet einen Kommissar nach Brüssel, die genauen Zuschnitte der Ressorts sind Verhandlungssache. Auch der italienische Vize-Ministerpräsident Matteo Salvini hat einen starken Wirtschaftsposten in der Kommission für sein Land gefordert.

Slowenien entsendet erfahrenen Diplolmaten

Slowenien wird den langjährigen Diplomaten Janez Lenarcic als Kandidaten für den slowenischen EU-Kommissarsposten nominieren. Premier Marjan Sarec gab seine Entscheidung am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Ljubljana bekannt, die Regierung soll darüber am Donnerstag entscheiden.

Der 51-jährige Lenarcic, derzeit Ständiger Vertreter Sloweniens bei der EU, ist laut Sarec ein erfahrener Diplomat und kennt sich in europäischen Institutionen gut aus. "Er ist ein guter und fachlicher Kandidat", so der Premier.

Angesichts der Machtverhältnisse innerhalb der Minderheitsregierung entschied sich der Regierungschef eigenen Worten zufolge für einen politisch neutralen Kandidaten. "Das ist ein fairer Vorschlag für alle Koalitionspartner", so Sarec. Während seine LMS-Partei und die Sozialdemokraten bei der EU-Wahl je zwei Abgeordnete bekamen, gingen die restlichen drei Regierungsparteien leer aus. "Es wäre nicht fair, wenn der Kommissarskandidat aus einer der Koalitionsparteien kommen würde", argumentierte der Premier seine Auswahl.

Der Aufforderung der neuen EU-Kommissionspräsidentin Ursula van der Leyen, die die Mitgliedstaaten gebeten hatte, jeweils eine Frau und einen Mann zu nominieren, sei er bewusst nicht gefolgt. In Slowenien wäre der nichtausgewählte Kandidat automatisch zum Verlierer geworden, was diesem gegenüber nicht fair wäre, betonte Sarec. Dazu habe Slowenien bereits in der bisherigen Kommission mit Violeta Bulc eine Kommissarin gehabt, weshalb nun auch andere Länder an der Reihe seien, fügte er hinzu und betonte, dass sich auch andere Mitgliedstaaten nicht daran gehalten hätten. "Wieso soll Slowenien immer brav allem folgen, wenn auch die anderen Mitgliedsländern nur jeweils einen Kandidaten vorgeschlagen und Frauenquoten nicht befolgt haben", erklärte der slowenische Premier.