Die Eskalationsstrategie von Amerikas „Falken“, die einen Sturz des Mullah-Regimes im Iran herbeiführen wollen, scheint aufzugehen. Am Wochenende kündigte Teheran an, die Anreicherung von Uran – ein wichtiger Bestandteil für den Bau von Nuklearwaffen – wieder zu steigern. Zusätzlich sollen alle 60 Tage weitere Teile des Atomabkommens von 2015 annulliert werden, solange die harten Wirtschaftssanktionen aufrecht bleiben.

Das spielt den Hardlinern in Washington rund um den Nationalen Sicherheitsberater John Bolton und Außenminister Mike Pompeo in die Hände. Ihre Strategie: Die Zustände im Iran sollen sich durch strenge Wirtschaftssanktionen so verschlechtern, die Streitkräfte des Landes und die gesamte Staatsführung durch militärische Drohgebärden so diskreditiert werden, dass sich das iranische Volk erhebt und seiner antiwestlichen Führer entledigt.

Die Strategie hat unmittelbar kaum Aussicht auf Erfolg. Zu stark ist der iranische Sicherheitsapparat, zu schwach die Opposition, zu verwurzelt das Regime, nunmehr seit der Revolution 1979 an der Macht, obwohl es in den letzten Monaten mehrere landesweite Proteste gegen Korruption, politische Unterdrückung und die fehlgeschlagene Wirtschaftspolitik der Regierung gegeben hat.

Die Drohkulisse, die US-Präsident Donald Trump in den letzten Monaten aufgebaut hat – unter anderem werden ein Flugzeugträger, mehrere Bomber sowie zusätzliche Bodentruppen in den Nahen Osten verlegt –, erhöht das Risiko einer militärischen Konfrontation.

Der Iran setzt auf asymmetrische Kriegsführung

Im Moment scheint diese noch unwahrscheinlich. Zumindest ein Landkrieg und eine Invasion des Irans sind auszuschließen. Falls es zu Kampfhandlungen kommt, würden diese – neben dem möglichen Einsatz von irantreuen Milizen in Syrien und im Irak, die Anschläge auf US-Einrichtungen verüben könnten – wohl primär im Cyberspace, in der Luft und auf See ausgetragen werden.

In einem Konflikt mit den USA würde der Iran auf „asymmetrische Fähigkeiten“ setzen, die die relativen Schwächen des amerikanischen Militärs ausnützen sollen. Der Iran hätte keine Chance, mit eigenen großen Kriegsschiffen, Kampfbombern, Jets oder Panzern die US-Streitkräfte direkt zu konfrontieren. Daher verfolgen die iranischen Streitkräfte eine asymmetrische Strategie, die gezielt den Zugang und die Bewegungsfreiheit amerikanischer Einheiten zum bzw. im Persischen Golf einzuschränken oder sogar komplett zu verhindern und sie an ihren schwächsten Punkten anzugreifen sucht.

Aus diesem Grund unterhält der Iran eines der weltweit größten Arsenale von konventionellen ballistischen Kurz- und Mittelstreckenraketen, deren Treffgenauigkeit in den letzten Jahren stetig zugenommen hat. Mit diesen Waffen kann der Iran amerikanische Kriegsschiffe sowie amerikanische Stützpunkte in der Region bedrohen und gegebenenfalls attackieren, ohne selbst Bomberangriffe fliegen zu müssen oder die iranische Marine zur Seeschlacht auslaufen zu lassen.

In der Luftraumverteidigung setzt der Iran ebenfalls auf Asymmetrie. Irans Luftwaffe besteht aus circa 300 veralteten Kampfflugzeugen der zweiten und dritten Generation. Im Kampf gegen moderne Jets der fünften Generation, wie die amerikanische F-35, würden sie unterliegen. Daher setzt Teheran auf russische S-300 Flugabwehrkomplexe, die selbst Tarnkappenfliegern („stealth aircraft“) gefährlich werden können. All dies würde von gezielten iranischen Cyberangriffen unterstützt werden.

Eines genaueren Blicks bedarf die iranische Kriegsmarine und der Marinezweig der Revolutionsgarde, deren Operationsgebiet der Persische Golf ist. Zusammen verfügen die beiden Organisationen über knapp 100 Schiffe, wobei die Hälfte davon kleine, wendige Schnellboote sind, die mit Minen, Torpedos oder Antischiffsraketen bewaffnet werden können. Die größeren Schiffe würden in einem Konflikt schnell zerstört werden. Irans asymmetrischer Vorteil hier ist aber die Quantität der Schiffe. Drei oder vier Schiffe würden von einem amerikanischen Zerstörer schnell versenkt werden. Bei 20 oder 30 Schnellbooten, die eine sogenannte Schwarmtaktik anwenden, könnten amerikanische Verteidigungssysteme schnell übersättigt werden und die Chance würde erheblich steigen, dass ein oder zwei iranische Torpedos und Raketen ihre Ziele treffen. Eine tödliche Arithmetik, die aber sehr effektiv sein kann. Die Versenkung eines einzigen amerikanischen Schiffes wäre ein großer Propagandaerfolg für das iranische Regime und Gift für den Wahlkampf von Donald Trump.

Es ist auf der See, in der Straße von Hormus, die an ihrer engsten Stelle nur etwa 33 Kilometer breit ist und durch die 30 Prozent des Weltölbedarfes fließen, wo die iranischen Streitkräfte ihren größten asymmetrischen Vorteil entfalten können. Der Iran besitzt eine Flotte von über 20 diesel-elektrischen U-Booten, die Minen unter Wasser verlegen können. Das Arsenal an Seeminen wird auf 3000 bis 6000 geschätzt. Einige Hundert davon sind intelligente Minen, die mehrere Schiffe gleichzeitig verfolgen sowie auf verschiedene Wassertiefen tauchen können. Die Amerikaner haben zwar Schiffe und Flugzeuge zur Bekämpfung dieser Minen und U-Boote in der Region. Diesel-elektrisch betriebene U-Boote sind aber leiser als Atomunterseeboote. Wegen der geringen Wassertiefe des Persischen Golfs ist es schwieriger, sie mit Sonar zu orten. Wegen ihrer geringen Größe und ihrer Fähigkeit, zu tauchen und ihre Position zu ändern, sind intelligente Minen ebenfalls schwer zu lokalisieren. Das Entschärfen einer einzigen intelligenten Mine kann mehrere Tage dauern.

Eine Blockade der Straße von Hormus ist daher auch das größte Druckmittel Irans in jeder militärischen Konfrontation mit den USA. Es würde Wochen dauern, bis Öltanker wieder ungehindert den Seeweg passieren könnten – mit potenziell drastischen Folgen für die Weltwirtschaft, denn ein höherer Ölpreis könnte zu einer globalen Rezession beitragen. Aber: Solch eine Blockade ist die Ultima Ratio für den Iran, da sie dem Land selbst ungeheuren wirtschaftlichen Schaden zufügen würde.

Ziel ist es, die US-Verluste in die Höhe zu treiben

Alles in allem ist es wichtig, zu verstehen, dass das Ziel dieser asymmetrischen Strategie der iranischen Streitkräfte nicht darin besteht, zu siegen. In einem Krieg mit den USA würde das Land auf jeden Fall unterliegen. Die Absicht wäre es vielmehr, wie es schon die Aufständischen im Irak zwischen 2003 und 2011 vorzeigten, die materiellen und menschlichen Verluste für Washington enorm in die Höhe zu treiben – dieses Drohung soll selbst die militärische Supermacht USA vor einem Krieg zurückscheuen lassen.